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Blatt 23: Ich weiß ja auch gar nicht mehr

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Das Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank

Auszug 35 159 23 5, Blatt 23

Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende

ßilberling Ich weiß ja auch gar nicht mehr. Wie lange es zurückliegt! Jedenfalls wurde ich eines Tages auf einen Apfel – und Orangenmarkt weitergereicht, frei nach dem Motto „Wanderschaft hin – Wanderschaft her“. Tja, so wie es für uns Münzen nun mal üblich ist, und so landete ich ausgerechnet in die Handtasche von Babette Lembel.

RLG Nanu?

ßilberling Die Gattin.

RLG Nanu?

ßilberling Ja, ja, und das, was für mich folgte, waren ruhige Zeiten, um nicht zu sagen, sehr ruhige Zeiten, still und stumm allein der Liftboy Charlie in der grauen Liftuniform mit den ewigwährenden Knöpfen.

Eleganz war überhaupt kein Ausdruck, beileibe, besonders die mustergültig ausgestattete Chefetage im vierten Stock des Glaspalasts, zum Beispiel waren die orientalischen Auslegewaren mit glatt gestriegelten Goldfäden durchsetzt, auch die bordeauxroten Wandtapeten, eine im Silberrahmen gefasster, gezeichneter Zitronenfalter nicht zu vergessen, unmittelbar vor dem Vorzimmer hing dieses Bild. Das Vorzimmer selbst war mehr oder minder spartanisch eingerichtet, so dass es sich von einem hundsgewöhnlichen Allerweltbüro kaum unterschied: ein paar Aktenschränke beziehungsweise –regale, ein schlichter Schreibtisch, an welchem Frau Lembel Dinge des tagtäglichen Bedarfs wie ständiges Telefonieren genauso erledigte wie das Bestücken des Terminkalenders Ihres Mannes, Ablagen und Korrespondenzen, seit Jahrzehnten wohlgemerkt, den stets gut gerösteten Bohnenkaffee nicht zu vergessen.

Lembel residierte indes im Zimmer nebenan an einem überdimensionalen Riesenschreibtisch, aus purem Eichenholz, frei nach dem Motto „wenn schon, denn schon.“ Oder war er aus Linde, ich weiß es nicht mehr so haargenau, ehrlich gesagt, ebenso zierten neben großen und weiten Regalen in einer Ecke eine exquisite Sitzgruppe aus waschechtem Weißleder den Raum, natürlich fehlte auch eine kleine Geschäftsbar nicht. Für den Empfang seiner Gäste, den weitaus größeren Teil seiner Zeit hielt sich Lembel jedoch am Schreibtisch auf und brütete über Manuskripte, um sie für das Herausgeben zu bestimmen. Gegebenenfalls, sein wahrer Stolz ruhte jedoch in drei Glasvitrinen, ganz besondere Exemplare nämlich, glitzernd verhüllt und mit goldenen Lesezeichen versehen, handelte es sich hierbei doch ausschließlich um prämierte Werke seines Verlages.

RLG Buchpreise?

ßilberling Haargenau, und die Regale waren sogar mit einigen Literaturpokalen bestückt – glänzend und funkelnd.“

RLG Ob Märchen oder Dramen.

ßilberling Prospekte und Romane, der größte Leseschmaus.

RLG Frisch aus dem Lembelhaus.

ßilberling Auf einem kaminroten, herzförmigen Samtkissen in einem Regal gleich hinter dem Schreibtisch wurde ich aufbewahrt. Hach, wie weich, wie flauschig, wie kuschelig, und wie viele Wochen waren es tatsächlich, die ich darauf verweilte? Oder waren es gar Monate, auf die Dauer war es allerdings doch ein wenig zu öde. Bei allen Bequemlichkeiten, die langweiligen Gespräche mit irgendwelchen Geschäftsheinis in der Lederecke bei Rollmopsschnitten und Eierlikör oder Ähnlichem, stets von Frau Lembel liebevoll serviert. Unter dem Strich war es für mich eine persönliche Erleichterung, als ich endlich wieder auf Reisen geschickt worden war.

RLG Aha – und wie?

ßilberling Eines Tages eilte die Frau Gemahlin in das Chefbüro, wo die Morgenzeitung noch ausgiebig gelesen wurde. Unmittelbar nach dem völlig ungewohnten Hineinplatzen wurde brühheißen Bohnenkaffees verschüttet – wie aus heiterem Himmel. Auf die Untertasse, auf den im edlen Zwirn verhüllten Schoß, von der Krawatte gänzlich zu schweigen. Sie indes schien nicht einmal für das Ablegen ihres Leopardenpelzes Zeit gehabt zu haben.

Babette Lembel Einen Apfel will er.

Meinard Lembel Einen Apfel?

Babette Lembel Nur einen Apfel.

Meinard Lembel Einen Apfel, um Himmelswillen - wer will denn einen Apfel? Und das so früh am Morgen?

Babette Lembel Unten steht einer, vorm Eingang. Und hat nach einem Apfel gefragt.

Meinard Lembel Was, betteln? Ausgerechnet vor meinem Haus?

Babette Lembel Ja, ein Blinder glaube ich, ein ganz armer Schlucker.

Meinard Lembel Dieser Kerl muss weg. Und zwar sofort, ich ruf die Polizei an.

Babette Lembel Und das was er anhatte. Schäbig und dreckig.

Meinard Lembel Wenn der auch noch anfängt, unsere Besucher anzubetteln. Nicht auszudenken, der Ruf meines Hauses steht auf dem Spiel.

ßilberling Er grabschte nach dem Hörer, bevor er jedoch die Wählscheibe berühren konnte, patschte sie auf die Telefongabel.

Babette Lembel Unser Ruf – oh, wie du Recht hast. Wenn du einen Armen von der Polizei verjagen lässt.

Meinard Lembel Natürlich, was denn sonst. Oder hast du vielleicht eine bessere Idee?

Babette Lembel Ich hab ja heute nur meine Geparden – Handtasche mitgenommen, mit etwas mit frischem Camembert bestrichenes Brot darin. Aber das will er nicht, nein, er besteht auf einen Apfel – felsenfest!

Meinard Lembel Dass diese dreckigen Penner nie Ruhe geben können!

Babette Lembel Ich hätte ihn ja auch längst schon zum Orangen – und Apfelmarkt geschickt. Mit ein paar in die Hand gedrückten Münzen, aber leider habe ich heute nur Scheine dabei. In meinem Jaguar – Portemonnaie.

ßilberling Lembel schaute sich um, so dass er mich im Samtkissen erspähte.

Meinard Lembel Genügt das?

Babette Lembel Mit Sicherheit, ach, du bist und bleibst ein Schatz. Das Herz auf dem rechten Fleck.

ßilberling Unten auf den Marmorstufen reichte sie mich dann den seltsamen Fremden. Auf dem Apfel – und Orangenmarkt wurde ich dann tatsächlich gegen frische Äpfel eingetauscht. Und reichlich Wechselgeld gab‘ s obendrauf, hach, was für eine Wertschätzung für mich, und meine Wanderschaft begann aufs Neue. Denn auf Dauer war‘ s doch ein bisschen öde auf dem roten Samtkissen - wie gesagt.

Neuer Kontostand: ein ßilberling, ein Ende

Hugo Bauklotz - Ein Zaun

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