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2.1.3. Domburgen

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Die befestigten Immunitäten der Bischofssitze, die „Domburgen“, gehörten zu den wichtigsten Vorgängern bzw. Ausgangspunkten der mittelalterlichen Städte, denn sie boten gute Möglichkeiten für Handwerk und Handel. Sie entsprachen in ihrer politischen Bedeutung durchaus den schon angesprochenen „Mittelpunktsburgen“, übertrafen sie aber als zugleich geistige und religiöse Zentren noch deutlich. Eine Mehrheit religiöser Gemeinschaften – Stifte und Klöster, wie sie sich um Bischofssitze ballten – benötigte nicht nur in erheblichem Umfang Güter des täglichen Bedarfs, sondern auch Wertgegenstände für Liturgie und Kirchenschatz. Geistliche und Mönche waren außerdem die besten Organisatoren der Zeit, weil sie schreiben konnten, Bildung besaßen und einer gesamteuropäisch und darüber hinaus etablierten Organisation angehörten. Dass die frühesten wirklichen Städte des Mittelalters gerade an und aus Bischofssitzen entstanden, ist daher leicht erklärlich. In der Regel bildete sich der Markt vor dem wichtigsten Tor der Domburg, aber als große Ausnahme lag er auch einmal innerhalb der Mauern, wie offenbar in Osnabrück, wo der Mauerverlauf allerdings bisher nicht sicher erfasst ist.

Es war bereits erwähnt worden, dass die Entwicklung vom geistlichen Zentrum zum Marktort sich auch im Wortgebrauch der Quellen spiegelt, indem vor allem „civitas“ oder auch „urbs“ beides nacheinander bezeichnen konnten, ohne dass die Entwicklung von der Domburg zur wirklichen Stadt erkennbar würde – eine Tatsache, die die Geschichtsforschung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein dazu gebracht hat, die Anfänge echter Städte und auch ihrer Befestigungen deutlich zu früh anzusetzen. Noch Haase musste daher 1963 in seinem Aufsatz über die „Stadt als Festung“ betonen, dass die mittelalterliche Stadt im eigentlichen Sinne mit der bürgerlichen Ansiedlung beginnt und nicht bereits mit der Domburg.

Weil die Domburgen – und auch einige wichtige Stifte und Klöster – in jeder Hinsicht Mittelpunkte der damaligen Welt waren, zogen sie nicht nur die frühen Märkte und Händlersiedlungen an, sondern besaßen auch Umwehrungen, die im Rahmen ihrer Zeit hohen Standard erreichten. Damit sind nicht nur die römischen Mauern gemeint, in denen sich die Bischofssitze vor allem an Rhein und Donau einrichteten – Straßburg, Mainz, Köln, Trier, Regensburg, Augsburg –, sondern noch mehr die Bischofssitze außerhalb des ehemaligen Imperiums. Zwar bildeten auch hier, wie bei anderen Burgen und später den Städten, sicherlich Holz-Erde-Befestigungen den Anfang und lange den Normalfall. Durch Grabung nachgewiesen oder zumindest naheliegend sind sie etwa in Speyer, Münster, Halberstadt, Bremen und Hamburg; in Augsburg ist, trotz der weiterbenutzten römischen Mauer, im 10. Jahrhundert die Rede nur von „Wällchen und Palisaden“. Aber Mauern traten hier besonders früh auf, manche erhielten früher und konsequenter als andere Befestigungen Türme und ihre Torbauten waren aufwendiger. Freilich sind wir über dies alles nur noch aus Schriftquellen und einigen Grabungen informiert.

Mauern um die Domburgen entstanden, so wie es bisher aussieht, vom mittleren 10. Jahrhundert bis zum mittleren 12. Jahrhundert, wobei die Entwicklung offenbar im Süden begann, vermutlich von den Resten römischer Mauern beeinflusst. In Augsburg wollte Bischof Ulrich Mitte des 10. Jahrhunderts die erwähnten Wälle durch Mauern ersetzen, die aber beim Ungarnangriff 955 noch niedrig und turmlos waren. In Passau wurde ein älterer, die ganze Halbinsel samt Dom schützender Abschnittswall im 10. Jahrhundert erneuert („Römerwehr“) und auch in Trier gab es um 1000 schon eine neue Mauer (wobei der davorliegende Markt, ab dem frühen 12. Jahrhundert wallgesichert, schon 1140–43 ebenfalls ummauert wurde). In Norddeutschland ist der steinverkleidete Wall der bischöflichen Nebenresidenz Soest, wohl aus dem 9. Jahrhundert, der älteste Fall, während die meisten Beispiele jünger sind, so etwa in Münster (Mauer um 1100), in Osnabrück (spätestens frühes 12. Jahrhundert) und bei dem reichen Kloster Fulda (Mauer um 1150–65). In diesen Fällen bleibt zumeist unklar, ob die Mauern schon Türme besaßen; immerhin ist die ausdrückliche Erwähnung, sie hätten 955 in Augsburg noch gefehlt, ein Indiz, dass sie zumindest von manchen als normaler Bestandteil betrachtet wurden.

In einigen Fällen wissen wir jedoch sicher von Türmen, und zwar nicht von vereinzelten, sondern von regelmäßig gereihten, die wiederum an Römisches erinnern. Das große Kloster St. Gallen errichtete zwischen 953/54 und 975 eine Befestigung mit 13 Türmen – die früheste Anlage mit Türmen, von der wir wissen, bei der man aber bisher nur vermuten kann, dass sie das Kloster selbst umgab. Die anderen mit Türmen versehenen Mauern liegen im Norden und entstammen der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Unter Bischof Bernward (993–1022) entstand die schon erwähnte Mauer in Hildesheim, die eine ältere Befestigung ersetzte und voll vorspringende Rundtürme besaß. Bremen, ursprünglich umwallt, sollte zwischen 1032 und 1043 eine getürmte Mauer erhalten – man unterstellt dort quadratische Türme –, der Bau wurde aber abgebrochen; ähnlich sollte der „Heidenwall“ in Hamburg, der neben der „Hammaburg“ auch die Siedlung in Halbinsellage schützte, um 1035/43 durch eine Mauer mit zwölf Türmen ersetzt werden, was auch nicht zustande kam.

Über die Tore dieser Domburgen sind wir in ähnlicher Weise informiert, das heißt in der Regel nur aus Schriftquellen. Offenbar gab es öfter Kapellen in den Obergeschossen, die die Doppelbedeutung der „Dom-Burg“ unterstrichen. Interessanterweise ist gerade dies ein Element, das auch bei besonders frühen Stadttoren wiederkehrte, bei Bischofsstädten (Köln), aber auch bei anderen (Soest, Goslar; vgl. 2.2.5.6.). In Hildesheim, wo die Tore der Bernwardsmauer solche Kapellen besaßen, ist in der Stiftskirche Heilig-Kreuz das wohl einzige Tor dieser Art weitgehend erhalten geblieben (Abb. 10). Offenbar hatte man die Domburg wenige Jahrzehnte nach der Ummauerung schon gegen Osten erweitert und einen mächtigen Torbau mit dreischiffiger Torhalle und entsprechender Kapelle im Obergeschoss errichtet; eben dieser wurde schon bald, 1079, zur Stiftskirche umgestaltet – aus einem „Haus des Krieges“ (domus belli) in eines des Friedens, wie der Chronist berichtet.


Abb. 10 Hildesheim (Niedersachsen). In der Kirche Heilig Kreuz ist ein Torbau der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verbaut, im Grundriss quadratisch markiert. Unten ein Rekonstruktionsversuch des Inneren von J. Bohland (A. Rieger, Die Kreuzkirche in Hildesheim, 1962).

Als Sonderfälle befestigter Bischofssitze, die einer anschließenden Stadtentwicklung besonderen Vorschub leisteten, seien noch kurz jene angesprochen, bei denen aufgrund der Topographie offenbar keine separate Domburg entstand, sondern von vornherein ein größeres Gebiet gesichert wurde, das neben dem Domstift viel mehr Platz zur Entfaltung bot. In der Regel handelte es dabei um Spornlagen bzw. Halbinseln, bei denen eine Abriegelung der einzigen, relativ schmalen Angriffsseite ökonomischer als eine längere und trotzdem ein kleineres Gebiet schützende „Burg“ inmitten des Sporns war. Prototypisch darf man Passau nennen, wo die Spitze zwischen Donau und Inn auf natürlich vorgegebener Geländekante durch einen Wall gesichert war, der im 10. Jahrhundert als Mauer erneuert wurde; das geschützte Gelände reichte der Stadt dann bis ins Spätmittelalter aus. Direkt vergleichbar ist Konstanz, ursprünglich eine Halbinsel zwischen Rhein, Boden- und Untersee. In Basel ging der Abschnittswall auf dem Sporn letztlich auf eine keltische Befestigung zurück, war aber doch etwas klein, sodass eine weiter gespannte Ummauerung („Burkardsmauer“; Abb.300) schon vor 1100 entstand. Hamburg schließlich ähnelte Passau und noch mehr Konstanz, aber hier war die Abschnittsbefestigung des „Heidenwalls“ erst die zweite Entwicklungsstufe nach der „Hammaburg“, die älter war und isoliert dahinterlag.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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