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2.1.4. Frühformen von Städten

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Domburgen und „Landes-“ oder „Mittelpunktsburgen“ waren Herrschaftssitze, die der allmählichen Herausbildung von Märkten und der Ansiedlung spezialisierter Produzenten einen Anknüpfungspunkt und Schutz boten. Nach dem gegenwärtigen, immer noch nur punktuell vertieften Kenntnisstand war dies vermutlich der häufigste Fall der Entstehung früher Städte. Das Augenmerk der historisch orientierten Städteforschung hat daneben schon früh einer Form früher Handelsplätze gegolten, bei denen solche Herrensitze oder Plätze staatlicher Amtsträger keine nennenswerte Rolle spielten, den sogenannten Wiken (oder Wieken; vom germanischen Wort für Bucht oder Umzäunung), die insbesondere an den Küsten von Nord- und Ostsee entstanden und an Flüssen, die von dorther befahrbar waren. Das besondere Interesse solcher Anlagen liegt aus historischer Sicht vor allem auch darin, dass man hier nicht ohne Grund von einer Art früher Selbstverwaltung der Kaufleute ausgeht, die manche Züge des späteren Markt- und Stadtrechts vorweggenommen hätte.

Ob solche nur den wirtschaftlichen Gesetzen folgenden Handelsplätze wirklich nichts mit Herrensitzen zu tun hatten und ob sie im Einzelfalle befestigt waren, ist natürlich wieder eine Frage, die fast nur durch Archäologie zu klären ist, weswegen das Thema hier auch nur kurz berührt werden soll. Im Wesentlichen sind es die umfangreichen Ausgrabungen in Haithabu (Schleswig-Holstein; Abb. 11) gewesen, die verdeutlicht haben, was an solchen Orten schon vor 1000 möglich war; in Haithabu waren die Bedingungen für die Forschung ideal, weil der Ort später verödete und die Bodenfunde daher unzerstört und zugänglich blieben. Nicht nur war diese frühe „Stadt“ schon äußerst dicht bewohnt und bebaut, sondern der Reichtum der Bewohner genügte auch, um vor 968 eine starke, 1300 m lange und 10 m hohe Umwallung zu schaffen, die dann bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in neun Phasen verstärkt wurde. Edith Ennen hat hier einen allgemeinen Strukturwandel der westeuropischen „Wike“ im 10. Jahrhundert erschlossen, der freilich noch stark der Veranschaulichung durch Grabungsergebnisse an anderen Orten bedürfte; gerade auch die Frage, wie die fraglos öfter vorhandenen Befestigungen aussahen und wann sie entstanden sind, bedürfte solcher Klärungen.


Abb. 11 Haithabu (Schleswig-Holstein), Rekonstruktionsversuch des befestigten Handelsplatzes im Zustand des 10. Jahrhunderts (GEOEPOCHE).

Jenseits der Küsten bzw. der Verbreitungsgebiete der „Wike“ ist es, soweit ich sehe, bisher unmöglich, frühe befestigte Siedlungen ohne Anschluss an einen Herrschaftssitz sicher zu fassen. Als Beispiel der Problematik sei Ladenburg erwähnt, wo ein kleiner Bereich im Zentrum der römischen Stadt nach Einschätzung der örtlichen Forschung schon im 9./10. Jahrhundert eine 2 m dicke Mauer samt Graben erhielt, die man als Sicherung eines wormsischen (Wirtschafts-) Hofes versteht. Bei scharfer Betrachtung ist aber die Funktion dieses später dicht verbauten Kernbereiches der Stadt ebenso ungeklärt wie die genaue Datierung.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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