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2.2.1.3. Befestigungen aus Holz

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Neben dem Ausheben von Erdreich und dessen Aufschütten zu Wällen ist die Verwendung von Holz die zweite Möglichkeit, schnell eine provisorische, aber wirksame Befestigung zu errichten. Holz ist noch heute in vielen Regionen massenhaft vorhanden und im Mittelalter, als der Wald weit größere Teile Europas bedeckte, war es noch besser verfügbar. Es ist leicht und schnell zu verarbeiten und erlaubt – im Gegensatz zu reinen Wallgräben, die auch bei beträchtlicher Steilheit nur Reiter aufhalten können – die Errichtung von senkrechten, mehrere Meter hohen Wänden, die auch gegen Angreifer zu Fuß bzw. mit Steighilfen zu verteidigen sind. Ihr Nachteil, der die Mauer grundsätzlich zur besseren Lösung macht, war jedoch die vergleichsweise geringe Haltbarkeit des Materials, das nicht nur gegen Brand anfällig ist, sondern auch gegen die ganz normale Witterung, die es ohne aufwendige Pflege innerhalb weniger Jahrzehnte verrotten lässt.

Trotz dieser Nachteile ist vor allem im Gebiet der deutschen Ostkolonisation ein bemerkenswert hoher Prozentsatz von Städten konstatiert worden, die nie über Holzbefestigungen hinauskamen; in Schlesien etwa geht man von 30 bis 40 Prozent aus.

Wie verbreitet Holzbefestigungen auch sonst in den nördlichen Regionen Europas waren, verdeutlicht besonders griffig das englische Wort „town“, das dem deutschen „Zaun“ entspricht und ursprünglich wohl jene neuen Städte charakterisierte, denen die Steinmauer der römischen Städte (civitas = „city“) fehlte. Auch für die mittelalterlichen Anfänge zahlreicher anderer Bautypen war Holz, wie wir heute wissen, von hoher Bedeutung, etwa für Kirchen, Klöster, Burgen, Bürgerhäuser und Bauernhöfe.

Im Einzelfall sind frühe Holzbauten in den Quellen nachweisbar, wobei allerdings in der Regel der Stellenwert der hölzernen Teile innerhalb komplexerer Anlagen offenbleibt; gerade die Kombination mit Gräben und Wällen muss prinzipiell immer erwogen werden, auch wenn diese in den Quellen nicht erwähnt sind. Genaueres zu diesem Punkt können in günstigen Fällen die Grabungsergebnisse bieten, die auch zu dieser Thematik in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden sind. Aber auch die Ergänzung der Mauer durch hölzerne Anlagen ist in Einzelfällen belegbar, etwa in Nürnberg und Naumburg, wo Mitte des 14. Jahrhunderts Zäune als Sicherung der Mauerbaustelle belegbar sind, in Nordhausen 1434 um eine Vorstadt oder in Chemnitz, wo 1331 die Untertanen des benachbarten Klosters halfen, die Stadt zu „umzäunen“. Im letzteren Falle geht nämlich aus der Quelle hervor, dass der Zaun vor der Mauer steht – die Klosterleute durften im Notfall in den Zwischenraum flüchten –, dass er also einem Zwinger entsprach.


Abb. 18 Wien, auf dem Schottenaltar (um 1470) ist im Hintergrund der „Flucht nach Ägypten“ die Umwehrung einer westlichen Vorstadt von Wien dargestellt: ein Zaun und eine Streichwehr aus Flechtwerk (Museum im Schottenstift).


Abb. 19 Frankfurt/Oder (Brandenburg), Rekonstruktionsversuch der Palisade mit Wehrgang, die wohl direkt nach der Stadtgründung 1253 auf einem Wall entstand (Archäologie in Berlin und Brandenburg, 1993/94).

Im Prinzip hat es offenbar vier Arten hölzerner Befestigungen gegeben. Der durch Holzaussteifungen verstärkte Erdwall, bei antiken und frühmittelalterlichen Befestigungen durchaus häufig (murus gallicus, Pfostenschlitzmauer und Ähnliches), scheint bei Stadtbefestigungen keine Rolle gespielt zu haben. Die massivste Art der hölzernen Befestigung von Städten war daher die Palisade, die aus senkrecht eingegrabenen, dicht gereihten Baumstämmen besteht. Bestimmte Einzelbefunde belegen, dass Palisaden beachtlich hoch sein und Wehrgänge besitzen konnten; auch Erker (die vermutlich mit propugnaculum gemeint sind) und „berchfrede“ (Türme, Blockhäuser?) sind gelegentlich belegbar. Die Palisade wird gerne als Synonym für hölzerne Befestigungen schlechthin verwendet, aber es gibt etliche Hinweise darauf, dass auch Zäune häufig waren. Wir kennen geflochtene Zäune vornehmlich aus spätmittelalterlichen Abbildungen (Abb. 18), Bretterzäune hingegen erscheinen als „Planken“ vor allem in den Quellen. Zäune waren weniger massiv als Palisaden, aber schneller herzustellen, da man nur alle paar Meter einen Pfosten eingraben musste; für die „Planken“, die man sich horizontal befestigt vorstellen muss, war aber eine Sägemühle die Voraussetzung. Eine noch leichtere Befestigung stellte das Gebück dar, im Prinzip eine kunstvoll verflochtene Dornenhecke, die meist nur noch durch Straßen- oder Flurnamen nachweisbar ist (vgl. 2.2.9., 2.2.12.). Deswegen ist es meist auch schwierig, zu sagen, ob ein Gebück die Hauptbefestigung darstellte oder nur eine zusätzliche Vorfeldsicherung, etwa auf einem Außenwall; auch eine engere Datierung ist in der Regel nicht möglich.

Die Grabungsergebnisse kann man mit Schwäbisch Hall beginnen, wo die Solequelle durch eine kräftige Palisade samt Torbau geschützt war, deren Stümpfe unter dem Wasserspiegel des Kochers erhalten waren; sie waren sicher nicht jünger als das zugehörige spätromanische „Sulfertor“. Die Pfostenlöcher eines hölzernen Torturmes sind auch in Neustadt/Saale ergraben, das 1248 als parvum munitum (wenig befestigt) bezeichnet und erst im späten 14. Jahrhundert ummauert wurde. In Lemgo, dessen Stadtrechte 1245 bestätigt wurden, ist ein 18 m breiter Wassergraben nachgewiesen, dahinter eine schräg eingerammte Palisade und auf der Grabensohle eine Bretterwand („Planken“?); die Mauer wurde dann (um 1265?) auf Pfahlgründung in den Graben gesetzt. Besonders klar sind die Ergebnisse in Einbeck – die „Neustadt“ entstand um 1230/40 und erhielt einen 11–20 m breiten, flachen Graben; Torschwellen und Grabenbrücken konnten auf 1244–6/+8 und 1250 dendrodatiert werden. Schon 1264 wurde der Zehnte für den Mauerbau verwendet; ein Holztrog für den Mörtel wurde 1271 +/–10 hergestellt.

Besonders anschaulich sind Ergebnisse im 1253 gegründeten Frankfurt/Oder. In beackerten Boden (Furchen!) wurde hier eine Palisade mit schräg abgestütztem Wehrgang gesetzt (Abb. 19) – auch die Lagerfeuer der Arbeiter sind nachgewiesen –, davor ein schwacher Graben angelegt (3 m breit, 1,5 m tief); später wurde auf diesen Graben ein Wall geschüttet, darauf dann die 1312 zuerst erwähnte Mauer gesetzt. Der selten vollständige Befund zeigt, mit welcher Komplexität der Entwicklung man binnen weniger Jahrzehnte rechnen muss.

In Wachtendonk konnten Palisaden auf 1257 dendrodatiert werden, auch Reste in Spandau, deutlich hinter der Mauer des mittleren 14. Jahrhunderts, gehören ins 13. Jahrhundert (Abb. 20). Wall, Graben und Palisade wurden in Borken undatiert erfasst und in Liebenwerda ließ sich als Torgauer Tor anhand von vier Pfostenlöchern ein 5 m breiter Bau erweisen; die Brücke davor ist auf 1485/87 dendrodatiert.

Die Quellen zum Thema beginnen mit den Planken, die das Goslarer „Bergdorf“ schon um 1076 besaß, setzen sich dann aber erst im 13. Jahrhundert fort. Bonn besaß 1244 lignea propugnacula super fossatum (= Palisaden mit Erkern(?) und Graben), aber bereits neue Steintore (novas portas de lapidibus); die Mauer wurde dann 1291 erwähnt. Trachenberg in Schlesien sagte der adlige Gründer in der Gründungsurkunde 1253 zu, er werde die Stadt auf seine Kosten mit Bretterzaun und Graben umwehren (de nostris sumptibus civitatem blancis et fossatis munire). Unklar ist, was mit den plancas sive murum in Rinteln 1257 gemeint war – ein Bretterzaun, der erst teilweise durch die Mauer ersetzt war oder der es bald werden sollte? Neubrandenburg erhielt 1261, 13 Jahre nach der Gründung, die Bestätigung seines Stadtrechtes nebst der Erlaubnis, Holz ad palisadam im Stadtwald zu schlagen. 1280 akzeptierte Köln die 1275 erfolgte Befestigung von Steinheim in Westfalen, sofern diese befristet bleibe – gewiss kein Hinweis auf eine Mauer! 1276 erlaubte der Markgraf von Meißen der Stadt Naumburg, dass es Gräben, einen Schaufelwurf tief, und Planken mit Wehrerkern anlegen dürfe; die Mauer folgte erst in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Treptow (Mecklenburg) erhielt schon bei seiner Gründung 1277 das Recht auf Holzbefestigung; 1299 folgte die Erlaubnis zum Mauerbau.


Abb. 20 (Berlin-)Spandau, archäologisch erfasste Gräben und Palisaden des 13. Jahrhunderts hinter der Stadtmauer des 14. Jahrhunderts (R. Maczijewski, Ausgrabungen in Berlin, 3, 1972; ergänzt).


Abb. 21 Bamberg (Oberfranken), Umwehrung einer Vorstadt aus Blockwerk mit Streichwehren und Bretterzaun 1493 (Hartmann Schedel, Weltchronik; Ausschnitt).

Weitere Nachrichten zu Holzbefestigungen im 13. Jahrhundert seien nur aufgezählt. Helmstedt besaß 1230 eine Holzbefestigung, die man bis 1244 durch eine Mauer ersetzte; Iserlohn wurde 1265 verlegt und erhielt zunächst Palisaden. Bocholt erhielt 1201 Weichbildrecht und 1222 münstersches Stadtrecht, hatte aber noch 1309 plancas; Rheinberg, Stadt seit 1233, hatte noch 1290 plancis et propugnaculis, Ziegel für die Mauer sind dann bis 1311 erwähnt. 1263 besaßen Borken und Kamen „Planken“, 1269 Uelzen fossata et plancas (Mauerbau 1380–87). Beeskow (Brandenburg) hatte 1272 Gräben und Planken, Stralsund (städtische Rechte 1234/40) 1278 noch Planken, seine Mauer entstand um 1280–1310; ähnlich besaß Rostock (1218 lübisches Recht, 1252/62 drei Städte) noch bis 1286 Planken, obwohl man das backsteinerne Kuhtor schon auf 1262 datiert. Dass Holzbefestigungen in Mecklenburg bis ins 14. Jahrhundert normal waren, zeigt auch Schwerin mit Planken bis zur Mitte des Jahrhunderts.

Auch anderswo gibt es Belege für Holz bis weit ins 14. Jahrhundert. 1300 sollte in Zürich ein Maurer die Rückfront seines Hauses „an der swyren statt“ (= anstelle der Palisaden) aufführen – eine typische Nachricht für ein Land fast ohne Mauergassen (vgl. 2.2.3.6.). Stolp (Pommern) wurde 1310 zur Stadt erhoben; man sagte ihr zehn Jahre Steuerfreiheit ab dem Zeitpunkt zu, an dem die Palisaden fertig waren. Hersbruck erhielt 1313 und 1329 die Erlaubnis für Zaun und Graben und Namslau (Schlesien) war bis 1348 „alleyne mit blancken und graben befestiget“, dann wurde es durch Karl IV. erworben, der 1350 den Grundstein zur Mauer legte. Weitere Nachrichten betreffen etwa Bocholt (Planken 1309), Kupferberg in Franken („Plancken“ 1327), Dietfurt (Oberpfalz, Holzbefestigungen bis ins 15. Jahrhundert) und die 1378/83 befestigte Hamburger Jacobivorstadt, die teils noch um 1400 Palisaden besaß. Im Rheinischen Schiefergebirge wurden die Zäune und Gebücke in der Regel zwischen dem 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch Mauern ersetzt und auch im Ordensland Preußen sind zwischen den 1330er und 1370er Jahren vielfach noch Holzbefestigungen belegt.

Im 15. Jahrhundert lassen die Quellenbelege für Holzbefestigungen keineswegs merklich nach. In Fürstenau bei Osnabrück werden 1402 neue Planken geplant und zwei „Bergfrede“ an den Toren wiederaufgebaut; man interpretiert sie als Holztürme, während noch jüngere „Bergfriede“ in Schleswig als Blockhäuser zur Verstärkung des Walles gedeutet werden. In Drossen (Brandenburg) gab es bis 1477 eine „leimerne“ (mit Lehm verstrichene oder gar aus Lehmziegeln bestehende?) Mauer, die erst damals in Stein erneuert wurde. Weitere Beispiele des 15. Jahrhunderts, in der Regel Sicherung längst bestehender Siedlungen, findet man etwa in Tütz (Schlesien; 1409 Plankenzäune, Wall, Graben) oder in Cadolzburg (Mittelfranken), das 1414 „umbgraben und verplanckt“ und 1450 mit „Schrancken“ versehen, dann aber bald ummauert wurde. Die Wiener Vorstädte erhielten ab 1439 einen Flechtzaun mit steinernen Rondellen (Abb. 18), in Küstrin, das 1397 noch offen auf seiner Insel lag, waren Planken 1446 erst beabsichtigt. Auch in Kindberg (Steiermark) wurden 1479 angesichts der Türkengefahr Zaun und Graben geplant, Bamberg ist noch bei Hartmann Schedel 1493 mit Bretterzäunen dargestellt, die auch hölzerne Streichwehren hatten (Abb. 21); hier waren bischöfliche Mauerverbote ab 1291 der Hintergrund. Für Deutsch Krone in der Neumark sind im 15. Jahrhundert Befestigungen und Burg aus Holz bezeugt, ähnlich in Märkisch Friedland. Im berühmten und umkämpften Geldern sind die Rechnungen für den Ausbau in Holz um 1500 erhalten, und schließlich besaß Rust im Burgenland 1512 noch einen „spöldtenzaun“ (Zaun aus gespaltenen Baumstämmen), dem erst 1614 im Zeichen der Türkengefahr die Mauer folgte.

Dass die um 1220 gegründete „Neustadt“ Hildesheim an der Seite gegen die „Altstadt“ noch 1572 nur Zäune besaß, war sicher ein Zeichen der Schwäche gegenüber diesem Nachbarn, mit dem man im Streit lag; denn an den anderen Seiten gab es durchaus Mauern. Auch sonst behielten manche größeren Städte teilbereichlich immer Holzbefestigungen, aber eher an schlecht angreifbaren Seiten wie etwa zum Fluss (zum Beispiel Elbing, das ab dem späten 13. Jahrhundert ummauert war).

Obwohl Grabungsergebnisse und Erwähnungen in den Quellen nur ein Schlaglicht auf Gesamtumfang und Charakter des Phänomens „Holzbefestigung“ werfen, reichen sie doch, um zwei Prinzipien anschaulich zu machen. Einerseits gab es Holzbefestigungen bis in den Beginn der Neuzeit; sie sind also sicher als „provisorische“ Vorstufe der Mauer zu verstehen, aber derartige Vorstufen überlebten in manchen Orten bis ins Spätmittelalter, was die Unterschiedlichkeit lokaler Verhältnisse entschieden unterstreicht. Andererseits zeigen einige ausdrückliche Erlaubnisse von Landesherren – oder auch Ermunterungen, Holzbefestigungen möglichst bald zu bauen –, dass Holzbefestigungen keineswegs grundsätzlich als schwach empfunden wurden, sondern als durchaus effektive Anlagen. Der Vorteil der Mauer lag, in der Sicht der Zeitgenossen, vielleicht eher in ihrer größeren Haltbarkeit als in einer entscheidend besseren Verteidigungsfähigkeit.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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