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2.2.4. Die Türme

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Obwohl das Wort „Mauer“ vom Mittelalter bis heute als weitaus häufigstes Synonym für die mittelalterliche Stadtbefestigung verwendet wird, war und ist es in Wahrheit nicht die umlaufende, gestalterisch eher reizlose Mauer, die in dieser langen Zeit das Bild der Stadtbefestigungen prägte und im Bewusstsein verankerte. Wer sich eine Stadtmauer vorstellt – und alles spricht dafür, dass dasselbe schon im Mittelalter galt –, der hat vor allem einen Ring von Türmen vor seinem inneren Auge, der die Peripherie der Stadt markiert, rhythmisiert und quasi einen Sockel bildet, über den sich die Türme der Kirchen, des Rathauses und anderer Bauten innerhalb der Stadt nochmals als Einzelakzente erheben (Abb. 51).

Jedoch ist dieses Bild keineswegs so typisch mittelalterlich, wie meist unterstellt wird. Denn die zentrale Bedeutung der Mauertürme für die Verteidigung und ästhetische Wirkung der Städte bildete sich einerseits nicht erst im Mittelalter heraus, sondern es gab sie bereits in der Antike. Zudem zeigt eine nähere Betrachtung der Stadtbefestigungen, dass die Türme auch im Mittelalter nicht so fest zum Bauprogramm der Mauern gehörten, wie man heute unterstellt, weil man sich verständlicherweise vor allem besonders eindrucksvolle, das heißt vor allem turmreiche Stadtmauern vorstellt. Es gab vielmehr zahlreiche turmlose und turmarme Mauern, vor allem in der Frühzeit und bei kleinen Städten. Ist damit eine große Variationsbreite in der Gestaltung der Mauern markiert, so zeigt eine genauere Betrachtung, dass der Variantenreichtum auch bei dem funktional und formal eher schlichten Bautypus der Stadtmauer genauso hoch war, wie wir es im Grunde bei allen mittelalterlichen Bautypen kennen. Die vorindustrielle Epoche war eben eine Zeit handwerklicher Produktion, als das Gestaltungsbedürfnis der Menschen über oft sehr lange Bauzeiten hinweg wirken und immer wieder Abwandlungen der Form schaffen konnte, selbst dann, wenn sich die funktionalen Ansprüche nicht gewandelt hatten. Durch die Häufigkeit der Türme, ihre Verteilung im Mauerverlauf, ihr bauliches Verhältnis zur Mauer und schließlich ihre Form und Detailgestaltung als Einzelbau oder Turmart konnten ganz verschiedene Gesamteindrücke entstehen, sowohl infolge einer einheitlichen Planung als auch im Laufe der Zeit durch Umbau und Ergänzung.

Erweckt diese Einleitung zum Thema der Türme zunächst den Eindruck, diese seien von überwiegend ästhetischer Bedeutung gewesen, so wird dies im folgenden Abschnitt korrigiert, indem zunächst die Funktionen der Türme dargestellt werden. Dabei werden aus eben diesen funktionalen Gründen die Tortürme ausgespart (vgl. 2.2.5.), und ebenso die Türme bzw. besser: Streichwehren der Zwingermauern (vgl. 2.2.8.3.).

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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