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2.2.2.1. Bruchstein und Feldstein

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Verständlicherweise ist Stein als Material dann besonders unaufwendig verfügbar, wenn es vor der Verarbeitung gar nicht oder nur minimal bearbeitet wird. Bei einem Bautypus wie Stadtmauern, der grundsätzlich durch ein sehr großes Bauvolumen und daher sehr hohe Kosten gekennzeichnet ist, herrschte diese Form der Steinbearbeitung bzw. des Mauerwerks deshalb vor; alle anderen Formen des Materials, also die stärker bearbeiteten Natursteinquader und die künstlich hergestellten Backsteine, sind demgegenüber Ausnahmen, die meist nur regional auftreten.

Das im Prinzip billigste Steinmaterial boten die bereits angesprochenen Feldsteine aus den eiszeitlichen Grundmoränen, zumindest dann, wenn die Natur sie schon in einer verarbeitungsfähigen Größe bereitstellte. Neben dem norddeutschen Flachland, wohin die Eiszeit skandinavisches Material verschleppt hatte, findet man derartiges Material („Moränenkiesel“) naturgemäß auch im gesamten Voralpenland, also vor allem in Ober- und Niederbayern, Oberschwaben und in der nördlichen und westlichen Schweiz. Die schon beschriebenen schlechten Bedingungen, die in diesen Regionen für die Besiedlung im Allgemeinen herrschten, führten jedoch dazu, dass Mauern aus Feldstein – oder zumindest mit Teilen aus Feldstein – insgesamt eher selten sind. Findet man im Voralpenland durchaus gelegentlich Mauern, die völlig oder weitgehend aus Moränenkieseln bestehen, so sind diese im weit größeren norddeutschen Flachland – zwischen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und dem Ordensland Preußen – seltene Ausnahmen. Dort gehen nur sehr wenige Mauern oder Einzelbauten wie Tore ins 13. Jahrhundert zurück und sind aus reinem Feldstein, der dann auch oft quaderähnlich bearbeitet worden ist (Abb. 23). Im Normalfall erscheint in Norddeutschland im 14./15. Jahrhundert Feldstein in Kombination mit Backstein, das heißt, er wurde meist nur im Fundament und dem unteren Teil der Mauer verwendet. Hauptgrund dürfte die hier meist beachtliche Größe der Steine sein, die ein Transportproblem schuf und in Verbindung mit ihren rundlichen Formen nur sehr dicke und gestalterisch unbefriedigende Mauern erlaubt hätte.

Weitaus verbreiteter sind Mauern aus Bruchstein, also Mauern, die Bruchstein für die großen Flächen verwenden, Quader oder zumindest größer zugerichtete Stücke allein für die Eckverbände. Sie entfalten in aller Regel keine besondere Aussagekraft, weil sie nicht nur zahlenmäßig der fast überall auftretende Normalfall sind, sondern auch charakteristisch für die Hauptbauzeit der Stadtmauern vom (mittleren) 13. Jahrhundert bis ins (frühe) 16. Jahrhundert. Eben in diesem Zeitraum herrschte diese sparsame und in einer Phase intensiven Bauens daher besonders verbreitete Technik ganz allgemein bei fast allen Bautypen vor, sodass die Stadtmauern sich unspektakulär ins Gesamtbild einordnen. Oft oder sogar meistens dürfte dieses Mauerwerk unter Verputz gelegen haben, was den äußeren Eindruck deutlich anders gestaltete, als er heute meist anzutreffen ist; wie oft dies der Fall war, können allerdings nur aufwendige Einzeluntersuchungen bestimmen. Das rheinische Schiefergebiet ist der einzige Fall, bei dem das Bruchsteinmauerwerk quasi zum künstlerischen Mittel wurde, denn das besonders klein und plattig brechende Gestein musste mit einem Übermaß an Mörtel verarbeitet und oberflächlich verstrichen werden und wurde so nahezu zum plastisch formbaren Material; es begünstigte eine Architektur, die mit Formen etwa von Türmen oder Erkern stärker als sonst bei Stadtmauern üblich experimentierte.

Bruchsteinmauern bieten ungewöhnlich schlechte Möglichkeiten der Datierung und der Feststellung von Bauphasen bzw. Umbauten. Ist der Verputz gut erhalten oder gar erneuert, sind derartige Aussagen völlig unmöglich, aber auch bei freiliegendem Mauerwerk bleibt es schwierig, derartige Feststellungen zu treffen. Die Steinform ist zufällig, eine besonders sorgfältige, zum Beispiel lagerrechte Verarbeitung ist selten angestrebt worden, Mörtel ist nicht absolut, sondern bestenfalls im Vergleich datierbar; und gerade bei geringen Steingrößen konnten Umbauten oft erfolgen, ohne dass man sie sicher erkennen kann.

Dennoch gibt es, wenn auch nur in Ausnahmefällen und Randbereichen, Datierungsmöglichkeiten, selbstverständlich nur im Sinne grober Faustformeln; das sei betont, weil die Aussagekraft von Mauerwerk, gerade vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, oft überschätzt wird. Dazu gehört vor allem die sauber lagerrechte Verarbeitung von geeignetem Material, die von anderen Bautypen wie Burgen und Kirchen als Merkmal romanischen Mauerwerks bekannt ist. So zeigt etwa ein Mauerstück in Wasserburg/Inn, das man auf etwa 1220 datiert, Flusskiesel in sauberen Schichten. Etwas häufiger findet man Fischgrätmauerwerk (opus spicatum), das bei plattig brechendem Material höhere Schichten ermöglicht, aber stets nur bereichsweise auftritt (Abb. 24). Als Beispiele sind zu nennen Speyer (um 1070–1100) – die älteste erhaltene Mauer im deutschen Raum –, Goslar (um 1100–30?), Fulda (um 1150–65), schließlich Dieburg (1212/20 civitas), Wiener Neustadt und andere Mauern des späten 12./frühen 13. Jahrhunderts in Österreich. Auch die Mauern belegen also, dass Fischgrätmauerwerk prinzipiell romanisch ist, dabei aber keineswegs, wie manche Forscher unterstellen, auf wenige Jahrzehnte genau datierbar. Dass schichtenrechtes und Fischgrätmauerwerk bei Stadtmauern seltene Ausnahmen sind, ist natürlich schon darin begründet, dass nur ein kleiner Teil der Mauern noch aus so früher Zeit stammt; dabei ist ferner nicht zu vergessen, dass auch in der Romanik viele Bruchsteinmauern keine besonderen Merkmale aufwiesen. Ein frühes Phänomen, für das es noch keine Vergleiche gibt, ist offenbar die Ausführung des Fundamentes in Trocken- und Lehmmauerwerk, die in Braunschweig festgestellt wurde (Mitte des 12. Jahrhunderts).

Im Spätmittelalter, in dem die schnelle und billige Herstellung von Mauerwerk absolut vorherrschte, gab es zumindest eine Grenzform von Bruchsteinmauerwerk, die sich grob zeitlich einordnen lässt. Zahllose Beispiele findet man etwa im nördlichen Hessen, wo der größte Teil der Mauern zwischen etwa 1350 und 1500 entstand; jedoch ist die Form weit darüber hinaus verbreitet, wenn auch wohl eher mit Schwergewicht im 15. Jahrhundert. Diese Form besteht darin, großen Brocken mit grobem Werkzeug (Zweispitz, Hammer) zumindest einen halbwegs glatten Spiegel zu verschaffen und sie dann unter Verwendung kleiner Steine und Splitter zu einer recht sauberen Fläche zu verarbeiten. Die Brocken zeigen dabei in der Regel Zangenlöcher, also Spuren einer aufwendigen Hebetechnik; sie deuten an, dass es sich letztlich um eine sparsame Abwandlung des großflächigen Quaderwerks handelt, das zur gleichen Zeit auch verwendet wurde (vgl. 2.2.2.2.).


Abb. 24 Wiener Neustadt (Niederösterreich), Opus spicatum an der Stadtmauer aus dem späten 12. Jahrhundert.

Eine letzte grob datierbare Mauerwerksvariante des Spätmittelalters und auch der frühen Neuzeit war extremes Mischmauerwerk, insbesondere unter Verwendung von Backstein oder Backsteinbruchstücken (Abb. 25). Dabei wurden keine geschlossenen Partien angestrebt, oft nicht einmal durchlaufende Schichten, sondern das Material wurde völlig ungeordnet verarbeitet, wie es gerade in die Hand kam; Verputz ist dabei vorauszusetzen. Ein anschauliches Beispiel bietet Zons am Niederrhein (ab 1373), wo der fehlende Naturstein durch praktisch alles ersetzt wurde, was der Fluss heranbringen konnte, vor allem durch Basalt, Tuff und Backstein.


Abb. 25 Zons (Nordrhein-Westfalen), Mischmauerwerk an der Stadtmauer (spätes 14. Jh.). Unten wurden Basalt und Tuff verwendet, vulkanische Materialien, die auf dem Rhein verschifft wurden, oben vor Ort gebrannter Backstein. Die geplanten Wehrgangbögen blieben unausgeführt.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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