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2.2.1.2. Wälle und Gräben

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Gräben vor den Mauern und diesen wiederum vorgelagerte Wälle waren, oft mehrfach hintereinander gestaffelt, eines der definierenden Elemente der Stadtbefestigungen in ihrer Blütezeit (vgl. 2.2.9.). Zugleich sind Wälle und Gräben aber eine der technisch einfachsten Befestigungsformen – von ungelernten Arbeitern fast überall in begrenzter Zeit herstellbar –, die schon nach gesundem Menschenverstand, aber auch nach manchen Befunden und Quellen sicher die erste Umwehrung von Städten darstellten. Beide Tatsachen zusammen bedeuten ein erhebliches Erkenntnisproblem: Es gibt durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Gräben und Wälle bei sehr vielen Städten die ältesten Teile der gesamten Befestigung sind, aber die weitgehende Undatierbarkeit solcher technisch einfachen und zudem häufig veränderten Anlagen lässt in aller Regel keine Aussage mehr zu, ob es wirklich so ist. Ein gutes Beispiel ist der Wall, der früher Bardowiek umgab; eine neuere Arbeit kommt zu den Ergebnis, dass er einerseits erst durch die Abbildung bei Georg Braun/Frans Hogenberg 1585/88 belegt ist (Abb. 15), andererseits aber schon bei einer erfolglosen Belagerung durch Heinrich den Löwen 1189 existiert haben mag.

Man muss also auf Schriftquellen und archäologische Befunde zurückgreifen, um Wälle und Gräben als frühe Befestigungsformen bzw. Vorgänger der späteren Mauern nachzuweisen. Dabei zeigt sich schnell und mit aller Deutlichkeit, dass für die Entwicklung vom Wallgraben zur steinernen Befestigung keine absoluten Zeiträume festgelegt werden können, vielmehr gab es Befestigungen aus Holz- und Erde vom 10./11. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit. Lediglich die relative Abfolge tritt immer wieder hervor: Die Mauer folgt auf den Wallgraben.

Den Beispielen aus Quellen und Grabungen ist außerdem voranzuschicken, dass Gräben und Wälle in der Regel sicherlich von weiteren, meist hölzernen Bauteilen ergänzt wurden, von denen wir leider nur selten Spuren finden. Insbesondere wird man so gut wie immer mit Palisaden oder Zäunen zu rechnen haben, die den Verteidigern Deckung boten. Anlagen ausschließlich aus Erde kann es kaum gegeben haben, weil sie nicht effektiv zu verteidigen waren, sondern nur kombinierte Holz-Erde-Werke; es spiegelt mehr die Forschung als die historische Realität, wenn beide hier in getrennten Kapiteln dargestellt werden. Gelegentlich anzutreffende Versicherungen von Archäologen, es habe auf den Wällen anfangs nichts weiter gegeben, ist vorsichtig zu begegnen; selbst wenn die Wallkrone vollständig erhalten wäre, was nach Jahrhunderten der Erosion grundsätzlich unwahrscheinlich ist, braucht ein Zaun doch nur alle paar Meter einen Pfosten. Außerdem kann die Mauer eine Palisade an gleicher Stelle ersetzt haben, was deren Spuren vernichtet hätte – beide Befunde aber sind archäologisch leicht zu verfehlen.


Abb. 15 Bardowiek (Niedersachsen), der Stich des 16. Jahrhunderts zeigt als erste verfügbare Quelle eine Umwallung, die dennoch bis ins 12. Jahrhundert zu rückgehen könnte (Braun-Hogenberg, Civitates, 1585/88).


Abb. 16 Landsberg (Hessen), eine Planaufnahme der Stadt, die nur 1226–31 existiert hat; die Befestigung bestand in dieser Anfangsphase nur aus einem doppelten Wallgraben (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 7: Landkreis Kassel).

Eine Anschauung von frühen Wall-Graben-Befestigungen geben heute nur noch wenige Städte, die nach kurzer Existenz wieder aufgegeben wurden, sodass sie das Stadium des Mauerbaues gar nicht mehr erreichten. Genannt sei Landsberg in Nordhessen, um 1226 gegründet, aber schon 1231 zerstört, von dem nur die gemauerten Keller der (zweifellos hölzernen) Häuser blieben und eben der Graben zwischen zwei Wällen, mit Erdbrücken an den Torstellen (Abb. 16); vergleichbar sind Rosenthal bei Peine, das 1223 gegründet, nach nur dreißig Jahren zum Dorf herabsank und noch Wallreste besitzt, oder Freyenstein in Brandenburg, von dessen 1287 verlegter, wenig älterer Erstanlage ebenfalls noch Wall- und Grabenreste erkennbar sind. Der Fall von Ulm liegt etwas anders, ist aber ebenfalls anschaulich, weil hier Grabungsergebnisse und Quellen seltenerweise nebeneinanderstehen. Ulm war im 12. Jahrhundert ein wichtiger Stützpunkt der Staufer und man mochte daher lange nicht glauben, dass es noch im 13. Jahrhundert nur „hölzerne Mauern“ (lignea moenia) besessen haben soll, aber archäologisch ist inzwischen erwiesen, dass der älteste Stadtkern über die Stauferzeit hinaus neben einzelnen Tortürmen nur einen Wallgraben besaß (auf dem man eine Palisade als „hölzerne Mauer“ vermuten muss).

Die quellenmäßigen Belege für Wallbefestigungen reichen erwartungsgemäß weit zurück. Köln sicherte 948 die Rheinvorstadt beidseitig mit Wallgräben, 1106 erhielten drei weitere Vorstädte „Wälle und Türme“(!). Konstanz besaß lange nur einen Wall aus „Seekreide“, für den man 1122 Material besorgte. Der Chronist Lambert von Hersfeld erwähnt um 1076, dass das „Bergdorf“, eine Bergarbeitersiedlung als Vorgängerin von Goslar, Wälle und Planken besaß. In Aachen, wo schon 1137 ein fossatum erwähnt ist, entstand ab 1171 eine neue Umwehrung, wohl immer noch ein Wall, der aber vermutlich schon eine Front aus Mauerwerk besaß; weil diese inzwischen mehrfach nachgewiesene Form am Übergang zu echten Mauern steht, wird sie unten gesondert behandelt (vgl. 2.2.3.2).

Um 1170/80 waren auch wichtige Städte noch mit Wällen gesichert. Neben Aachen belegen dies etwa Hildesheim – es besaß 1167 ein vallum, aber „Hagen“ und „Altstadt“ wurden nach Grabungsbefund sicher wenig später ummauert – und vor allem Köln, wo man ab 1154 über eine weiträumige Sicherung der Vorstädte, Klöster und Stifte nachdachte. 1180 erlaubte dann Friedrich I. die Vollendung eines Wallgrabens „von bewundernswerter Breite und Höhe“, wobei aber schon um 1200 eine Mauer erwähnt wird. Weitere Beispiele für Wälle in der Zeit vor und um 1200 sind Schleswig (mit steinernem „Nordertor“) und wohl auch Stade, das um 1168–81 durch Heinrich den Löwen „mächtig“ befestigt wurde, ferner Münster (Mauerbau im späten 13. Jahrhundert). Weiter südlich ist Sangerhausen (1204 vallis et aggeribus bene munitum) zu nennen, ferner Creuzburg in Thüringen (vallum 1213), Lichtenfels (Wall um 1200, Palisade 1231) und Altenstadt (frühes 13. Jahrhundert) in Franken, schließlich Rosheim im Elsass (1218 vallum).

Vom 13. bis 15. Jahrhundert, wo Wallgräben nur noch den notdürftigen Ersatz (oder die Ergänzung) von Mauern darstellten, werden sie in den Schriftquellen dennoch kaum seltener erwähnt, was fraglos mit der wachsenden Dichte der Überlieferung zu tun hat. Sie waren weiterhin manchmal Erstbefestigungen, weit häufiger und bis in die Zeit um 1600 aber Umwehrung kleiner Städte, besonders im Flachland. Im späteren 14. und im 15. Jahrhundert legten auch einige größere norddeutsche Städte wieder Umwallungen als weit gedehnten Schutz ihrer Vorstädte an, für die eine Mauer zu kostspielig gewesen wäre.

Wallgräben als Hauptumwehrung im Spätmittelalter

Im westfälischen und niederrheinischen Gebiet besaßen im 13./14. Jahrhundert offenbar noch viele kleine Städte (Weichbilder, oppida) Wallgräben, erwähnt etwa in Warendorf 1236 (Wall, Graben), Kamen 1263 (Gräben, Planken), Jülich 1278 (Wall, Graben) oder Euskirchen, das bis zum Mauerbau 1355 umwallt war. Ein gutes Beispiel ist Bochum, das 1345 entfestigt, aber bald neu umwallt wurde, 1428 als „Stadt“ angesprochen wurde, aber nie eine Mauer erhielt. Krempe erhielt 1333 die Erlaubnis, Wall, Graben, Palisaden und vier Tore anzulegen, ähnlich Hattingen 1369 (Mauer erst 16. Jahrhundert). Dölken besaß 1387 nur Wall, Graben und Palisaden, Xanten (Stadtrecht 1228) hatte 1389 verfallene Wälle und begann seine Mauern 1444; Waldfeucht wurde 1389 befestigt und hat bis heute nur Wälle. Insgesamt hat man im nördlichen Rheinland zwischen dem frühen 13. und dem späten 14. Jahrhundert vierzehn Holz-Erde-Befestigungen belegen können, die erst zu dieser Zeit entstanden.

Im Süden Deutschlands ist die Stadterweiterung „Freyung“ in Landshut von besonderem Interesse; 1338 gegründet, sollte sie binnen drei Jahren durch einen Graben gesichert werden. In Bayern behielten auch viele Märkte bis ins 16. Jahrhundert Holz-Erde-Umwehrungen, lediglich mit hölzernen oder steinernen Toren. Im übrigen Süddeutschland gibt es einzelne Nachrichten über Holz-Erde-Befestigungen bis ins 15./16. Jahrhundert. Weißenhorn besaß bis 1470/80 Wall, Graben und Zaun, dann wurden zunächst die Tore in Stein ersetzt, die Mauer folgte ab 1504. Wallerstein behielt immer Wall, Graben und Tore, trotz des Ummauerungsrechtes von 1471. Künzelsau schließlich hatte 1495 Wall und Graben und 1525–52 sind Tore belegt – die Mauer folgte erst 1767–86!

Einen weitgedehnten, großenteils erhaltenen Erdwall um seine Vorstädte legte Göttingen ab 1362 an; auf ihm wurde ein Geschützrohr der Zeit um 1400 gefunden. Er wurde um 1447–54 ausgebaut, wohl mit Stützmauern, Rondellen und Torzwingern, ein weiteres Mal 1533–77, vermutlich mit Streichwehren. In Erfurt entstand ein ähnlicher Wall ab 1375, in Hildesheim als Zusammenschluss der drei bisher getrennten Städte um 1400, schließlich in Duderstadt, noch wohl erhalten, ab 1498. In Göttingen und Duderstadt zeigen diese Wälle zumindest in ihren Ausbaustufen schon deutlich die Prägung durch Artillerie und einige norddeutsche Umwallungen des 16. Jahrhunderts verdeutlichen noch entschiedener, wie die mittelalterliche Tradition der Erdbefestigungen hier nahtlos in die Rondell- und Bastionärbefestigungen der frühen Neuzeit überging (Krempe 1533–1607, Rendsburg 1536–1694, Wildeshausen ab 1544, Jever 1553–57, Otterndorf um 1580, Winsen, Vechta, Cloppenburg).

Die archäologischen Belege für Wallgräben als Vorgänger von Mauern, die in den letzten Jahrzehnten gleichfalls nicht mehr selten sind, bestätigen weit stärker als die Quellen, dass der Höhepunkt dieser Befestigungsform früh anzusetzen ist, vom 10. bis zum 12. Jahrhundert. Warum die Grabungen nur selten jüngere Wälle erfasst haben, ist nicht ganz klar; möglicherweise wurde das Interesse der Archäologen manchmal von ihrem historischen Vorwissen gelenkt.


Abb. 17 Duderstadt (Niedersachsen), archäologische Forschungen klärten die Abfolge von Umwallung und Mauer. Die Mauer entstand hinter dem abgeflachten Wall, aber in anderen Fällen wurde die Mauer auch auf den Wall oder vor ihn gesetzt (vgl. Abb. 20; Konze/Röwer-Döhl, Göttinger Jahrbuch, 1994).

Wallgräben als ergrabene Vorgänger von Mauern

Der schon angesprochene Wall von Haithabu, vor 968 angelegt und in Funktion bis Mitte des 11. Jahrhunderts, ist der älteste bisher archäologisch nachgewiesene, aber ein Wallgraben noch des 10. Jahrhunderts ist auch in Duisburg ergraben, ein Graben des 10./11. Jahrhunderts wird in Halle vermutet (wo noch 1182 ein vallum civitatis mit einem steinernen Tor erwähnt wird). Der mehrphasige Wall des späten 11. Jahrhunderts in Schaffhausen war 10 m breit, aber nur 2,5 m hoch(?). Braunschweig erhielt wohl um 1100 einen Wallgraben (auf den Mitte des 12. Jahrhunderts ein Fundament in Trockenmauer-/Lehmtechnik gesetzt wurde, dann eine Mörtelmauer mit Dendrodatum 1177 +/–2). In Würzburg ergrub man als erste Befestigung (um 1000 oder eher 11. Jahrhundert?) einen Wallgraben; auf die Verfüllung eines der Gräben wurde dann eine Mauer gesetzt, noch vor einer Stadterweiterung 1195/99. Ein Wall des 11./12. Jahrhunderts ist schließlich in Echternach ergraben.

Aus dem 12. Jahrhundert gibt es weit mehr Befunde. In Lüneburg fand man zuunterst einen Wall samt Palisade(!) und Wassergraben, darauf folgte ein dreifacher Wall, beides vor 1147; noch 1254 sind plancae civitatis erwähnt. In Zürich wird ein Wall mit aufgesetzter dünner Mauer spätestens ins mittlere 12. Jahrhundert datiert, in Marburg sicherte wohl zu dieser Zeit ein Graben den ältesten Stadtkern. Halberstadt, wo die Domburg ab dem 8. Jahrhundert Gräben besaß, sicherte sich wohl ebenfalls ab der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Wallgräben, die nach der Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1179 erneuert und dann durch eine 1199 erwähnte Mauer bekrönt wurde; ein Wall ist unter ihr noch sichtbar. Weitere Umwallungen noch des 12. Jahrhunderts sind um die ältere Talstadt von Rottweil, um den Stadtkern von Winterthur und um jenen von Weißenburg in Franken nachgewiesen.

In Niedersachsen mit seiner aktiven Archäologie sind Wallgräben des 12. Jahrhunderts um vier Städte nachgewiesen. Göttingen hatte eine fünfeckige Umwallung der Jahrhundertmitte, mit Holzversteifung, die im Süden schon um 1180 wieder eingeebnet wurde. Der Markt Einbeck besaß Mitte des 12. Jahrhunderts schon einen 15 m breiten Graben, Hannover einen Wallgraben und ebenso die schon im 14. Jahrhundert aufgelassene Stadt Nienover. Ein Wallgrabensystem, auf das schon 1198 die Mauer gefolgt war, ist schließlich in Querfurt ergraben; und sowohl in der „Altstadt“ als auch in der „Neustadt“ von Brandenburg sind Wall und Graben unter den Mauern des 13. Jahrhunderts und später nachgewiesen.

Die wenigen archäologischen Befunde aus dem 13. Jahrhundert und später entsprechen im Grundsatz jenen des 11./12. Jahrhunderts. Hilpoltstein in Franken erhielt vor 1230(?) eine erste Umwallung, unter dem „Antoniterhaus“ in Memmingen wurde ein Wall der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ergraben, auf den dann, auch noch vor 1250, eine Mauer aus Tuffsteinbrocken gesetzt wurde. Wall und Graben von Duderstadt, das 1247 zuerst belegbar ist, sind vielfach erfasst (Abb. 17), wobei die Mauer schon um 1276/79 existierte. In Kolberg war 1289 zumindest eine Vorstadt von einem Erdwall umgeben. Die erste Sicherung des 1292 gegründeten Celle bestand gleichfalls in einem Wall, und Potsdam erhielt, als einziges wirklich spätes Beispiel, das ergraben ist, um 1520 einen Wall, der aus Schlamm(!) „aufgeschüttet“ wurde.

Zum Thema „Wall als Vorgänger der Mauer“ gehört schließlich, jenseits wissenschaftlicher Untersuchung, eine Beobachtung, die man beachtlich oft macht. Viele Stadtmauern, besonders im norddeutschen Flachland, aber durchaus darüber hinaus, stehen nämlich zumindest teilbereichlich auf Wällen, die von kaum merklicher bis zu 3 m Höhe reichen. Dieses eher unauffällige Phänomen, das zweifellos auch oft durch Straßenbau verändert bzw. eingeebnet ist, wurde in der Literatur selten angesprochen und ist daher bis heute fast völlig undiskutiert. Die wohl einzig sinnvolle Erklärung für solche Befunde besteht darin, dass der Wall nichts anderes als die der Mauer vorausgehende Befestigung ist, die man beim Mauerbau unter anderem deswegen weiterbenutzte, weil sie einen zusätzlichen Überhöhungseffekt sicherte. Als anschauliche Beispiele aus verschiedenen Regionen, die leicht vermehrbar wären, seien etwa genannt: Korbach, Werl, Gandersheim, Halberstadt, Frankenhausen und etliche brandenburgische Mauern.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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