Читать книгу Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum - Thomas Biller - Страница 31
ОглавлениеBuckelquader kennen wir aus dem deutschen Burgenbau etwa seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, mit einer ausgesprochenen Blütezeit bis Mitte oder Ende des 13. Jahrhunderts und weiteren Vorkommen bis ins Spätmittelalter. Unbestritten ist, dass Buckelquader an Burgen – nach Anfängen, in denen sie wohl Sparform echter Quader waren – schnell eine ornamentale Form wurden, mit der nicht nur fortifikatorische, sondern auch herrschaftliche, das heißt adlige Macht symbolisiert werden sollte; die zeitweise propagierte, aber unbeweisbare Unterstellung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Buckelquader seien ein Symbol allein der staufischen Dynastie gewesen, ist seit Längerem auf dem Rückzug.
Technisch gesehen sind Buckelquader entweder echte Quader, bei denen der Spiegel (die sichtbare Seite) nicht glatt gearbeitet wurde, oder es sind grob zugeschlagene Stücke, bei denen zumindest der Spiegel rechteckige Kanten erhalten hat, sodass beim lotrechten Vermauern der Eindruck echten Quaderwerks entsteht. In beiden Fällen liegt der Arbeitsaufwand deutlich höher als bei hammerrechten Quadern, wenn auch die letztere Form einen Teil des Aufwandes, das exakte Ausrichten, auf die Maurer übertrug. Dass man daher ganze Stadtmauern oder zumindest längere Teile davon aus Buckelquadern errichtet hätte, so wie man es von zahlreichen Burgen des süddeutschen Raumes kennt, ist angesichts des enormen Unterschieds im Bauvolumen eigentlich schlecht vorstellbar, aber es gibt durchaus solche Fälle. Aus schon erklärten Gründen liegen sie alle in Kalkstein- und Sandsteinregionen.
Abb. 27 Luzern (Schweiz), der Nölliturm von „1513“, ist ein Beispiel für qualitätvolles Großquaderwerk aus der Spätzeit der mittelalterlichen Stadtbefestigung, mit Spiegelquadern am Sockel.
Interessanterweise ist offenbar kaum eine dieser Buckelquaderstadtmauern noch zur „Stauferzeit“ entstanden; eine Ausnahme ist offenbar (Schwäbisch) Gmünd, wo die Reste der inneren Mauer derzeit noch vor 1250 datiert werden. Aber selbst die betreffenden Mauerteile in Esslingen, einer wichtigen Reichsstadt nahe dem Hohenstaufen, dürften erst nach dem Tod Friedrichs II. erbaut worden sein, ab den 1260er Jahren. Schorndorf erhielt seine Buckelquadermauer sicher erst kurz vor deren Ersterwähnung 1299 und in Weinsberg und Öhringen gibt es zwar erhaltene Buckelquaderteile, aber keine guten Datierungen; auch sie dürften noch ins 13. Jahrhundert gehören. Weiter östlich sind im Kalksteingebiet Dillingen und Oettingen zu nennen. In Dillingen möchte man annehmen, dass die Mauer direkt nach der 1220 ersterwähnten Burg entstand; der Ort ist 1258 „oppidum“, ein Tor zeigt noch romanische Formen. Damit wäre Dillingen neben (Schwäbisch) Gmünd die älteste Buckelquadermauer, die wir bisher kennen, eine gräfliche Anlage aus der späten Stauferzeit. Die Mauer von Oettingen mit beidseitigen Buckelquadern wird 1293/94 zuerst genannt und dürfte nicht viel älter sein (Abb. 28).
Die größte und besonders geschlossene Gruppe von Buckelquadermauern findet man im Sandsteingebiet Frankens, allerdings erst im 14./15. Jahrhundert. Vorläufer war hier Dinkelsbühl, wo der untere Teil des „Wörnitztores“ und ein Mauerteil mit beidseitigen Buckelquadern noch aus dem späten 13. Jahrhundert stammen. Die Ummauerung der „Lorenzerstadt“ von Nürnberg dürfte wohl ab 1305 entstanden sein – die Quellenlage ist umstritten – und zeigt Buckel- und Glattquader gemischt. Dass die Mauer von Weismain und Mauerteile in Kulmbach noch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückgehen, wird vermutet. Den Höhepunkt der fränkischen Buckelquadermauern bildet jedenfalls die äußere Mauer von Nürnberg, die 1346–1407 entstand (Abb. 29); trotz ihres Umfanges und des Turmreichtums wurde sie so gut wie vollständig aus Buckelquadern aufgeführt; offenbar erst gegen Ende ging man zu Bruchstein und Backstein über. Nürnberg fand in vielen kleineren Städten Frankens bis ins 15. Jahrhundert hinein eine reiche Nachfolge, vor allem in der Nähe Nürnbergs, aber auch bis etwa Bayreuth. Als besonders späte Beispiele seien Cadolzburg genannt (nach 1450) und Neunkirchen/Brand, wo die zwei Ortsteile 1479 und gar erst 1502/03 in Buckelquadern ummauert wurden.
Fasst man zunächst den Erkenntnisstand zusammen, der sich aus der Betrachtung vollständiger Buckelquadermauern ergibt, so zeigt sich, dass Buckelquader an Stadtmauern erst in jener Zeit in Mode kamen, als sie bei Burgen schon im Niedergang waren, das heißt ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, aber – vor allem im Sandsteinland Franken – schwergewichtig erst im 14./15. Jahrhundert. Dies erinnert an Frankreich, wo Buckelquader gleichfalls erst im späteren 13. Jahrhundert aufkamen, dort an Stadtmauern und an Burgen. Das Phänomen ist schwer zu erklären, jedoch wird man zwanglos erwägen dürfen, dass der Rückgang im Burgenbau in Deutschland, der spätestens Ende des 13. Jahrhunderts einsetzte, Steinmetzen freisetzte, die die vertraute Formensprache zumindest gelegentlich auf die zahllos entstehenden Stadtmauern übertrugen.
Häufiger als ganze Stadtmauern wurden einzelne Bauteile der Mauer mit Buckelquadern verkleidet, und zwar fast immer Tor- und andere Türme; Bachdurchlässe sind das einzige weitere Beispiel (Weißenburg/Elsass vor 1260, Basel um 1300). Die Beschränkung der aufwendigen, aber auch repräsentativen Technik auf die ohnehin hervorstechendsten Teile der Mauer liegt auf der Hand. Die Anfänge liegen auch hier im deutschen Südwesten, wo der Buckelquader in staufischer Zeit den Burgenbau prägte. Das Martinstor im zähringischen Freiburg (Abb. 96), der Mauer sekundär eingefügt, ist mit seiner Dendrodatierung ins Jahr 1200/01 nicht nur der älteste sicher datierte Torturm Deutschlands, sondern auch der erste in Buckelquadern. Auch in Rottweil wurden Türme aus Buckelquadern um 1220–40 einer Bruchsteinmauer hinzugefügt und im nahen Villingen sind zwei Tortürme auf 1232/33 und 1267 +/–10 dendrodatiert. In Franken sind der anfangs niedrigere Torturm des „Weißen Turmes“ in Rothenburg (Abb. 371) und in Nürnberg der Torturm des „Laufer Schlagturmes“ sowie der „Wasserturm“ sicher noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu setzen. Esslingen mit dem 1268 zuerst erwähnten „Wolfstor“, das kissenförmige Buckelquader aufweist (Abb. 30), und den deutlich jüngeren, aber formal angelehnten Türmen des „Schelztores“ (um 1286–1300) und des „Pliensautores“ (1297 erweitert) schließt die südwestdeutsche Gruppe ab. Als Südausläufer darf man noch Basel nennen, mit dem erwähnten Bauwerk am Birsigeinlauf (erst um 1300), ferner Solothurn, wo das „Bieltor“ und einige Halbrundschalen Buckelquader zeigen, das „Wynigentor“ in Burgdorf (1276d) und früh, aber auf den Sockel begrenzt den Berner „Zytgloggen“ (um 1220/30).
Abb. 28 Oettingen (Bayerisch Schwaben), Buckelquaderwerk aus Kalkstein an der östlichen Stadtmauer, Feldseite (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts).
Danach setzen Buckelquadertürme erst wieder gegen Mitte des 14. Jahrhunderts ein. In Franken gehört die äußere Mauer von Rothenburg (um 1330/40–1400) mit ihren Tortürmen und dem „Faulturm“ (Abb. 53) zu den eindrucksvollsten Beispielen. Danach bleibt Franken, das ja vor allem mit der äußeren Mauer von Nürnberg und ihrer Nachfolge das Herzland des Buckelquaders im 14./15. Jahrhundert bildet, auch mit zahlreichen weiteren Türmen ein Buckelquaderland. Zu nennen sind Tortürme etwa in Altdorf, Forchheim, Höchstadt, Wolframs-Eschenbach und Münnerstadt, Türme neben dem Tor in Lichtenfels, Herzogenaurach oder Gunzenhausen; ein früherer Torturm in Neustadt/Kulm (Oberpfalz) kann als Ausläufer gelten, der Heilbronner „Götzenturm“ (Württembergisch Franken) ist das wohl einzige inschriftlich datierte Beispiel (von „1392“; Abb. 391). Außerhalb Frankens sind etwa das „Koblenzer Tor“ in Andernach, mit Feldseite in Basaltbuckelquadern (vor 1350), der bemerkenswerte „Romäusturm“ von Villingen (1390/91d, erhöht 1429/39; Abb. 334), schließlich in der Nordschweiz Türme in Zofingen („Pulverturm“, 1361/63) und Laufenburg („Schwertlinsturm“) zu nennen.
Abb. 29 Nürnberg, Buckelquaderwerk aus Sandstein an einer Streichwehr des Zwingers (um/nach 1400).
Dass Buckelquader bis ins 15./16. Jahrhundert weiter verwendet werden und irgendwann eher unauffällig in eine italienisch geprägte Rustika übergehen, zeigt vor allem eine kleine Gruppe im Bereich von Hochrhein und Bodensee, zu der neben öffentlichen und Patrizierbauten vor allem drei Stadttore gehören. Das baukörperlich reiche Baseler „Spalentor“ (vor 1398; Abb. 128) zeigte als ältestes Beispiel eine auf Einzelbereiche beschränkte, kissenförmige Rustika, während das Überlinger „Franziskanertor“ (1494; Abb. 346) und das wegen einzelner Renaissanceformen wohl noch jüngere Konstanzer „Schnetztor“ (Abb. 31) als Beispiele frühen toskanischen Einflusses verstanden werden. Auch verstreute Beispiele aus anderen Regionen können das Weiterleben der Form im 15./16. Jahrhundert belegen, etwa Schwäbisch Gmünd („Fünfknopfturm“, Dachwerk 1423/24d), das Vortor des „Einersheimer Tores“ in Iphofen (Franken), das Rondell „Dicker Turm“ in Bergzabern (Pfalz, um 1500?), ein Ecktürmchen des Aschaffenburger „Herstalltores“ von „1545“ und schließlich die mächtigen Tore und Rondelle von Solothurn mit ihrer großen Spiegelrustika (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts; Abb. 234, 314). Auch der allein erhaltene Sockel des „Inntores“ in Innsbruck ist vielleicht dazuzurechnen.
Der weitaus häufigste Fall von Buckelquadern an Stadtmauern ist jedoch die Beschränkung auf kleinere Bereiche einzelner Bauteile, eine Aussage, die für andere mittelalterliche Profanbauten ähnlich gemacht werden könnte, etwa für Burgen, Bürgerhäuser und andere städtische Bauten. Allgegenwärtig sind insbesondere Buckelquader an Ecken, wenn auch weniger häufig als Glattquader an gleicher Stelle, gelegentlich gibt es Sockel aus Buckelquadern (zum Beispiel Straßburg, an Mauerteilen des frühen 13.–15. Jahrhunderts); alle anderen Formen sind selten, etwa Strebepfeiler aus Buckelquadern (Worms, frühes 13. Jahrhundert, aber auch Überlingen, „Aufkirchertor“, nach 1450; Abb. 348), Gewände von Öffnungen oder auch einzelne Buckelquader in sonst glatten Flächen (Bautzen, „Lauenturm“, um 1400). Dabei liegt das Schwergewicht der Eckbuckelquader wiederum deutlich in den Gebieten mit gutem Naturstein, also vor allem mit Sand- und Kalkstein. Es seien nur einige besonders frühe und besonders späte Beispiele genannt, zwischen denen zahllose andere, häufig nur ungenau datierte Bauten angeführt werden könnten. Frühe Eckbuckelquader findet man an der schon 1196 im Bau befindlichen Mauer von Worms, aber auch etwa in Wien, Wiener Neustadt und an anderen österreichischen Mauern der Zeit um 1200. Am anderen Ende der Skala rangieren Bauten am Oberrhein und Alpenrand, aus der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, etwa an Tortürmen in Diessenhofen, Laufenburg, Stein am Rhein und am „Churer Tor“ in Feldkirch (wohl von 1591).