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c) Behördlich oder gerichtlich festgestellte Tatsachen
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Entscheidungserhebliche Tatsachen sind nicht aufklärungsbedürftig, wenn sie durch rechtswirksame Verwaltungsakte oder gerichtliche Entscheidungen mit bindender Wirkung festgestellt worden sind.[258] Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
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Tatbestandswirkung im engeren Sinne. Sie bedeutet, dass nach materiellem Recht die Existenz eines wirksamen Verwaltungsakts oder eines Urteils Voraussetzung für den Eintritt von Rechtsfolgen ist.[259]
Beispiel:
Die Entscheidung des zuständigen Bundesamtes über den Asylantrag ist nach § 6 AsylG – mit Ausnahme des Auslieferungsverfahrens sowie des Verfahrens nach § 58a AufenthG – verbindlich in allen Angelegenheiten, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG rechtserheblich ist. Vom Wahlrecht ist ausgeschlossen, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt (§ 13 Nr. 1 BWG).
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Tatbestandswirkung im weiteren Sinne. Sie bedeutet, dass die Verwaltungsbehörde an den Inhalt eines wirksamen Verwaltungsakts, d.h. die dort getroffene Regelung oder Feststellung, gebunden ist.[260] Der Inhalt dieses Bescheides muss der neuen behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden; ein nochmaliges Prüfungsrecht besteht nicht.
Beispiel:
Andere Behörden sind an den Inhalt einer Baugenehmigung gebunden, wenn sie im Rahmen ihrer Sachentscheidungskompetenz mit dem genehmigten Bauvorhaben befasst sind. Bedeutung hat dies etwa für die Frage, ob eine Gaststättenerlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zu versagen ist, weil der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG befürchten lässt. Die Baugenehmigung hat neben der Baufreigabe die umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens einschließlich der ihm zugedachten Nutzung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Inhalt, soweit sie für die baurechtliche Prüfung einschlägig sind. Ist eine Gaststätte baurechtlich genehmigt, darf die Gaststättenerlaubnis folglich nicht mit der Begründung versagt werden, der Gewerbebetrieb sei nach Überzeugung der Gaststättenbehörde bauplanungsrechtlich unzulässig und widerspreche damit im Hinblick auf seine örtliche Lage dem öffentlichen Interesse nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG.[261] Ferner wird durch die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte nicht nur deren Vereinbarkeit mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bindend festgestellt, sondern zugleich bindend entschieden, dass sich die von der bestimmungsgemäßen Nutzung der Gaststätte typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG halten.[262] Hingegen sagt die Baugenehmigung nichts darüber aus, ob der Gaststättenbetrieb wegen atypischer Eigentümlichkeiten, die mit der Person des Betreibers und seiner besonderen Betriebsweise zusammenhängen, erhebliche Belästigungen i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG befürchten lässt.[263]
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Feststellungswirkung liegt vor, wenn rechtliche Beurteilungen oder tatsächliche Feststellungen in einem Verwaltungsakt oder in einem gerichtlichen Urteil Bindungswirkung haben.[264] Eine derart weitreichende Bindungswirkung besteht nur, wenn dies gesetzlich bestimmt ist.
Beispiel:
§ 15 Abs. 5 BVFG (a.F.) für Vertriebenenausweise; die in einem solchen Ausweis getroffene Feststellung, dass der Betroffene deutscher Volkszugehörigkeit ist, ist auch für die Staatsangehörigkeitsbehörden verbindlich.[265] Gerichtsentscheidungen äußern diese Folgen in den Fällen der §§ 57 Abs. 1 BDG, 3 Abs. 4 StVG und 35 Abs. 3 GewO.