Читать книгу Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess - Thomas Elwell Jacob - Страница 110
b) Umfang der Ermittlungen
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Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 VwVfG bestimmt die Behörde ferner den Umfang der Ermittlungen. Mit Umfang ist die Intensität der Ermittlungstätigkeit gemeint. Diese hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Regelmäßig scheidet ein jahrelanger Ermittlungsaufwand ebenso aus wie ein vollständiger Ermittlungsverzicht; letzteres kann lediglich bei Fällen der Gefahr im Verzug ausnahmsweise in Betracht kommen[275]. Wie § 24 Abs. 2 VwVfG verdeutlicht, wonach alle für die Entscheidung bedeutsamen Umstände berücksichtigt werden müssen, besteht in diesem Punkt kein Ermessen.[276] Die Behörde muss vielmehr ermitteln, solange sie Zweifel an der Existenz entscheidungserheblicher Tatsachen hat. Sie muss dabei alle vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen, die geeignet erscheinen, die für die Entscheidung notwendige Überzeugung zu gewinnen.[277] Das bedeutet, dass grundsätzlich so vollständig wie möglich ermittelt werden muss und jeder zur Sachverhaltsermittlung notwendige sachliche, persönliche und zeitliche Aufwand eingesetzt werden muss.[278] Allerdings muss die Behörde Umständen, die sich bei vernünftiger Überlegung nicht aufdrängen, nicht weiter nachgehen.[279] So besteht für die Ausländerbehörde kein Anlass, in Richtung auf denkbare Umstände, die allein den Lebensbereich des Ausländers betreffen, auf die er im Verwaltungsverfahren allerdings nicht hingewiesen hat, zu ermitteln.[280] Die Behörde darf ihre Ermittlungspflicht nicht mit der Erwägung vernachlässigen, weitere Aufklärungsmaßnahmen könnten im Widerspruchsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Damit würde sie die Zielsetzung des Amtsermittlungsgrundsatzes, die materielle Wahrheit zu erforschen, verkennen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Erlass gebundener Verwaltungsakte, sondern insbesondere auch für Ermessensentscheidungen. Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung i.S.v. § 40 VwVfG ist nämlich nur möglich, wenn zuvor alle entscheidungsbedeutsamen Tatsachen sorgfältig ermittelt worden sind.[281]
Beispiel:
Geht beim Ordnungsamt eine Anzeige ein, wonach ein Hundehalter seinen Hund frei herumlaufen lasse, welcher schon mehrfach Menschen angefallen habe, so kann eine Untersuchung des Sachverhalts nicht mit der Begründung abgelehnt werden, § 14 Abs. 1 OBG NRW bzw. die spezialgesetzlichen Regelungen der Landeshundegesetze räume der Ordnungsbehörde Entschließungsermessen ein und dieses werde dahin ausgeübt, ordnungsbehördlich nicht einzuschreiten. Die Amtsermittlungspflicht fordert auch in einer derartigen Fallkonstellation, dass die Behörde die entscheidungsrelevanten Fakten ermittelt und dann entscheidet, ob – und wenn ja wie – sie einschreitet.