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a) Der entscheidungserhebliche Sachverhalt

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Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist die Behörde verpflichtet, den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt zu ermitteln.

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Sachverhalt. Unter den Begriff des Sachverhalts fallen dabei nur Tatsachen, nicht hingegen die Bewertung von Tatsachen oder rechtliche Schlussfolgerungen.[239]

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Entscheidungserheblichkeit. Die den Sachverhalt ergebenden Tatsachen sind nur dann für die Entscheidung erheblich, wenn es auf sie nach der rechtlichen Einschätzung der entscheidenden Behörde ankommt.[240] Bei ihren Ermittlungen muss die Behörde demnach stets die einschlägigen materiellrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Normen mit ihren einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen im Blick haben, welche erfüllt sein müssen, damit eine Verwaltungsentscheidung erlassen werden kann.

Beispiele:

Für die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO reicht es aus, wenn dessen anhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit feststeht;[241] es bedarf dann nicht mehr der Klärung, ob dieser darüber hinaus strafrechtliche Verfehlungen in seinem Betrieb geduldet hat. Überflüssig sind auch Ermittlungen zum Versagungstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG, wenn die Gaststättenerlaubnis schon im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG nicht erteilt werden darf.

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Tatsachenbegriff. Tatsachen sind kurz gefasst äußere oder innere Vorgänge, die der Nachprüfung durch Dritte offen stehen.[242] Unterschieden werden müssen danach äußere und innere Tatsachen.

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Äußere Tatsachen. Äußere Tatsachen sind für Dritte erkennbar und damit verhältnismäßig einfach von der Behörde aufzuklären. Beispiele sind etwa die Einsturzgefahr eines Hauses, das Überschreiten der festgesetzten Sperrzeit durch den Inhaber einer Gaststättenerlaubnis oder das vorschriftswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs.

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Innere Tatsachen. Hingegen handelt es sich bei inneren Tatsachen um Vorgänge des Seelenlebens wie etwa Kenntnisse, Überlegungen oder Willensrichtungen eines Betroffenen. Diese lassen sich in der Regel nicht unmittelbar feststellen. Zurückgegriffen werden muss insofern auf Hilfstatsachen (Indizien), welche der unmittelbaren behördlichen Aufklärung zugänglich sind. Die festgestellten Indizien ermöglichen dann den Schluss auf das Vorhandensein der inneren Tatsache.[243]

Beispiel:

Ein Gastwirt ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG u.a. dann unzuverlässig, wenn er in seinem Betrieb strafbare Handlungen anderer Personen duldet, worunter zu verstehen ist, dass er notwendige Maßnahmen gegen solche Handlungen unterlässt. Das Unterlassen derartiger Maßnahmen (etwa Ausspruch von Lokalverboten, intensive Zusammenarbeit mit der Polizei, Umgestaltung der Betriebsräume) kann dem Gastwirt allerdings nur zugerechnet werden, wenn er von den strafbaren Handlungen Kenntnis hat oder bei Beachtung der ihm obliegenden Aufsichtspflicht hätte haben müssen.[244] Bei der danach für die Beurteilung der Zuverlässigkeit in erster Linie erforderlichen Kenntnis des Konzessionsinhabers handelt es sich um eine innere Tatsache, für deren Feststellung Indizien (etwa Aussagen von Angestellten oder Gästen) eine ganz wesentliche Rolle spielen.

Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess

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