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bb) Materiell-rechtliche Bindungen

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Die Planfeststellungsbehörde stellt den Plan unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens fest (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 VwVfG). Wenngleich ihr dabei ein weiter planerischer Gestaltungsspielraum zukommt, unterliegt sie zugleich materiell-rechtlichen Bindungen,[166] deren Einhaltung gerichtlich nur begrenzt überprüft werden kann.[167] Im Einzelnen:

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Planrechtfertigung. Die Planrechtfertigung ist nicht Bestandteil der fachplanerischen Abwägung, sondern die vorgeschaltete eigenständige, rechtsstaatlich notwendige Legitimation der planerischen Einwirkung auf die Rechte Dritter.[168] Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist sie „ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist. Das Erfordernis ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist“.[169] Hier kann sich z.B. die Frage des Bedarfs für ein Verkehrsprojekt und damit nach der – gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren – Fehlerfreiheit der der Projektplanung zugrunde liegenden Verkehrsprognose[170] stellen oder es kann die Realisierbarkeit des Vorhabens[171] zu prüfen sein. Dabei ist die Planrechtfertigung „eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit“[172]. Eine vom Gesetzgeber getroffene Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellungsbehörde und für das Verwaltungsgericht verbindlich (vgl. nur § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG), es sei denn, dass „die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, […] es also für das Vorhaben offenkundig keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte“.[173] Eine solche gesetzliche Bedarfsfeststellung besteht z.B. hinsichtlich derjenigen Projekte, die im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten sind (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG i.V.m. § 1 Abs. 1 FStrG).[174]

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Zwingendes Recht. Hierunter sind solche Vorschriften zu verstehen, die strikte Beachtung verlangen, damit dem planerischen Gestaltungsspielraum entzogen sind und deren Vorgaben infolge dessen nicht durch eine Abwägung der widerstreitenden Belange überwunden werden können.[175] Hierzu gehört z.B. der Artenschutz gem. § 44 BNatSchG.[176]

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Abwägungsgebot. Das Abwägungsgebot (vgl. § 75 Abs. 1a VwVfG) ist die wichtigste Bindung und das eigentliche materiell-rechtliche Wesensmerkmal der Planfeststellung.[177] Die sich hieraus ergebenden Anforderungen hat das Bundesverwaltungsgericht für die Bauleitplanung entwickelt[178] und anschließend auf alle hoheitlichen Planungen übertragen.[179] Das Abwägungsgebot ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit eine aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) fließende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung.[180]

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Die Anforderungen an eine fehlerfreie Abwägung sind vielschichtig. Das Abwägungsgebot verlangt allgemein, „daß – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und daß – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht“[181]. Im Besonderen folgen hieraus insbesondere[182] das Gebot der Konfliktbewältigung, wonach alle durch die Planung ausgelösten Konflikte in der Planungsentscheidung aufgegriffen und gelöst werden müssen,[183] und die Pflicht zur Variantenprüfung, d.h. zur Berücksichtigung aller ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen,[184] oder die Pflicht zur Gewährleistung eines angemessenen Immissionsschutzes[185]. Außerdem muss die Planfeststellungsbehörde die Erforderlichkeit der Anordnung von Schutzvorkehrungen i.S.d. § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG in die Abwägung einbeziehen.[186]

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