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cc) Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses
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Der Planfeststellungsbeschluss enthält die Feststellung des Plans (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über diejenigen Einwendungen, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG).
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Schutzmaßnahmen. Zum Schutz des Wohls der Allgemeinheit und zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer sieht § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG ein abgestuftes Regelungskonzept vor. In erster Linie muss die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss dem Vorhabenträger im Rahmen des Erforderlichen Vorkehrungen oder die Einrichtung und Unterhaltung von Anlagen auferlegen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG).[187] Das Wohl der Allgemeinheit umfasst dabei alle schützenswerten öffentlichen Interessen, wie z.B. den Schutz des Grundwassers.[188] Eine nachteilige Wirkung auf Rechte anderer i.S.d. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG liegt bei jeder unzumutbaren, belastenden Einwirkung auf subjektive Rechte vor.[189] Der unbestimmte Rechtsbegriff der „nachteiligen Wirkung“ verlangt eine Prognose unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls am Maßstab des einschlägigen Fachrechts.[190] Etwaige Vorbelastungen sind in die Zumutbarkeitsprüfung einzustellen.[191]
Beispiel:
Im Bürogebäude eines Betroffenen wurde eine elektromagnetische Vorbelastung festgestellt. Die von der planfestgestellten Eisenbahntrasse ausgehenden elektromagnetischen Störungen überstiegen die festgestellte tatsächliche Vorbelastung nicht. Mangels Unzumutbarkeit der vom planfestgestellten Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen bestand kein Anspruch auf Schutzmaßnahmen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG.[192]
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Überschreitet die Einwirkung nicht die von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vorausgesetzte Schwelle zur Unzumutbarkeit, hat der Betroffene zwar keinen Anspruch auf Schutzmaßnahmen nach dieser Vorschrift, aber gleichwohl einen Anspruch darauf, dass seine unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle betroffenen Belange fehlerfrei in die allgemeine Abwägung eingestellt werden.[193]
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Entschädigung. Subsidiär zum Schutzanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat der Betroffene einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn Maßnahmen i.S.d. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG).[194] Hierbei handelt es sich um ein Surrogat für Schutzmaßnahmen i.S.d. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, so dass auch der Entschädigungsanspruch eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belange des Anspruchstellers voraussetzt.[195] Die Höhe des Entschädigungsanspruchs hängt vom jeweiligen Schutzgut und dem Ausmaß seiner Beeinträchtigung ab und kann z.B. die Übernahme eines Grundstücks gegen die Zahlung von Entgelt beinhalten.[196] Schuldner der Entschädigungsleistung ist der Vorhabenträger.[197]
Beispiel:
Zu keinem Entschädigungsanspruch führt die Befürchtung eines Gewerbetreibenden, die in der Umgebung eines Betriebsgrundstücks zu errichtende Büro- und Gewerbeansiedlung werde auf Kunden eine „abschreckende Wirkung“ haben und zu Umsatznachteilen führen. Das insoweit allein als betroffen in Betracht kommende Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG schützt bloße Umsatz- und Gewinnchancen ebenso wenig wie den Fortbestand der tatsächlichen Gegebenheiten.[198]
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Das Fachrecht kann, wie im Fall der §§ 41, 42 BImSchG ein eigenes Schutzkonzept vorsehen, neben dem § 74 Abs. 2 VwVfG nur ergänzend zur Anwendung kommt (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 BImSchG).[199]
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Entscheidungsvorbehalt. Ist eine abschließende Entscheidung, z.B. über notwendige Schutzvorkehrungen zugunsten eines Grundstücks[200] oder die Durchführung notwendiger Kohärenzmaßnahmen in einem FFH-Gebiet[201], bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht möglich, ist in den Planfeststellungsbeschluss ein Entscheidungsvorbehalt aufzunehmen (§ 74 Abs. 3 Halbs. 1 VwVfG). Davon darf die Planfeststellungsbehörde nur dann Gebrauch machen, wenn ein Konflikt in Rede steht, der sich im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses bereits hinreichend deutlich abzeichnet; Konflikte, die erst später erkennbar werden und mit denen vernünftigerweise nicht gerechnet werden konnte, sind kein tauglicher Gegenstand eines Entscheidungsvorbehalts, sondern sind nach Maßgabe des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG zu bewältigen.[202] Weitere Voraussetzung des Entscheidungsvorbehalts ist, dass „eine abschließende Entscheidung im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht möglich, aber hinreichend gewährleistet ist, dass sich im Wege der Planergänzung der Konflikt entschärfen und ein Planungszustand schaffen lässt, der den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, es sei denn, dass sich die Entscheidung ohne die vorbehaltene Teilregelung als ein zur Verwirklichung des mit dem Vorhaben verfolgten Ziels untauglicher Planungstorso erweist“[203].
Beispiel:
In einem Planfeststellungsbeschluss zum Bau einer Eisenbahnstrecke ist der Bau einer Lärmschutzwand vorgesehen. Um die Immissionsgrenzwerte einzuhalten, verband die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss mit einem Auflagenvorbehalt, wonach nach „Inbetriebnahme der Strecke […] bei berechtigtem Zweifel Nachberechnungen zu Lasten des Vorhabenträgers erfolgen und auf Grund dieser Kontrollmaßnahme die erforderlichen Nachbesserungen hinsichtlich des Lärmschutzes vom Vorhabenträger zu leisten sind“. Diese Nebenbestimmung sollte nach dem Willen der Behörde der Unsicherheit hinsichtlich der Lärmentwicklung bei einer Zunahme des Zugverkehrs Rechnung tragen. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte eine hinreichend vorhersehbare nachteilige Wirkung i.S.d. § 74 Abs. 3 VwVfG und hob die Nebenbestimmung auf.[204]
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Die auf der Grundlage eines Entscheidungsvorbehalts gem. § 74 Abs. 3 Halbs. 1 VwVfG getroffene Entscheidung ergeht in einem zwar isoliert anfechtbaren, aber mit dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss eine Einheit bildenden Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss.[205]