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b) Zwangsgeld und Ersatzzwangshaft

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Zwangsgeld. Mit Hilfe eines Zwangsgeldes können Handlungen, Duldungen und Unterlassungen durchgesetzt werden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VwVG darf ein Zwangsgeld bei vertretbaren Handlungen allerdings nur verhängt werden, wenn eine Ersatzvornahme untunlich ist. Der Begriff „untunlich“ ist verwaltungsgerichtlich in vollem Umfang überprüfbar und bedeutet, dass eine Ersatzvornahme nach Lage des jeweiligen Falles als Zwangsmittel erkennbar nicht in Betracht zu ziehen ist.[87] Die Vollstreckungsgesetze der meisten Länder kennen diese Beschränkung nicht, hier stehen Ersatzvornahme und Zwangsgeld gleichrangig nebeneinander (vgl. etwa §§ 57 ff. VwVG NRW);[88] in Bayern ist die Zulässigkeit der Ersatzvornahme allerdings davon abhängig, dass ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt (Art. 32 Satz 2 BayVwZVG). Die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden, welches der beiden Zwangsmittel zur Anwendung kommen soll und, wenn sie ein Zwangsgeld auswählt, in welcher Höhe sie dieses androht. Ein Zwangsgeld kann etwa dann ein ungeeignetes Zwangsmittel sein, wenn der Schuldner nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen dauerhaft seiner Ordnungspflicht nicht nachkommen kann und auch absehbar keine Möglichkeit der Inanspruchnahme unentgeltlicher Hilfe besteht.[89] Die gesetzlichen Bestimmungen sehen im Hinblick auf die Höhe des Zwangsgeldes einen unterschiedlichen Rahmen vor. Innerhalb dieses Rahmens darf die Höhe des Zwangsgeldes so bemessen werden, dass der Betroffene – unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit, der Hartnäckigkeit seines Verhaltens (erster Verstoß oder Wiederholungsfall), der abzuwehrenden Gefahr und seinem wirtschaftlichen Interesse an der Nichtbefolgung des Verwaltungsakts (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW) – voraussichtlich Anlass sieht, die ihm auferlegte Pflicht zu erfüllen. Der zulässige Höchstbetrag darf in aller Regel nur unter besonderen Voraussetzungen und auch erst nach einer Wiederholung des Zwangsmittels ausgeschöpft werden.[90]

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Ersatzzwangshaft. Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei Androhung des Zwangsgeldes schriftlich hierauf hingewiesen worden ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 VwVG). § 61 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW lässt auch den nachträglichen Hinweis auf die Möglichkeit der Zwangshaft zu. Die Ersatzzwangshaft ist keine Strafe, sie tritt als Beugemittel an die Stelle eines nicht beizutreibenden Zwangsgeldes. Hinsichtlich der Feststellung, ob ein Zwangsgeld uneinbringlich ist, gelten strenge Maßstäbe. Ein Zwangsgeld ist uneinbringlich, wenn ein Beitreibungsversuch erfolglos gewesen ist oder wegen offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit des Betroffenen von vornherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht.[91] Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist nicht unbedingt erforderlich.[92]

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Die Anordnung der Ersatzzwangshaft liegt im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Verwaltungsgerichts. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte persönliche Freiheit des Pflichtigen darf sie nur angeordnet werden, wenn alle sonstigen zulässigerweise in Betracht kommenden Zwangsmittel erschöpft sind.[93] Im Übrigen sind die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen, etwa Krankheit oder Haftunfähigkeit, zu beachten. Die Haftanordnung setzt weiterhin voraus, dass das Zwangsgeld wirksam festgesetzt worden ist. Das Verwaltungsgericht entscheidet durch Beschluss. Die Bestimmung der Haftdauer liegt innerhalb der gesetzlichen Grenzen im Ermessen des Gerichts[94].

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Zugleich mit der Anordnung der Haft erlässt das Verwaltungsgericht den Haftbefehl (§ 16 Abs. 3 VwVG bzw. § 61 Abs. 2 VwVG NRW i.V.m. § 802g Abs. 1 ZPO).[95] Der Haftbefehl hat neben der Haftanordnung keine selbstständige Bedeutung, er ist nur die Ausfertigung des Beschlusses der Haftanordnung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung.[96]

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Auf Antrag der Vollzugsbehörde wird der Pflichtige danach vom zuständigen Gerichtsvollzieher gemäß § 802g Abs. 2 Satz 1 ZPO verhaftet. Er kann die Haft allerdings immer noch dadurch abwenden, dass er seine Verpflichtung aus dem Grundverwaltungsakt erfüllt oder das festgesetzte Zwangsgeld zahlt; der Vollzug muss dann eingestellt werden (vgl. etwa § 15 Abs. 3 VwVG).[97]

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