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bb) Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Wiedereinsetzung
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Antragsfrist. Der Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG), die Tatsachen zur Begründung sind innerhalb der Frist anzugeben und – was auch später erfolgen kann – glaubhaft zu machen (§ 32 Abs. 2 Satz 2 VwVfG)[104]; die versäumte Rechtshandlung ist nachzuholen (§ 32 Abs. 2 Satz 3 VwVfG).
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Wegfall des Hindernisses bedeutet, dass der unverschuldete Umstand, der die Einhaltung der Frist hinderte, entfällt. Dies kann ein tatsächlicher Umstand sein.
Beispiel:
Infolge extremer Wetterverhältnisse sind Urlauber auf einer Nordseeinsel eingeschlossen, es bestehen keine Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Festland, aber auch, wenn der Eintritt der Säumnis erkannt worden ist oder bei Anwendung der zu erwartenden Sorgfalt hätte erkannt werden können.[105]
Beispiele:
a) | Im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post (§ 56 Abs. 2 VwGO/§ 3 Abs. 2 VwZG, § 180 ZPO) ist dem Bevollmächtigten eine schriftliche Benachrichtigung über die Niederlegung in den Hausbriefkasten gelegt worden. Trägt der Bevollmächtigte vor, den Benachrichtigungsschein nicht aufgefunden zu haben, weil dieser wegen sonstiger Postsendungen und Werbematerialien nicht aufgefallen sei, so trifft den Bevollmächtigten an der Fristversäumnis ein Verschulden, weil er es unterlassen hat, ausreichende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er an ihn gerichtete Post tatsächlich erhält. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, in den Briefkasten gelangende Post gründlich durchzusehen und zu kontrollieren, namentlich muss er sich auf die Beschaffenheit postalischer Benachrichtigungsscheine einrichten und dafür Sorge tragen, dass ein solcher Schein aus sonstigen Postsendungen aussortiert und wahrgenommen wird.[106] |
b) | Die rechtzeitig zur Post gegebene Antragsschrift geht infolge eines Versehens der Post verspätet ein. Teilt die Behörde dem Betroffenen das Datum des Eingangs mit, wie es beispielsweise regelmäßig im Gerichtsverfahren bei Eingang der Klage geschieht, so fällt mit Eingang dieser Mitteilung die Unkenntnis von der Verspätung fort. Innerhalb von zwei Wochen muss nunmehr die Wiedereinsetzung beantragt werden. In der Praxis scheitern viele Wiedereinsetzungsanträge von Rechtsanwälten, weil diese die Eingangsbestätigung nicht sorgfältig überprüfen. Der Anwalt kann nicht mit dem Einwand gehört werden, er habe die Eingangsbestätigung des Gerichts nicht gelesen. |
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Wiedereinsetzung auch ohne Antrag ist nach § 32 Abs. 2 Satz 4 VwVfG möglich:
Beispiel:
Ein fristgebundenes Schreiben geht verspätet ein; aus dem Poststempel ist ohne Weiteres erkennbar, dass das Schreiben rechtzeitig vor Fristablauf zur Post gegeben worden ist. Die Verzögerung im Postlauf ist eindeutig auf Fremdverschulden zurückzuführen. Da das Schreiben die versäumte Rechtshandlung (hierauf bezieht sich das Tatbestandsmerkmal: „Ist dies geschehen . . .“ des § 32 Abs. 2 Satz 4 VwVfG) enthält, wäre es nicht praxisgerecht, wenn die Behörde den Antragsteller vor der Wiedereinsetzung erst noch zur Stellung eines Antrags auffordern würde.
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Ausschluss der Wiedereinsetzung (§ 32 Abs. 3 VwVfG). Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann nur ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist gestellt werden; eine einzige Ausnahme lässt das Gesetz bei Vorliegen „höherer Gewalt“ (§ 32 Abs. 3 letzter Halbsatz VwVfG) zu. Unter höherer Gewalt ist ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe – also unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung – zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Daraus folgt schon, dass der Begriff der „höheren Gewalt“ deutlich enger ist als der Begriff „ohne Verschulden“ in § 32 Abs. 1 VwVfG oder § 60 Abs. 1 VwGO. Er entspricht inhaltlich den „Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen“ i.S.d. § 233 Abs. 1 ZPO a.F.[107]
B. Allgemeine Grundsätze, Subjekte und Ablauf des Verwaltungsverfahrens › II. Behörden als Subjekte des Verwaltungsverfahrens