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1. Begriff der Behörde
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§ 1 Abs. 4 VwVfG enthält den für das Verwaltungsverfahrensgesetz maßgeblichen Behördenbegriff. Der Behördenbegriff ist ein „Zentralbegriff“ des Verwaltungsverfahrensgesetzes.[108] Hiernach ist Behörde „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“.
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„Stelle“ bedeutet, dass eine vom Wechsel der Amtsträger unabhängige, auch hinsichtlich der sächlichen und personellen Ausstattung[109] selbstständige Einrichtung vorliegen muss, der Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung nach außen übertragen sind.[110] Organisatorisch unselbstständige Einrichtungen (z.B. Dezernate, Referate oder Abteilungen oder Ämter eines Ministeriums oder einer anderen nachgeordneten Dienststelle) sind danach keine Behörden; sie nehmen keine eigenen Zuständigkeiten wahr, sondern handeln für die Behörde, in die sie eingegliedert sind.
Beispiel:
Die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (§ 5 Abs. 3 und 4 AsylG) sind keine selbstständigen Behörden, sondern Teil des Bundesamtes; Gleiches gilt für die Außenstellen der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen nach dem TelekommunikationsG.[111]
Nur wenn ihnen durch Rechtsvorschrift (Verwaltungsvorschriften reichen insoweit nicht) die Befugnis zum Handeln mit Außenwirkung eingeräumt ist, haben sie Behördeneigenschaft.
Beispiel:
Stadtkasse bzw. Standesamt[112] einer Gemeinde.
Rechtsfähigkeit ist für die Annahme einer Behördeneigenschaft nicht Voraussetzung. Auch rechtlich unselbstständige Untergliederungen öffentlicher Verwaltungsträger können demnach Behördeneigenschaft haben.
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Organisationsstruktur. Behörden können monokratisch oder kollegial strukturiert sein. Der Regelfall ist die monokratische Struktur („Das Ministerium für . . .“, „Die Bezirksregierung von . . .“, „Der Oberbürgermeister der Stadt . . .“); seltener ist die kollegiale Organisation von Behörden (beispielsweise Prüfungsausschüsse[113]; Kollegialausschüsse unterscheiden sich von monokratisch verfassten Behörden dadurch, dass erstere nicht weisungsgebunden sind.[114] Für Kollegialbehörden enthält das Verwaltungsverfahrensgesetz in §§ 88 ff. Sonderregelungen, sofern das jeweilige Fachgesetz nichts Abweichendes festlegt, § 88 letzter Halbsatz VwVfG. Oftmals wird das Mitglied einer Kollegialbehörde ehrenamtlich tätig sein; §§ 81 bis 87 VwVfG sind dann zu beachten.
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Funktioneller Behördenbegriff. Der Behördenbegriff ist im funktionellen, nicht im organisatorischen Sinn zu verstehen. Behörde kann demnach auch der Bundestagspräsident oder die Präsidentin eines Verwaltungsgerichts sein.[115]
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Beliehener und Verwaltungshelfer. Behördeneigenschaft kommt auch natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts zu, die im eigenen Namen öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen (Beliehene). Voraussetzung ist aber, dass sich die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf einen Rechtsakt zurückführen lässt.[116]
Beispiele:
Der Sachverständige des technischen Überwachungsvereins bei der Erteilung der Prüfplakette nach § 29 StVZO;[117] Luftfahrzeugführer nach § 12 LuftSiG,[118] der Seeschifffahrtskapitän nach § 121 Seearbeitsgesetz;[119] der Jagdaufseher nach § 25 BJagdG, der Bezirksschornsteinfegermeister bei der Feuerschau,[120] Tätigkeiten von Privatschulen im Rahmen ihrer öffentlichen Verwaltungsbefugnisse,[121] die Tätigkeit des Nachfolgeunternehmens Deutsche Bundespost POSTDIENST gem. § 16 Abs. 1 Postgesetz[122] bei der förmlichen Zustellung von Schriftstücken nach den Regeln des Prozess- und Verfahrensrechts.[123]
Der Verwaltungshelfer unterscheidet sich vom Beliehenen dadurch, dass jener nicht eigenverantwortlich nach außen tätig wird, sondern nach Weisung und im Auftrag der Verwaltungsbehörde tätig wird. Der Verwaltungshelfer ist selbst nicht Behörde, sein Handeln wird der Behörde zugerechnet.
Beispiele
Der Unternehmer, der für eine Behörde im Wege der Ersatzvornahme die einem Ordnungspflichtigen aufgegebene Maßnahme durchführt[124]; Schülerlotsen.
B. Allgemeine Grundsätze, Subjekte und Ablauf des Verwaltungsverfahrens › II. Behörden als Subjekte des Verwaltungsverfahrens › 2. Zuständigkeit der Behörden