Читать книгу Geschichte der Schweiz - Thomas Maissen - Страница 24
Sempach als Wende
ОглавлениеDie widerrechtlichen Handlungen der Luzerner stellten die Herrschaft des lokalen Adels in Frage und riefen Herzog Leopold III. auf den Plan. Wenn er seine Landstadt Luzern zur Rechenschaft zog, stärkte er auch seine Position in den habsburgischen Stammlanden zwischen den Neuerwerbungen im Breisgau, im Rheintal und im Tirol. Doch das misslang im heissen Juli 1386 in der Schlacht bei Sempach. Die im Einzelnen schlecht dokumentierte, aber sensationelle Niederlage der berittenen Krieger gegen Fussknechte aus Stadt und Land war in den Augen der österreichisch-adligen Geschichtsschreibung ein Skandal: Der heldenhafte Leopold und seine adligen Vasallen wurden «mit dem schwert erschlagen, uf dem iren und von den iren und uss dem iren gäntzlich ussgetilget». Die Kurzformel «In suo, pro suo, a suis occisus» besagte, dass der Herzog von rebellischen Untertanen ermordet wurde, als er in seinem Territorium seine rechtmässigen Herrschaftsrechte ausübte. Die Niederlage der Habsburger bei Sempach erregte über die regionalen Folgen hinaus Aufsehen. Die Auseinandersetzung konnte als Teil des Deutschen Städtekriegs angesehen werden, in dem von 1387 bis 1389 ein fürstlicher Herrenbund dem 1381 gegründeten Süddeutschen Städtebund gegenüberstand, der wiederum den Schwäbischen Bund (um Ulm) und den Rheinischen Städtebund (von Frankfurt bis Strassburg), aber auch Basel umfasste. Die schwäbischen Städte unterlagen in der Schlacht bei Döffingen (1388) gegen Württemberg ebenso wie der rheinische Bund im selben Jahr bei Worms. Der Landfriede von Eger (1389) verfügte die Auflösung aller Städtebünde, insbesondere also des Süddeutschen Städtebunds. Dieser hatte zeitweise rund 50 Reichsstädte umfasst, nachdem er sich im «Konstanzer Bund» 1385 durch ein Bündnis mit Bern, Solothurn, Zürich und Zug erweitert hatte, woran auch Luzern indirekt – über Zürich – beteiligt war. Allerdings wollten sich die süddeutschen Städte in den Konflikt mit Leopold nicht hineinziehen lassen: Bei Sempach kämpften nur die Angehörigen des Zürcher Bunds von 1351; es fehlte also auch Bern.
Ohne den Sieg bei Sempach wäre dieser Zürcher Bund wohl ebenso aufgelöst worden wie die Städtebünde in Südwestdeutschland. Dort hatte sich allerdings die Bauernschaft in den brutalen Kämpfen auf die Seite des Adels geschlagen, der ihnen besseren Schutz versprach als die brandschatzenden Truppen der Städte. In der Eidgenossenschaft dagegen wirkten Stadt- und Landbewohner gemeinsam als ausgreifende Ordnungsmacht, die nicht auf Fürsten und Adel angewiesen war. In dieser Hinsicht hatte Leopold III., mit Tiroler Angelegenheiten beschäftigt, 1375 schon im Guglerkrieg versagt, als Innerschweizer, Seeländer und Berner marodierende Söldnertruppen zurückschlugen, die während einer Ruhephase des Hundertjährigen Kriegs von Frankreich her ins Mittelland eingefallen waren. Mit Herzog Leopold fielen bei Sempach mehrere Hundert Adlige, als getreue Gefolgsleute der Habsburger die Basis ihrer Herrschaft in den Vorlanden. Das habsburgische Lehensgeflecht bis hin zum Oberrhein war damit stark gelichtet. Die neuen lokalen Herren, die sie ersetzten, hatten kaum Verpflichtungen gegenüber dem fernen und geschwächten Österreich und orientierten sich stattdessen an den nahen und erfolgreichen Eidgenossen, die sich im Machtvakuum als Alternative zur fürstlichen Herrschaft positionierten.