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Das Stanser Verkommnis

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Freiburg und Solothurn beantragten zugleich offiziell Aufnahme in die Eidgenossenschaft. Damit wären die Städte weiter gestärkt worden, wogegen die Landorte entschieden protestierten: Ihre Fläche machte bloss die Hälfte der städtischen Territorien aus, ihre Bevölkerung ein Drittel, ihre importabhängige Wirtschaft war erst recht schwächer. Zudem waren ihre Einwohner am ungezügelten Kriegsdienst finanziell interessiert, den die Städte als Herd von Unruhe fürchteten und daher obrigkeitlich lenken wollten – allerdings, wie Bern in der Waadt bewiesen hatte, durchaus in eigennützigem Sinn. Mit ihren Kanzleien und weltgewandten Diplomaten dominierten Bern und allgemein die Städte die inneren Abläufe und die äussere Wahrnehmung der Eidgenossenschaft immer stärker. Eine weitere Eskalation zwischen Eidgenossen konnte im Dezember 1481 an einer Tagsatzung in Stans abgewendet werden. Unklar ist, wieweit die versöhnlichen Ratschläge des hochgeachteten Einsiedlers Nikolaus von Flüe (Bruder Klaus) den Ausschlag in den zähen Verhandlungen gaben, bei denen der spätere Nationalheilige nicht persönlich zugegen war. Die mahnenden Worte «machend den zun nit zuo wit» legte ihm jedenfalls erst der Luzerner Chronist Hans Salat 1537 in den Mund, um die aktuelle wie frühere Berner Expansion in die Waadt zu kritisieren.

Das Stanser Verkommnis sollte bis 1798 der einzige Text bleiben, der die Verfassungsstruktur der ganzen Eidgenossenschaft festhielt. Die Streitpunkte wurden beigelegt. Einerseits verzichteten die Städte auf ihre Sonderbündnisse, wofür aber Solothurn und Freiburg mit etwas schlechteren Bedingungen in den Bund aufgenommen wurden. Sie waren an den Gemeinen Herrschaften nicht beteiligt, die sie nicht erobert hatten; und sie hatten keine Bündnisfreiheit, weil diese – wie im Fall von Zürich oder Bern – zu eigenmächtigem Vorgehen verführen konnte. Andererseits wurde «muotwillen und gewalt triben» nicht nur verurteilt, sondern es wurden konkrete Massnahmen dagegen verfügt: Das Stanser Verkommnis verbot, sich ohne Wissen und Erlaubnis der Obrigkeit zu versammeln, und verpflichtete die Orte, sich gegen ungehorsame Untertanen beizustehen.

Die beiden neuen Mitglieder standen schon lange in zum Teil engem Kontakt mit denen, die das Stanser Verkommnis eben erstmals als «die acht ortte der eitgenosschafft» definiert hatte, woraus das 1505 erstmals belegte «acht alte orte» werden sollte. Solothurn war seit dem Aussterben der Zähringer 1218 eine Reichsstadt und hatte zuerst an der Seite Berns und im 15. Jahrhundert mit den anderen Eidgenossen an vielen Unternehmungen teilgenommen. Die Aufnahme in die Bünde wurde jedoch verschiedentlich abgelehnt, auch weil die Berner die Nachbarstadt nicht gleichberechtigt sehen wollten. Von Bern begrenzt, gelang es Solothurn seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch nur, ein schmales Territorium entlang des Juras zusammenzukaufen, das bis Gösgen (1458) reichte und im frühen 16. Jahrhundert mit Erwerbungen nördlich des Juras (Dorneck-Thierstein) abgeschlossen wurde. Freiburg hatte sich seit 1454 von einem Gegenspieler Berns zu seinem Juniorpartner gewandelt und dank den Burgunderkriegen die kurze savoyische Stadtherrschaft abgeschüttelt. Erst jetzt wurden auch die Grundlagen eines Territoriums gelegt, das sich, ebenfalls wegen der Berner Dominanz, nur gegen Süden und Westen entwickeln konnte. Ausgerechnet in dem Moment, als mit dem Beitritt zum «alten grossen pund obertütscher landen» Deutsch in Freiburg Amtssprache wurde, begann also der Erwerb – vorerst durch Kauf – französischsprachiger Vogteien.

Der eidgenössische Vorstoss in die welschen, nämlich romanischsprachigen Lande hatte allerdings schon früher begonnen, und zwar im Süden. Die Zurückhaltung der Urner etwa bei der Eroberung des Aargaus war darin begründet, dass sie und die Unterwaldner sich vor allem für die Gotthardachse interessierten und sich bereits 1403 mit der Leventina verbündeten. 1410 folgte das ewige Landrecht von Uri mit dem von Walsern besiedelten Hochtal Ursern, dessen königliche Freiheitsrechte eingeschränkt wurden. Militärische Vorstösse ins Eschen-, Maggia- und Verzascatal provozierten den Landesherren, den Visconti-Herzog von Mailand. Mit seinem Sieg bei Arbedo gingen die Eroberungen wieder verloren, doch auch in den folgenden Jahrzehnten kam es wiederholt zu Urner Expeditionen gegen das oft krisengeschüttelte Herzogtum Mailand. Mit eidgenössischer Hilfe siegten die Urner 1478 im Umfeld der Burgunderkriege in der Schlacht bei Giornico, worauf Mailand die Urner Herrschaft in der Leventina anerkannte.

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