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Reichsfreiheit als Herrschaftskern
ОглавлениеFür eine Ausdehnung des Territoriums hatten im eidgenössischen Raum die Städte günstigere Voraussetzungen, zumal sie dank dem Aufschwung des Gewerbes in den Jahrzehnten um 1400 wirtschaftlich prosperierten. Anders als in Deutschland endeten ihre Herrschaftsrechte nicht zumeist, wie selbst in der grössten Reichsstadt Köln, an der Stadtmauer; anders als in Italien wurde aber auch nicht das ganze Land der städtischen Kommune unterworfen, wie etwa der contado von Florenz. Die eidgenössischen Städte blieben auf Partner und damit Kompromisse mit den Landorten angewiesen, die sie nicht beherrschen konnten, die aber – anders als die fürstliche Territorienbildung – auch keine ernsthafte politische Gefahr für die städtische Herrschaft darstellten. Vielmehr stützten sich Stadtorte und Landgemeinden gegenseitig im defensiven Anliegen, die Reichsfreiheit zu verteidigen, die ihnen Sigismunds «Privilegiensegen» von 1415 grosszügig gewährte und die er als Kaiser 1433 bestätigte. Die Eidgenossen konnten ihre Herrschaftsrechte also unmittelbar auf den obersten Richter auf Erden zurückführen, der zumindest dem Anspruch nach die weltliche Universalgewalt darstellte.
Den Kern der mittelalterlichen Herrschaftslegitimation machte denn auch die Gerichtsbarkeit in Stellvertretung des Königs aus, vor allem der Blutbann für die Todesstrafe, den die meisten Orte um 1400 verliehen bekamen; ausserdem der Ausschluss fremder oder höherer Berufungsinstanzen (privilegium de non appellando/evocando) und die niedere Gerichtsbarkeit, die dank Bussen auch Einnahmen abwarf. Dazu kamen die verschiedenen Regalien, konkrete wirtschaftliche und finanzielle Nutzungsrechte, die ursprünglich dem König (rex) vorbehalten gewesen waren: Münzprägung, Zollerhebung, Marktrecht, Salz- und Bergbau, Waldnutzung (Jagdrecht), Fischerei, Mühlen. Der Übergang zu indirekten Steuern war etwa beim Salzmonopol oft fliessend, während direkte Steuern (auf Vermögen) in der Regel befristet und zweckgebunden waren, etwa für Rüstungsmassnahmen. Im selben Zusammenhang erlaubte das Mannschaftsrecht, Soldaten auszuheben – im Prinzip gemäss der allgemeinen Wehrpflicht. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Wehr- und Reispflicht war schliesslich das Huldigungsrecht von erheblicher Bedeutung: Bürger und Untertanen hatten ihrem Herren Treue und Gehorsam zu geloben, ohne dass diesbezüglich ein grundsätzlicher Unterschied zwischen fürstlicher, städtischer oder ländlicher Obrigkeit gemacht wurde.