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Ben hatte das Rennen nicht fortgesetzt. Wegen einer Erkältung, lautete die offizielle Erklärung. Tatsächlich verbrachte Ben den Tag abseits der Rennstrecke in träumerischer Schwelgerei von Ruhm und Ehre. Wo er sich den ganzen Tag herumgetrieben hatte, wollte er aber nicht sagen, was ihm harsche Kritik des Teamleiters und den Vorwurf der Disziplinlosigkeit einbrachte, darüber hinaus aber, wohl infolge seiner Ausnahmestellung im Team, keine weiteren Konsequenzen nach sich zog. Zum Abendessen kam er wieder, aber niemand wollte mit ihm sprechen – was hätte man auch sagen sollen? Nach dem Essen bat der Teamleiter um eine Unterredung. Hinzu kamen der leitende Teamarzt und seine zwei Stellvertreter. Ben setzte sich auf den freien Stuhl vor dem Schreibtisch im Besprechungszimmer. Gegenüber hatten die vier Männer Platz genommen. Es war ein Tribunal, ganz offensichtlich. Versteinerte Mienen im Wettstreit, wer wohl das ernsteste Gesicht aufsetzen, die schärfste Zermürbung, die tiefste Bitterkeit ausstrahlen konnte. Ben saß mit hängenden Schultern da und schien das alles kaum zu bemerken. Wenn er überhaupt mit etwas rechnete, dann allenfalls mit einer schärferen Wiederholung des Vorwurfs, den er bereits kannte. Er hatte sich ohne Abmeldung aus dem Rennen gestohlen. Das tut man nicht, es widerspricht dem Ehrencodex der Fahrer, es vergiftet den Teamgeist usw. usw. Mit diesem Zeug würden sie ihm kommen, und da Ben das Unrecht ja einsah, langweilte er sich in Erwartung der neuerlichen Zurechtweisung schon. Und mit der Langeweile erloschen die lebensfrohen Gedanken, die ihn gestern aus höchster Not vom Unerträglichen ins Lebenswerte zurückgeführt hatten, und die hoffnungsvollen Vorsätze, die er noch in derselben Nacht gefasst hatte. Es war alles wieder beim Alten und der Gedanke, dieses verhexte Rennen wieder aufzunehmen, war ihm ganz zuwider.

„Ben, wir haben da was für dich.“

Der Angesprochene hob den Kopf und sah seinen Teamchef aus verlorenen Augen an. „Bin ich jetzt entlassen?“

„Nein“, lächelte der milde und fügte mit väterlicher Fürsorge hinzu: „Ben, mein Junge, wir haben uns lange gefragt, wie das eigentlich möglich war …“

„Wie was möglich war“, dachte Ben und bekam prompt die Antwort: „… dass du so verdammt lange mithalten konntest. Und was noch viel erstaunlicher ist: Du konntest sogar Rennen gewinnen …“

Ben öffnete den Mund, aber der Teamleiter kam ihm zuvor: „Nein, sag jetzt nichts. Hör einfach nur zu. Du hast verdammt lange mitgehalten. Du hast sogar gegen Leute gewonnen, gegen die du eigentlich gar nicht hättest gewinnen können! Du bist verdammt begabt, mein Junge, aber gestern hast du verloren, weil du an eine Grenze gestoßen bist, die selbst dein begnadeter Körper nicht zu überschreiten vermag ... wenn, ja wenn man ihn bei diesem Schritt nicht angemessen unterstützt ...“

Da dämmerte es Ben, worauf sein Trainer hinauswollte. Von Rauswurf konnte gar keine Rede sein und auch nicht von disziplinarischen Maßnahmen. Es würde keine Litanei über Disziplin und Ehre und Mannschaftsgeist geben, nein, diese Männer waren gekommen, um ihm zu helfen, und Ben empfand ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit und tiefe Dankbarkeit.

Seine Augen blitzten erwartungsvoll.

„Du verstehst?“, fragte Waitz. „Natürlich verstehst du. Die Kerle, die dich gestern haben stehen lassen, die fahren doch nicht auf Nudeln und Brot und Leitungswasser, und die zwanzig hinter dir auch nicht. Die helfen alle nach, und weil sie es tun, haben sie viel mehr, als eigentlich geht, und du, mein Junge, kommst dagegen nicht mehr an.“

Der Trainer sah den Chefmediziner Dr. Liebermann vielsagend an. Der nickte. „Was wir dir anbieten, Ben, sind die Prozente mehr, die auch die anderen haben – auf diese Weise stellen wir den naturgegebenen Abstand wieder her. Ich bin sicher, dass du diesen Berg unter optimalen Bedingungen vier Minuten schneller hochfahren kannst, als du es gestern getan hast. Mit vierzig Watt mehr in den Beinen steckst du sie alle in den Sack, das garantiere ich. Tu, was wir dir sagen, und du wirst sehen, was aus dir noch wird. In drei Jahren fährst du die Tour, und wenn du recht bei der Sache bleibst, wirst du sie eines Tages auch gewinnen!“

Gelbfieber

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