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TEXTUR

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Eine letzte Eigenschaft und Wahrnehmung, die insbesondere bei Gemüse eine große Rolle für den kulinarischen Gesamteindruck spielt, führt wieder in den Bereich der physikalischen Sinne: die „Textur“. Der Begriff „Textur“ wird oft verwendet, wenn man Form und Aggregatzustand einer Speise beschreibt, also etwa knusprig, hart oder flüssig. Aber Textur ist mehr: Der Begriff umfasst alle Effekte, die von der physikalischen Struktur der Lebensmittel bestimmt sind. Auch hier sind es molekulare Eigenschaften, die für die „Textur“ verantwortlich sind.

Alle Lebensmittel bestehen aus Fett, Wasser, Protein und Kohlenhydraten. Das räumliche Arrangement und die Wechselwirkungen dieser Moleküle und Molekülgruppen bestimmen die Struktur des jeweiligen Gemüses, angefangen von atomistischer und molekularer Skala über die Nanostrukturierung bis hin zu den makroskopisch sichtbaren Abmessungen. Selbst kleinste Abweichungen auf den Nanoskalen bedingen große Änderungen, die im Mund deutlich wahrnehmbar sind.

Als Detektoren fungieren dabei zahlreiche Fadenpapillen (Papillae filiformis), die den ganzen Zungenrücken bedecken. Sie dienen dazu, die Nahrung festzuhalten und als Mechanorezeptoren zu „ertasten“. Dabei detektieren sie feine Unterschiede in Textur, Brucheigenschaften und Fließverhalten, die das Mundgefühl bestimmen. Jeder Textureigenschaft lassen sich physikalische Messgrößen zuordnen.

Im Gehirn werden diese physikalischen Eigenschaften in eine letztlich individuelle Empfindung umgesetzt. Wird etwa ein als „knackig“ beschriebenes Lebensmittel gegessen – etwa eine frische Paprika –, bedeutet das etwa Folgendes: Aus einer knackigen, also harten Hülle können zunächst kaum Aromen entweichen. Auf der Zunge wird so eine unelastische Speise als kantig, rau und wenig anschmiegsam wahrgenommen. Sie ist kompakt und lässt sich als Ganzes im Mundraum bewegen. Speichel durchdringt kaum die Schale, das Lebensmittel schmeckt also zunächst nach nichts. Erst wenn man darauf beißt, knackt und kracht es, und die Duftnoten und Geschmacksstoffe werden auf einen Schlag freigegeben. Dieser Vorgang lässt sich auf andere Formen und Oberflächen – rund oder kantig, weich, glatt oder rau, klebrig, schaumig oder mehlig – und auf die Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig übertragen. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass viele Lebensmittel und Speisen nicht nur aus einer, sondern aus verschiedenen Komponenten bestehen, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben. Die Textur einer Speise hat also Einfluss auf ihren Geschmack, ihr Aroma und das Gefühl, das sie im Mund erzeugt.

Kleinste Veränderungen auf molekularer Ebene haben spürbare Auswirkungen auf die Textur eines Gemüses – und damit auf den Gesamteindruck. Ein einfaches Beispiel demonstriert dies: Die unterschiedliche Wirkung, die ein und dasselbe Lebensmittel in zweifacher textureller Gestalt erzielt, ist uns vom Besuch auf dem Jahrmarkt bekannt – bei Zuckerwatte. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, drei Würfel Zucker in den Mund zu nehmen und davon zu schwärmen. Wird der Zucker hingegen zu einer Watte verarbeitet, kann er ein kleines Vergnügen für Jung und Alt werden. Auch Kartoffeln sind wahre Verwandlungskünstler: roh, in ein, zwei dünnen Scheiben auf Gemüseplatten, ist ihre Textur knackig und hart. Gekocht wirken sie mehlig bis elastisch, je nach Proteingehalt. Zu Stampfkartoffeln verarbeitet, kommt ihre stärkebedingte Mehligkeit noch deutlicher zum Ausdruck, und spätestens jetzt wird erkennbar, wie sich Textur steuern lässt. Gießt man nur ein wenig Öl über den Kartoffelstampf, verändert das, abgesehen von den Aromen, die Textur gewaltig. Die Reibung im Mund verändert sich, der Brei wirkt zwischen Gaumen und Zunge feiner, geschmeidiger und „pastöser“. Werden sie zu einem Kartoffelpüree verarbeitet, hängt vieles vom Wassergehalt ab, wird noch Butter eingeschlagen, verändern die Fetttröpfchen im Püree wiederum das Mundgefühl vollkommen. Deren Größe und Anzahl übernimmt mehr und mehr den texturellen Part der Sensorik. Schlägt man, wie in der Version von Joel Rebuchon, etwa 250 g Butter auf 1 000 g Kartoffeln ein, lässt sich sofort erraten, wie fein und „butterig“ das Püree im Mund wird. Am Gegenpol der Möglichkeiten der Kartoffel finden sich frisch frittierte, getrocknete oder gebackene Kartoffelchips, die unglaublich knusperig sind.


Wahrgenommene und messbare physikalische Eigenschaften von Lebensmitteln

Textur ist also nichts weiter als die Folge einer gezielten „Manipulation“ auf Längenskalen, die mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen sind. Das feine Wechselspiel und die Struktur der Materie auf Mirko- und Nanometerskala erst bestimmt das „Mundgefühl“, die „Textur“, die wir sensorisch im Mund wahrnehmen.

TEXTUR – GESCHMACK – AROMA An zwei Beispielen lässt sich leicht nachvollziehen, wie etwa geringe Verschiebungen des Wassergehalts die Sensorik von Lebensmitteln deutlich ändern. Werden Kartoffelchips ein wenig feucht, so wirken die Wassermoleküle als „Weichmacher“ zwischen dem Protein und Stärkegerüst, sie erhöhen die Moleküldynamik geringfügig, die Textur wird weniger spröde, die Geschmacks- und Aromafreigabe wird entsprechend verändert. Die Chips werden sensorisch als „schlechter, fettiger, weniger frisch“ beurteilt. Ähnlich ist es bei trocken gewordenem Baguette: Die Wasserbalance ist durch das Verdampfen des freien Wassers geringfügig verschoben, die Glucosearme des hochgradig verzweigten Amylopektins der Stärke beginnen zu rekristallisieren, und schon wirkt das Brot „altbacken“. Die Wahrnehmung von Salz und Säure verschiebt sich, Aromen werden auf andere Weise freigesetzt, die retronasale Wahrnehmung verschiebt sich ebenfalls.

Diese kleinen Veränderungen der molekularen Strukturen verändern Kau- und Beißverhalten, das Bruchverhalten, die Bildung des schluckbaren Speisebreis, des Bolus, selbst Schluckprozesse werden dadurch erheblich verändert, die „Sensorik“ massiv beeinflusst und das Zusammenspiel zwischen Textur und Geschmack anders wahrgenommen.


Die Vorgänge beim oralen Prozessieren verändern die Struktur und Eigenschaft von Lebensmitteln.

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