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ОглавлениеKLEINE NATURWUNDER
Viele Gemüse erkennt man mit verbundenen Augen. Sie haben einen typischen Geruch, und spätestens wenn man hineinbeißt, fügen sich Geschmack, Aroma und Textur zu einem unverkennbaren Gesamteindruck zusammen, der ans Gehirn meldet: „frischer Kohlrabi“. Oder: „reife Avocado“. Oder: „Spinat“.
Wie wir Duft- und Geschmacksstoffe, trigeminale Reize und Textur wahrnehmen, wissen wir nun. Aber warum und wie duften und schmecken Gemüse überhaupt? Ist das jeweilige Aroma- und Geschmacksspektrum in den Genen angelegt oder entsteht es im Laufe des Wachstums? Wie bilden sich die Gerüche in der Erde bei Wurzelgemüse, in der „Luft“ bei Blattgemüse, woher kommen die charakteristischen Düfte? Warum riecht Kohl nach Kohl und Zwiebel nach Zwiebel? Warum wirkt eine Avocado so mundfüllend? Warum schmecken viele Gemüse bitter, warum Wurzelgemüse süß? Warum duften die bitteren Kohlsorten typisch „schwefelig“ – und zwar alle ähnlich? Warum riechen farbenfrohe Gemüse oft würzig und gleichzeitig nach einem Hauch Blüten? Und: Ist die Zahl der Aromastoffe in Gemüsen tatsächlich so groß oder trifft man immer wieder auf dieselben Verdächtigen, anders gesagt: auf „Generalisten“?
Die Antworten auf diese Fragen sind auf der molekularen Ebene zu finden. Sie lassen uns Gemüse in seiner ganzen Vielfalt verstehen und führen zu neuen Ideen in der Küche.
STÖREN UND BETÖREN – WARUM GEMÜSE DUFTEN UND SCHMECKEN
Gemüse bestehen – wie alle Lebensmittel – im Wesentlichen aus wohlstrukturierten Anteilen an Wasser, Fetten, Kohlehydraten und Proteinen. Mehr gibt es praktisch nicht, alles Weitere ist daraus abgeleitet. Bereits in der DNA der Pflanze und den (Stamm-)Zellen ist genau definiert, wie sich Pflanzenzellen anzuordnen haben, welche Enzyme in die Zellmembranen eingebaut werden und welches Aromapotenzial die Pflanze haben wird, damit sie ihren Lebensbedingungen gerecht werden kann.
Geschmack, Aroma und Textur sind eine Folge der genauen Zusammensetzung der Gemüse, der daraus resultierenden Zellstruktur und der Art, wie die Natur oder die Kultur mit dem Lebensmittel umgeht. Zu dieser genetisch bestimmten Zusammensetzung kommt jedoch ein zweiter wichtiger Aspekt hinzu: die Einflüsse der Umwelt und die chemischen Prozesse, die als Folge davon in den Pflanzen ablaufen. Erst dabei werden zusätzliche Aromen gebildet, die der Pflanze ursprünglich nicht zu eigen waren, oder Aromen verstärkt, die vorher nur eine Nebenrolle spielten.
WELCHE DUFTSTOFFE BESTIMMEN DAS GEMÜSEAROMA?
Es gibt zwar Tausende verschiedener Aromastoffe, die Zahl der Aromen, die eine relevante Rolle spielen, ist jedoch bei näherer Betrachtung viel kleiner, als noch vor ein paar Jahren angenommen. Lediglich knapp dreihundert Aromaverbindungen steuern im Wesentlichen das Duftspektrum in der Küche. Der Rest ist, wie bei komplexen Parfüms, marginale Feinabstimmung und „Kosmetik“.
Eine Studie der Technischen Universität München hat festgestellt, dass man den typischen Duft von Lebensmitteln mit nur wenigen relevanten Duftstoffen „nachbauen“ kann. Die gesamte Geruchswelt der Lebensmittel wird demzufolge von 16 „Generalisten“ – Aromastoffen, die in nahezu allen Lebensmitteln vorkommen – sowie 57 „Intermediären“ und 151 „Individualisten“ definiert. Das heißt: Es sind nicht alle Aromastoffe eines Gemüses (Lebensmittels) duftbestimmend, sondern meist genügen 2 bis 5 Generalisten, 2 bis 5 Intermediäre und 1 bis 5 Individualisten, um den wesentlichen Geruch eines Lebensmittels zu beschreiben. In unserem Lexikonteil ab Seite 117 sind für jedes Gemüse zwischen 5 und 15 aromabestimmende Moleküle in der Randspalte aufgeführt.
Zusammensetzung und „äußere“ Faktoren haben wesentlichen Einfluss auf das Gemüse.