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SÜSS
ОглавлениеNicht nur in der Zuckerrübe, sondern in nahezu allen Gemüsen finden sich Zucker. In einigen lässt er sich roh herausschmecken wie beispielsweise bei Tomaten oder Möhren, andere – wie Zwiebeln – werden erst nach dem Kochen süßer, bei wieder anderen ist er gar nicht wahrnehmbar. Das liegt daran, dass sich nur die freien Zucker herausschmecken lassen, also solche Zuckerstoffe, die Süßrezeptoren auf der Zunge reizen können. Solange der Zucker in gebundener Form vorliegt – etwa in Form von Stärke ( Kartoffel, Seite 243) oder auch bei Glucosinolaten ( Aromabildung durch Angriff, Seite 39), schmeckt er nicht süß. Zucker, die in (fast) jedem Gemüse vorkommen und die man in Obst in deutlich höheren Konzentrationen findet, sind Glucose, Fructose und Saccharose.
Gemüse bauen jedoch noch weitere Zucker ein, etwa Maltose, Rhamnose und Galactose in verschiedenen Formen. Häufig treten in Gemüse außerdem Zuckeralkohole auf, die ebenfalls süß schmecken, aber nicht mehr enzymatisch verdaut werden können ( Fodmaps, Seite 84), zum Beispiel Mannitol, Sorbitol oder Xylitol, die teilweise auch als Zuckerersatzstoffe dienen.
Freie und damit leicht lösliche Zucker und Zuckeralkohole fungieren im Gemüse oft als „Frostschutzmittel“. Sie erniedrigen den Gefrierpunkt des Wassers, indem sie Wassermoleküle binden, d. h. die polaren Moleküle und Ionen scharen mit höherer Wahrscheinlichkeit Wassermoleküle in sogenannten Hydrathüllen um sich herum, sodass diese erst bei noch geringerer Temperatur zur Bildung von Eiskristallen „freigegeben“ werden. Auf diese Weise gelingt es Pflanzenzellen, Frostnächte ohne Schaden zu überstehen. In Wurzelgemüsen wie Schwarzwurzeln, Sellerie und Haferwurzeln, Topinambur und Pastinaken werden mitunter schwere Geschütze aufgefahren: Es werden längerkettige Oligosaccharide oder Oligofructosen aus Fructoseeinheiten aufgebaut (z. B. Inulin). Eine Faustregel lautet: Je länger der Zucker ist, desto weniger süß ist er. Längerkettiges Inulin lässt sogar ein fettartiges Mundgefühl zu, wie es in Schwarzwurzeln oder lang gekochten Topinambur zu spüren ist.
Wurzelgemüse lagern Zucker prophylaktisch ein. Bei Frost „frieren“ die Zellmembranen ein ( Zellstruktur, Seite 64), dabei werden sie teilweise brüchig, Enzyme (z. B. Myrosinase) werden freigesetzt und können die bitteren Glucosinolate zerlegen. Die Blätter werden weniger bitter, es entstehen mehr freie Glucosemoleküle (Zucker) und mehr Schwefelaromen. Ähnliches passiert bei Hitzeeinwirkung. In Glucosinolaten (Kohl) oder Saponinen (Zwiebeln) gebundene Zucker werden „frei“, das führt dazu, dass die Gemüse gekocht süßer schmecken als roh. ( Zwiebel, Seite 510)
SÜSSKRAFT VON ZUCKER UND ZUCKERDERIVATEN
Lactose | 0.2 |
Maltose | 0.3 |
Isomalt | 0.4 |
Galactose | 0.4 |
Glucose | 0.5 |
Trehalose | 0.5 |
Sorbitol | 0.5 |
Saccharose | 1.0 |
Xylitol | 1.0 |
Invertzucker | 1.2 |
Fructose (Fructopyranose) | 1.2 |
Man kann die Süße von leicht süßen Gemüsen durch eine Prise Zucker oder einen Löffel Honig noch unterstreichen – oder andersherum süßes Gemüse gezielt als süße Komponente bzw. zum „Süßen“ auf Tellern einsetzen. Sehr lang gekochte Zwiebeln verleihen jedem Eintopf oder Zwiebelpüree Süße (und „umami“-Geschmack) und können sogar in Desserts als süßes Element eingesetzt werden.