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Die Möglichkeit zur Veränderung
ОглавлениеEs ist möglich, negative Emotionen zu eliminieren und positive zu kultivieren, weil wir nach buddhistischer Auffassung keine feste, solide Persönlichkeit haben. Das, was wir »Ich« nennen, existiert nur in Beziehung zu Körper und Geist, die ja beide in ständiger Veränderung begriffen sind. Auf der physischen Ebene sind die subatomaren Teilchen unseres Körpers in steter Bewegung, auf der geistigen Ebene sind es unsere Wahrnehmungen, Stimmungen, Gedanken und Emotionen, die sich unablässig verändern. Weil Veränderung in jedem Augenblick stattfindet, besteht die Herausforderung für uns darin, sie in produktiver Weise zu steuern.
Erleuchtung erfordert keine völlige Aufgabe unserer Persönlichkeit. Einige Buddhas sind vielleicht introvertiert, andere durchaus extrovertiert, einige essen vielleicht gern mexikanisch, andere ziehen italienisches Essen vor. Allerdings erfordert Erleuchtung die Aufgabe einiger Aspekte unserer Persönlichkeit, nämlich der gewohnheitsmäßigen Emotionen und Haltungen, die uns in unserem selbst gemachten Gefängnis gefangen halten. Weil diese aber kein integraler Bestandteil unseres Geistes sind, ist es uns möglich, diese (Emotionen und Haltungen) vollständig aufzugeben.
Die grundlegende Natur des Geistes wird oft mit einem klaren, offenen Himmel verglichen. Der Himmel ist immer da, auch wenn er an einigen Tagen von Wolken verdeckt wird. Dennoch gehören die Wolken nicht zur Natur des Himmels und können daher beseitigt werden. Genauso gehören störende Einstellungen und negative Emotionen wie Ärger nicht zur Natur des Geistes. Sie können aufgegeben und die reine, strahlende Natur des Geistes zum Vorschein gebracht werden.
Zudem beruhen die störenden Einstellungen und negativen Emotionen auf Unwissenheit. Unwissenheit bedeutet in diesem Fall nicht, dass jemand nicht dazu in der Lage ist, die Hauptstädte aller Staaten aufzuzählen. Vielmehr handelt es sich um eine ganz bestimmte Art von Unwissenheit, die in Unkenntnis der Realität Personen und Phänomene als inhärent existent auffasst, d. h. so, als hätten sie ihr unabhängiges, eigenes Wesen. Wenn diese Unwissenheit beseitigt wird, verschwinden alle schädlichen Faktoren des Geistes, die von ihr abhängen, ähnlich, wie das ganze Astwerk abstirbt, wenn ein Baum entwurzelt wird. Weil Unwissenheit die Realität falsch auffasst, kann sie durch eine korrekte Erkenntnis der Realität eliminiert werden. Der Geistesfaktor, der das bewirkt, wird Weisheit genannt, und das ist der Grund, aus dem die buddhistischen Lehren so ausführlich über das Kultivieren der Weisheit sprechen, die das Fehlen von – oder auch die Leerheit von – inhärenter Existenz erkennt.
Bevor wir jedoch in der Lage sind, Weisheit einzusetzen, um unsere destruktiven Haltungen und Emotionen mitsamt der Wurzel zu eliminieren, müssen wir einfachere Methoden zu Hilfe nehmen, um ihnen entgegenzuwirken. Aus diesem Grund haben große buddhistische Meister wie Shantideva über eine Reihe leicht anwendbarer »Gegenmittel« zum Ärger gesprochen, d. h. Techniken zur Neutralisierung dieser »giftigen« Emotion. Von eben diesen Techniken handelt dieses Buch im Wesentlichen.
*Eine Art Campuniform (Anm. d. Ü.)