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Eine positive oder notwendige Triebfeder für soziale Veränderungen?

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Obwohl Wut uns die Energie verleihen kann, soziale Ungerechtigkeit zu korrigieren oder zu verhindern, kann man sie nicht als positive Triebfeder für soziale Veränderungen werten, weil es unseren Geist dem Geist derer gleichsetzt, gegen die wir uns stellen. Als Studentin sah ich das recht eindeutig bei einem Protest gegen den Vietnamkrieg, bei dem ein anderer Student einen Stein aufhob und ihn gegen das ROTC*-Gebäude warf. Obwohl ich noch nicht Buddhistin war, zuckte ich bei der Handlung dieser Person innerlich zusammen. Er war genau so geworden wie die Leute, gegen die er protestierte.

Unabhängig von unseren Gründen wird unser Geist wie ihrer, wenn wir unsere Unterdrücker hassen. Sowohl sie als auch wir sind wütend. Beide betrachten wir unsere eigene Position als richtig und die des anderen als falsch. Beide tun wir uns schwer damit, uns die Bedürfnisse und Interessen der anderen Seite anzuhören. Beide denken wir, der andere sollte sich ändern. Wenn wir mit einer solch selbstgerechten Entrüstung an einen Konflikt herangehen, brechen jede Kommunikation und die Bereitschaft zur Kooperation und zum Kompromiss zusammen.

Ist Wut die einzige Motivation, die uns die Energie verleihen kann, schädliche Situationen zu korrigieren? Nach buddhistischer Auffassung ist sie es nicht. Mitgefühl, d. h. der Wunsch, dass andere von Schwierigkeiten und Verwirrung frei sein mögen, ist nicht nur eine mächtige motivierende Kraft, sondern auch eine Kraft, die ausgewogener, realistischer und wirkungsvoller ist als Ärger. Auch wenn wir anfangs mit Wut auf Ungerechtigkeit reagieren mögen, können wir, wenn wir die Techniken anwenden, die in den folgenden Kapiteln beschrieben werden, unsere Haltung in eine mitfühlendere Einstellung transformieren, bevor wir handeln.

Viele Jahre lang lebte ich im Nordwesten der USA, wo das Abholzen von Wäldern an der Tagesordnung ist. Als das Abholzen in der Nähe eines Retreat-Zentrums begann, das unsere spirituelle Gemeinschaft regelmäßig benutzte, tat es besonders weh, dieser Entwaldung zuzusehen, und einige der Retreat-Teilnehmer wurden jedes Mal aggressiv, wenn ein Lastwagen mit dem gefällten Holz vorbeikam. Ein Autoaufkleber jedoch mit der Aufschrift: »Umarme keinen Baum, umarme einen Holzarbeiter«, brachte mich dazu zu denken: »Die Holzfäller wollen glücklich sein und Leid vermeiden, genau wie das Rotwild, das sie vertreiben, und die Retreat-Teilnehmer, die dem Wald nachweinen. Viele von ihnen werden ihre Arbeit wahrscheinlich nicht einmal gern machen. Es mag sein, dass ich nicht einverstanden bin mit der Politik der Firmen, für die sie arbeiten, ich muss aber deswegen weder die Holzarbeiter noch ihre Chefs hassen.« Obwohl ich damit fortfuhr, Petitionen gegen die Abholzung zu unterschreiben und mich gegen die Entwaldung einzusetzen, begann ich, den vorbeifahrenden Holzfällern zuzuwinken. Warum auch nicht? Sie lächelten und winkten zurück.

Manchmal verwechseln wir Mitgefühl mit Passivität, Sentimentalität oder einem blinden Idealismus. Aus buddhistischer Perspektive ist es nichts von alledem. Mitgefühl ist eine Haltung, die erkennt, dass der Wunsch des anderen, glücklich zu sein und Schwierigkeiten zu vermeiden, genau so intensiv und wert ist respektiert zu werden, wie unser eigener. Andere mögen konfus sein und schädliche Methoden bei ihrem Bemühen benutzen, glücklich zu sein. Dem muss abgeholfen werden, ihr Wunsch nach Glück jedoch muss gewürdigt werden. Wenn wir sehen, dass sowohl Opfer wie auch Täter eines zugefügten Schadens gleichermaßen glücklich und frei von Leid sein möchten, können wir eingreifen, um eine unzuträgliche Situation mit Mitgefühl für beide Seiten zu beenden, nicht etwa mit Mitgefühl für die Opfer und Rachegefühl gegenüber den Tätern.

Im Jahre 1989 fragte ein Journalist Seine Heiligkeit den Dalai Lama: »Warum sind Sie nicht wütend nach der massiven Zerstörung, die die chinesische kommunistische Regierung in ihrem Land und unter ihrem Volk angerichtet hat? Wie können Sie dem tibetischen Volk sagen, es solle Mitgefühl mit seinen Unterdrückern haben?« Seine Heiligkeit antwortete: »Welchen Nutzen hätte es denn, sich zu ärgern? Wenn ich wütend würde, könnte ich nachts nicht mehr schlafen oder meine Mahlzeiten in Ruhe essen. Ich würde Magengeschwüre bekommen und meine Gesundheit würde leiden. Meine Wut könnte die Vergangenheit nicht ändern oder die Zukunft verbessern, wozu wäre sie also gut? Mit Mitgefühl aber können wir Tibeter aktiv werden, um die Situation zu verbessern.«

Es ist Dein Ärger

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