Читать книгу Wie ich mich durchsetze – immer - Torsten Kemme - Страница 10
Stichwort Wunschbild.
ОглавлениеAls mir Herr Gerhardt erzählte, wie und womit er seine Kunden begeistern wollte und bisher auch begeistert hat, nämlich mit Qualität und Schnelligkeit, hat er natürlich indirekt auch beschrieben, wie er von seinen Kunden gern gesehen werden wollte. Seine Kunden-Strategie spiegelt so einen Teil seines Wunschbildes über sich selbst wieder. Qualität und Schnelligkeit sind deshalb für ihn überaus wichtige Merkmale seiner Tätigkeit als Dachdeckermeister. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob das wirklich die entscheidenden Größen für den Erfolg sind. Wichtig ist nur, dass sein Wunschbild diese Merkmale enthält.
Mit diesen Merkmalen konnte ich zwar nicht punkten, denn diesen Selbstanspruch, nämlich schnell zu sein und gute Qualität abzuliefern, hatte er ohne Wenn und Aber realisiert. Aber ich hatte etwas anderes erfahren: dass es für ihn überhaupt sehr wichtig war, bei seinen Kunden angesehen zu sein, ein tadelloses Image zu haben. Nachdem ich das wusste, war mir klar, dass er natürlich auch Wert darauf legte, als ehrlicher und fairer Handwerker rüberzukommen. Ehrlich und fair sein, wer will das nicht? Mit diesen beiden Merkmalen können Sie fast immer argumentieren, diese Merkmale hat fast jeder in seinem Wunschbild von sich selbst. Sie brauchen nur andeutungsweise jemandem zu unterstellen, nicht ganz ehrlich oder unfair zu sein, dann erzielen sie Betroffenheit, und der Andere wird versuchen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen, und wenn er dazu Zugeständnisse machen muss, die er eigentlich nicht geplant hatte. Dieses Wissen half mir natürlich, als Kunde nicht nur enttäuscht zu sein, das war ich ja wirklich, sondern das auch in akzeptable Worte zu fassen. Mit einem solchen gezielten Vorgehen können Sie das Selbstbewusstsein fast jedes Gesprächspartners erschüttern, besonders dann, wenn Sie Eigenschaften ins Spiel bringen, die für den Anderen entscheidend dafür sind, von sich eine hohe Meinung zu haben.
Ich kann mich noch aus der Zeit als Manager daran erinnern, wie mich zwei meiner Mitarbeiterinnen regelmäßig mit dieser Methode ausgetrickst haben. Zu meinem Selbstanspruch und damit Wunschbild gehörte, dass ich ein gerechter Chef bin, gerecht zu jedem meiner Mitarbeiter. Das wussten meine beiden Mitarbeiterinnen und nutzten dieses Wissen schamlos aus, um ihre Interessen durchzubringen. Das lief dann immer wie folgt ab: Ich entschied mich für ein bestimmtes Vorgehen und verkündete es meiner Mannschaft. Darauf sagte eine von den Beiden: „Herr Kemme, das können wir gerne so machen. Aber finden Sie das gerecht?“ Und dann kam ihre Begründung, warum meine Entscheidung möglicherweise nicht ganz gerecht war. Ich war getroffen und betroffen. „Also gut“, sagte ich, „vielleicht haben Sie Recht. Was schlagen denn Sie vor?“ Und so war nicht immer, aber doch häufig das Ergebnis, dass sich diese beiden Mitarbeiterinnen mit ihrem Vorschlag durchsetzten.
Allerdings, und das ist jetzt nicht ganz unwichtig, es gibt einen Zeitpunkt, ab dem dieses Vorgehen nicht mehr zieht. Wenn Ihnen Ihr (weiblicher oder männlicher) Partner zum x-ten Mal vorwirft, rücksichtslos zu sein und seine Interessen nicht zu beachten, dann schalten Sie irgendwann auf Durchzug, zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Obwohl sich an Ihrem Wunschbild nichts geändert hat: Nach wie vor wollen Sie ein rücksichtsvoller Partner sein oder bleiben; aber Ihre Selbstachtung verbietet Ihnen, sich selbst immer wieder infrage zu stellen. Haben Sie sich anfangs auf diese Vorhaltungen hin besonders bemüht, rücksichtsvoll zu sein, gibt es diesen Zeitpunkt, ab dem Sie dann denken „Du kannst mich mal …!“ Gleichzeitig ist es genau der Zeitpunkt, ab dem die gegenteilige Argumentation Sie wieder besonders motiviert, die Interessen Ihres Partners zu beachten. Wenn also der Andere sagt: „Weißt Du, was ich besonders an Dir schätze? Das ist Deine Rücksichtnahme, die Art, wie Du mich immer in Deine Überlegungen mit einbeziehst!“ Vielleicht stimmt das so ausgeprägt gar nicht, aber jetzt geht es Ihnen darum, das einmal erlangte Image zu halten. Sie sind also in höchstem Maß motiviert, alles zu tun, um weiterhin als rücksichtsvoller Partner zu gelten.