Читать книгу Wie ich mich durchsetze – immer - Torsten Kemme - Страница 7

Der Handwerker-Fall 1. Der Vorgang

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Die hier geschilderte Situation ist tatsächlich passiert. Sie zeigt, wie sich unmerklich eine Konfrontation entwickeln kann. Und ehe ich es bewusst bemerke, stecke ich in einer unangenehmen Auseinandersetzung. Entscheide ich mich, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen und zu akzeptieren, was die Gegenseite fordert, habe ich zwar keinen unmittelbaren Ärger mehr; aber wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, ist ein solches Nachgeben nicht gut für das eigene Selbstbewusstsein. Dann kann es noch über Wochen gehen, dass ich mir Vorwürfe mache, mich so verhalten zu haben. Und wenn ich bereit bin, mich mit allen Konsequenzen auf einen Streit mit der Gegenseite einzulassen, kostet das auch eine ganze Menge Kraft und Durchhaltevermögen. Wenn ich mich nicht besonders clever anstelle, kann das Ganze zu einer juristischen Auseinandersetzung ausarten. Und das belastet mich dann auch über Wochen.

Eine dritte Möglichkeit wäre, sich nicht alles gefallen zu lassen und gleichzeitig so geschickt vorzugehen, dass die Gegenseite Zugeständnisse machen muss und ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis entsteht. Sich erfolgreich durchzusetzen, bedeutet also erstens, fürsorglich mit sich umzugehen, und zweitens, dem Anderen zu helfen, sein Gesicht nicht zu verlieren.

Jetzt zur Situation. Ich schildere sie Ihnen aus der Sicht eines Beteiligten, Schritt für Schritt, so wie sie sich entwickelt hat.

Meine Frau und ich hatten vor einiger Zeit festgestellt, dass unser Garagendach nach über 25 Jahren dringend einer Sanierung bedurfte. Immer wenn es regnete, drang das Wasser über undichte Stellen in die Garage und tränkte alle Gegenstände, die auf dem Betonboden herumstanden. Da wir Ende November noch einen Kurzurlaub in den sonnigen Süden geplant hatten und wir das Dach wetterfest haben wollten, bevor der Winter mit all seinem Regenwetter begann, mussten wir schnell handeln, denn jetzt hatten wir schon Freitag, den 11. November. Kurzer Hand riefen wir also einen Dachdeckermeister hier aus der Region an, den Herrn Gerhardt, und fragten ihn, ob er uns in seiner Terminplanung noch berücksichtigen könne. Wir hatten tatsächlich in diesem Jahr schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die Handwerker hier in der Gegend wirklich viel zu tun hatten, die Leute überrannten sie förmlich mit Aufträgen. Aber wir hatten Glück. Gerhardt sagte ja und kündigte seinen Besuch für den kommenden Montag an.

Gerhardt kam am Montag und stieg gleich auf die Garage. Ein junger Mann, energiegeladen, entscheidungsfreudig und augenscheinlich ziemlich entschlossen, sofort unser Problem zu lösen. Wir waren vom ersten Augenblick an schwer von ihm beeindruckt. Nach einer kurzen Besichtigung meinte er, das Dach bräuchte eine grundlegende Sanierung. Dem stimmten wir zu, ohne Wenn und Aber. Ich meinte dann, wir hätten gern gewusst, was das denn ungefähr kosten würde. Denn in solchen Fällen holen wir uns immer mindestens noch ein weiteres Angebot von einem anderen Handwerksbetrieb ein und vergleichen dann. „Moment“, sagte Gerhardt und eilte zu seinem Lieferwagen. Gerhardt kletterte kurz hinters Steuer, machte da irgendetwas, schaute wohl irgendwo nach und kam dann mit schnellen Schritten wieder zu uns zurück. „1.900 plus Mehrwertsteuer“, sagte er kategorisch und schaute mich an, mit seinen stahlblauen blitzenden Augen. „Okay“, sagte ich und dann gingen wir ins Haus, um noch den Termin zu besprechen. Warum ich das alles etwas ausführlicher schildere? Weil bereits in den ersten Minuten unserer Begegnung einiges passiert ist, was sich später als Fehler herausstellte. Zum Beispiel hatte ich mich nicht klar genug ausgedrückt, dass ich nämlich ein detailliertes schriftliches Angebot haben wollte.

In der Terminfrage einigten wir uns darauf, dass Gerhardt uns kurzfristig anrufen würde, wenn klar war, wann er unseren Auftrag in seine Planung aufnehmen konnte. Wir waren einverstanden. „Es könnte sein, dass es noch in dieser Woche klappt“, sagte er zum Abschluss. Und das war uns natürlich Recht.

Am nächsten Tag sah man meine Frau und mich auf dem Garagendach dabei, wie wir die völlig vermooste Steinschicht auf die Seite schaufelten, darum hatte uns der Dachdeckermeister gebeten, und so die Schweißbahnen freilegten. Gerhardt konnte also gleich loslegen.

Am Spätnachmittag dieses Tages rief Gerhardt an und kündigte sein Kommen für den morgigen Mittwoch in der Früh an. Gut, dass wir das Dach schon frei geschaufelt hatten. Trotzdem, wir fühlten uns überrumpelt. Dann sagte ich ihm am Telefon, ich hätte eigentlich vorher noch einen detaillierten schriftlichen Kostenvoranschlag gehabt. „Den bringe ich morgen früh gleich mit“, sagte er. Ich zog meine letzte Karte, um Zeit zu gewinnen. Der morgige Tag sei recht ungeschickt für uns, denn das sei unser Hochzeitstag. Das stimmte tatsächlich, wir hatten an einem 16. November geheiratet. „Kein Problem“, sagte er, „ich arbeite den ganzen Tag draußen auf der Garage und habe alles dabei, was ich für die Arbeit brauche.“ „Es wäre uns trotzdem lieb, wenn wir den Termin noch etwas verschieben könnten.“ „Aber ich habe den Kranwagen schon für morgen gemietet.“ Der Kranwagen sollte das Material und Arbeitsgerät auf das Garagendach heben. Okay, also es war nichts mehr zu machen. Gerhardt war nicht mehr aufzuhalten, wir waren ja im Grunde selber schuld. Dann einigten wir uns noch, dass er bereits um halb acht komme, damit wir noch über seinen Kostenvoranschlag sprechen könnten.

Am nächsten Morgen stand Gerhardt pünktlich vor der Tür. Wir setzten uns an den Tisch und er überreichte mir seinen Kostenvoranschlag. Er enthielt nur eine Kosten-Position: „Garagendachsanierung ca. 40 qm pauschal“, ausgewiesen mit 1.900 Euro. Ich hatte mich bis dahin ziemlich naiv verhalten, aber jetzt fühlte ich mich doch über den Tisch gezogen. Hinter die Kostenposition hatte Gerhardt noch eine kurze Ablauf-Schilderung aufgeführt.

Ich war sprachlos. Keine Einzelpositionen, kein ausgewiesener Stundensatz, keine Trennung von Arbeits- und Materialkosten, die ja steuerlich jeweils unterschiedlich behandelt werden. Nichts, gar nichts. Ich fühlte mich nicht nur überrumpelt, sondern auch hinters Licht geführt. Ich fühlte, wie ich misstrauisch wurde. Ich sagte ihm, dass ich Detail-Infos erwartet hatte, ohne die könne ich mir kein Bild machen. Gerhardt reagierte völlig ungewöhnlich. Entweder hatte er nicht verstanden, dass es mir um Kostentransparenz ging, oder er wollte mich nicht verstehen, denn jetzt brach es aus ihm heraus: „Jetzt muss ich Ihnen etwas zeigen, worauf ich stolz bin, richtig stolz. Haben Sie hier einen Laptop?“ Meine Frau schob ihren Apple rüber. Gerhardt ging sofort ins Internet und steuerte eine Seite an, wo Kunden seine Auftragsabwicklung bewertet hatten. Durchweg alle Beiträge positiv. Hohe Qualität und prompte Abwicklung, hieß es immer. Wirklich überzeugend. „Sehen Sie, darauf kommt es mir an: Ich möchte meine Kunden begeistern, das ist meine Strategie!“ Ich freute mich mit ihm über die positive Resonanz, sagte ihm aber auch, wichtig sei auch das Vertrauen der Kunden vor der Auftragsvergabe. Und deshalb müsse es zu einem ehrlichen Gespräch kommen. Aber genau diesen Aspekt wollte Gerhardt gar nicht diskutieren, sondern jetzt drängte er auf Aufbruch. Er müsse noch zu einer anderen Baustelle, meinte er, bevor er hier anfange. Ich habe nie herausgefunden, ob das vielleicht doch nur eine Ausrede war, um aus dem Gespräch herauszukommen. Da Gerhardt aber heute auf jeden Fall hier bei uns seinen Auftrag abwickeln würde, hielt ich ihn auch nicht länger auf. Ich tröstete mich mit der Vorstellung, dass ich nur eine detaillierte Abrechnung akzeptieren würde; und dass ich nötigenfalls nur einen Abschlag leisten würde. Mit dieser Vorgehensweise hatte ich in der Vergangenheit schon mehrmals gepunktet, die Idee stammt aus dem Buch ‚Reich durch Vergleich’ von Wolfgang Rademacher aus dem Kirchmeier-Verlag.

Gerhardt kam schnell wieder zurück und begann mit seiner Arbeit. Er machte alles selber. Es gab niemanden, auch keine Hilfskraft, die ihm einfache Arbeiten abnehmen konnte. Zu meiner Frau sagte ich: „Schreib seine Stunden auf, damit wir später vergleichen können.“ Ab und zu ging ich zu ihm aufs Dach und ließ mir seine Vorgehensweise erklären. Die zu erledigenden Arbeiten waren vergleichsweise einfach, ein Geselle oder sogar ein Azubi, allerdings ein guter, hätte diese Arbeiten auch erledigen können. Ein Dachdeckermeister war im Grunde für diesen Job überqualifiziert. Muss mich mal bei der Handwerkskammer nach den Stundensätzen erkundigen, behielt ich als Gedanken im Hinterkopf.

Insgesamt schwante mir, dass 1.900 Euro für diesen Job wohl doch ziemlich hoch gegriffen waren. Aber eines musste ich Gerhardt lassen: Jeder Handgriff saß, er arbeitete sehr effizient. Wir kamen auch dazu, einiges Persönliche auszutauschen. So erfuhr ich, dass er erst 32 Jahre alt war, aber schon verheiratet und zwei Kinder. Und dann schon Dachdeckermeister! Donnerwettstock, das musste ihm erstmal einer nachmachen. Für mich als Spätentwickler war das eine beachtliche Lebensleistung. Und dann stellte sich heraus, dass wir beide am selben Tag Geburtstag hatten. Damit war klar, wir waren drauf und dran, zueinander eine Beziehung zu bekommen, die schon etwas über das übliche Normalmaß hinausging.

Trotz einer längeren Mittagspause und einigen zwischenzeitlichen Abwesenheiten war Gerhardt am Spätnachmittag mit der Arbeit fertig. Als wäre nichts gewesen, versprühte er weiterhin frische Energie und zeigte überhaupt keine Ermüdungserscheinungen. Er packte alles zusammen und verschwand fröhlich mit seinem nagelneuen Lieferwagen. Und so konnten meine Frau und ich am Abend anlässlich unseres Ehrentages noch ‚vornehm’ essen gehen.

Zwei Tage später kam die Rechnung. Sie war aufgebaut wie das Angebot, nur dass oben drüber ’Rechnung’ stand. Ach ja, und dann gab es weiter unten noch einen kurzen Satz: „Der Lohnanteil beträgt 550 € incl. MwSt.“ Damit hatte der Dachdeckermeister versucht, meinen konkret genannten Wünschen zu entsprechen; und war wohl gleichzeitig bemüht, bei seinen Pauschalinformationen zu bleiben.

In den nächsten zwei Tagen machte ich mich schlau. Bei der Handwerkskammer erfuhr ich, dass ein Meister einen Stundensatz von etwa 45 Euro hatte, und ein Geselle mit 18 Euro gut bezahlt ist. Da Gerhardt insgesamt 7 Stunden gearbeitet hatte, kam bei seiner Rechnung aber ein Stundensatz von über 78 Euro (550:7) raus. Im Grunde hätte Gerhardt die Arbeit aber nur als Gesellenstück berechnen dürfen, denn Überqualifiziertheit ist für den Stundensatz ohne Belang. Damit war klar, warum er immer nur mit einer Pauschalangabe gearbeitet hatte. Ganz schön dreist. Ich rechnete dann auch die anderen Positionen durch: Schweißbahn mit Doppellage und neuester Technik, Kran-Miete für 1 Stunde, Miete für eingesetztes Gerät und Anfahrpauschale. Außerdem setzte ich für den schnellen Termin einen Express-Zuschlag an. Heraus kam eine Summe von 1.630 Euro.

Damit war klar: Für die geleistete Arbeit würde ich keine 1900 Euro zahlen. Und: Es müsste ein persönliches Gespräch geben. Damit wollte ich verhindern, dass Gerhardt sofort mit einem Anwalt versuchen würde, die Gesamtsumme einzutreiben. Ich rief also 2 Tage später am Abend an und sagte ihm, wir müssten noch mal über die Rechnung sprechen. „Okay, machen wir es doch gleich am Telefon“, sagte er. Aber darauf war ich vorbereitet. Ich wusste, dass ich das ablehnen konnte, ohne ihn in den Widerstand zu treiben; dazu hatten wir doch eine fast schon persönliche Beziehung zueinander. Außerdem wusste ich, dass er die Dinge immer schnell erledigen wollte. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir hier zusammen am Tisch sitzen und die Unterlagen vor uns haben. Den Termin können Sie wählen, ich hab Zeit.“ Wie erwartet, sprang er sofort darauf an. „Gut, ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.“

Ich raste nach oben, um mich schnell umzuziehen, statt Gammelklamotten ein frisches Hemd und mein Jackett. Eigentlich hatte ich ja genügend Zeit, aber ich wusste es besser. Und tatsächlich, nach 10 Minuten, kaum war ich in meine saubere Hose gestiegen, klingelte es. „Das ist aber eine kurze halbe Stunde“, sagte ich. Er meinte nur, er hätte danach noch einen anderen Termin. Wieder hatte er versucht, mich zu überrumpeln und sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns an den Tisch. Ich hatte mich gut vorbereitet, aber mir war auch bewusst, es gab eine Schwachstelle in meiner Argumentation. „Sie sind mit meiner Arbeit nicht zufrieden?“ fing er an. „Nein, das ist es nicht“, sagte ich, „Sie haben sehr gut und schnell gearbeitet. Mich interessiert, wie Sie auf die 1.900 Euro gekommen sind.“ „Das ist ein Pauschalpreis, alles inklusive. So rechne ich immer ab.“ „Ja, verstehe, aber Sie müssen doch irgendeine Basis dafür haben? Bei Ihrem Lohnkosten-Anteil von 550 Euro und 7 Stunden Arbeit komme ich auf einen Stundensatz von über 78 Euro. Ich habe mich bei der Handwerkskammer erkundigt: Ein Dachdeckermeister liegt bei etwa 45 Euro Stundensatz. Außerdem: Das war keine Arbeit, die einen Dachdeckermeister erfordert hätte. Da stimmen Sie mir doch zu, oder?“ „Das ist richtig“, sagte er, „aber Sie haben doch „okay“ gesagt, als ich Ihnen mein Angebot nannte.“ „Das können Sie so sehen, ich kann Sie nicht daran hindern“, erwiderte ich; das war meine Schwachstelle. „Aber mein mehrmals genannter Wunsch nach einem schriftlichen Kostenvoranschlag mit Einzelpositionen hat Ihnen ja gezeigt, dass ich Ihrem Angebot noch nicht definitiv zugestimmt hatte.“ „Sie wollen meine Rechnung nicht bezahlen. Aber ich werde Ihnen keine neue Rechnung ausstellen“.

Jetzt spürte ich, wie er in den Widerstand ging. „Kein Mensch will Ihnen Ihren verdienten Lohn vorenthalten, auch ich nicht. Ich habe Ihnen übrigens schon gestern 1.600 Euro überwiesen. (Das hatte ich tatsächlich.) Nein, mich interessiert einfach, wie Sie zu dieser Kalkulation gekommen sind. Denn ich bin insgesamt inklusive Mehrwertsteuer auf einen Betrag von 1.630 Euro gekommen. Dabei habe ich Ihnen sogar einen Express-Zuschlag zugestanden und den Meister-Stundensatz.“ Pause. Er dachte nach. Dann sagte er mit entwaffnender Offenheit: „Für eine Einzelgarage mit 20 qm nehme ich 950 Euro. Für Ihre Doppelgarage komme ich dann auf das Doppelte.“ Aha, jetzt war es klar. Alles mal 2: die Arbeitszeit, den Kranwagen, die Anfahrpauschale. Ich musste innerlich schmunzeln. Du bist ja ein richtiger Lausebengel, dachte ich. „Verstehe“, sagte ich, „deshalb hatten Sie gleich den Angebotspreis zur Hand; ich meine, als Sie vom Auto zurückkamen.“ „Ja klar“, sagte er, „ich habe nur kurz einige Positionen mit meinem Handy gecheckt.“

Das Gespräch war jetzt auf der Kippe. Mit dem Sachverhalt waren wir durch. Er fühlte sich ziemlich sicher, das merkte ich. Mein anfängliches Okay gab ihm dieses Gefühl. Wenn ich jetzt an den einzelnen Positionen rumgemeckert hätte, wären wir nicht weiter gekommen; im Gegenteil, das Ganze hätte sich verhärtet und wäre vielleicht ganz schnell in die juristische Betrachtung abgerutscht. Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Außerdem hatte ich ihm gerade eben erst gesagt, dass ich ihm kein Geld vorenthalten wollte. Ich musste jetzt das Gespräch in andere Bahnen lenken. Ich sagte deshalb: „Es gibt noch einen anderen Grund, warum ich mich direkt mit Ihnen zusammensetzen wollte. Ich möchte Ihnen einfach sagen, dass Sie mit Ihrer Art, wie Sie auf mich eingegangen sind, bei mir keine Begeisterung geweckt haben, sondern eigentlich das Gegenteil. Trotz meinem Wunsch, ein detailliertes Angebot zu bekommen, haben Sie mich 3x, einmal mündlich und 2x schriftlich, mit einer Pauschal-Info abgespeist. Obwohl ich unvoreingenommen war, hat mich das bereits am Besichtigungstag stutzig und misstrauisch gemacht. Dieser Eindruck, dass Sie nicht ehrlich zu mir gewesen sind, sondern etwas verbergen wollten, hat sich dann bis heute verstärkt. Um es genau zu sagen: Ich habe mich die ganze Zeit von Ihnen über den Tisch gezogen und unter Druck gesetzt gefühlt, auf eine unredliche und unfaire Art. Ich kann nicht glauben, dass das auch zu Ihrer Strategie gehört. Denn das schafft kein Vertrauen beim Kunden.“

Ich war jetzt von den Sachfragen weg auf unsere Beziehung gewechselt. Und hatte ihn sehr persönlich angesprochen. Ganz unaufgeregt und ruhig; denn das war ich unserer Beziehung schuldig. Für meinen Gesprächspartner war das ungewohnt. Äußerlich hielt er sich bravourös und gab sich ziemlich cool, so nach dem Motto ‚Lass den Alten schwätzen, was soll‘s?’ Aber innerlich war er betroffen, das spürte ich. Vielleicht lag es auch daran, er hätte mein Sohn sein können, und im Moment sah er vielleicht mehr einen Vater als einen Kunden in mir.

„Und schließlich habe ich es als unfair empfunden, wie Sie mehrmals versucht haben, mich zu überrumpeln und am Nachdenken zu hindern. Das war am ersten Tag so, und am Morgen Ihres Einsatzes, und es war auch vorhin wieder der Fall, als Sie entgegen unserer Absprache bereits nach 10 Minuten vor der Tür standen.“ Meine Worte beruhten auf Fakten und den Eindruck, den sie bei mir erweckt hatten. Dagegen zu argumentieren, wäre ziemlich schwierig gewesen. Zwei Dinge sah ich ihm an: Erstens, er erwog seine Chancen, erfolgreich eine Gegenposition aufzubauen. Zweitens, ich hatte ihn gerade mit einem Fremdbild über sich konfrontiert, das nun überhaupt nicht mit seinem Selbstbild übereinstimmte. Auch hier gab es Handlungsbedarf. Er entschied sich offensichtlich dafür, etwas für sein Image zu tun. Vielleicht war das für ihn auch der einfachere Weg. „Okay“, sagte er, „was hatten Sie ausgerechnet?“ „1.630 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Ihr Rechnungsgesamtbetrag liegt bei 2.211 Euro.“ „Einigen wir uns auf die Mitte? Also 1.900 Euro inklusive Mehrwertsteuer?“ Da war er wieder, der junge Dachdeckermeister, schnell, handlungsorientiert und gewinnend. Ich hatte noch nicht mal ja gesagt, da streckte er mir über den Tisch schon seine Hand entgegen. „Einverstanden“, sagte ich und schlug ein. Als er aus dem Haus trat, blickte er noch mal zurück und grinste etwas: „Ich schicke Ihnen eine neue Rechnung!“

Wie ich mich durchsetze – immer

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