Читать книгу Wie ich mich durchsetze – immer - Torsten Kemme - Страница 9
Stichwort Beziehung.
ОглавлениеIch hätte natürlich die Art seiner Kalkulation kritisieren können, von den Kosten der Einzelgarage auf die Kosten einer Doppelgarage zu kommen. Aber ich war mir nicht sicher genug, ob ich ihn damit zum Einlenken gebracht hätte. Er musste sich ziemlich sicher gefühlt haben, als er mir seine rechnerischen Überlegungen offenbart hatte. Denn das war ja schon richtig kess. Wenn ich an den Einzelpositionen herumgenörgelt hätte, wäre er möglicherweise in einen Widerstand gegangen, aus dem ich ihn nicht mehr hätte herausholen können. Nein, ich hatte viel größere Chancen, wenn ich ihm sagen würde, dass ich mich unehrlich und unfair behandelt gefühlt hätte. Größere Chancen warum? Na ja, zunächst gibt es einen Überraschungsvorteil. In solchen Gesprächen die Beziehung anzusprechen, ist absolut ungewöhnlich. Normalerweise bleibt man auf den Sachvorgang konzentriert (die Sach-Ebene). Zweitens, nur über diesen Dreh konnte ich bei ihm Betroffenheit erzielen. Wer sich aber betroffen fühlt, fängt an, – er kann gar nicht anders –, seine eigenen Vorstellungen, Überlegungen und Handlungsweisen infrage zu stellen. Für einen Gesinnungswandel zu meinen Gunsten ist das natürlich dann eine gute Voraussetzung.
Die Erfahrung sagt deshalb auch: die Beziehung ist wichtiger als die Sache. Stimmt die Beziehung, kann man jedes Sachproblem lösen. Liegt die Beziehung aber im Argen, gerät man auch bei den einfachsten Sachfragen aneinander. Hier muss dann erst mal wieder die Beziehung in Ordnung gebracht werden, wenn eine gute Zusammenarbeit möglich sein soll. Nach dieser Regel „Beziehung geht vor Inhalt“ habe ich die Thematik im Gespräch bewusst gewechselt. Zu dem Zweck bin ich von der Sachebene auf die Meta-Ebene gegangen. In diesem Zusammenhang heißt das, ich habe, fiktiv gesprochen, von einer übergeordneten Position aus auf die Beziehung zwischen dem Dachdeckermeister und mir geschaut und ihm zurückgemeldet, wie ich diese Beziehung erlebt habe. Die Meta-Ebene ist sehr gut geeignet, um den handelnden Personen die momentane Situation bewusst zu machen und den Zustand einer Beziehung anzusprechen. „Wir reden aneinander vorbei“ oder „Es macht mir richtig Spaß, mit dir zusammenzuarbeiten“, das sind Aussagen auf der Metaebene, sie schaffen Bewusstheit und geben den Beteiligten die Chance, so weiter zu machen oder sich anders zu verhalten.
Mit meiner kritischen Rückmeldung konnte ich dem Dachdeckermeister gleichzeitig signalisieren, was ich eigentlich als Kunde von ihm erwartet hätte: nämlich ein glaubwürdiges Verhalten. Dazu muss ich sagen: Jeder von uns lebt in ständigen Erwartungen an Andere, wie sie sich in ihrer Beziehung zu uns verhalten sollten. Und jeder von uns erlebt immer wieder, wie seine Erwartungen unerfüllt bleiben. Enttäuschungen dieser Art sind also nichts Ungewöhnliches. Ein argumentatives Gewicht bekommen sie nur, wenn ich sie immer wieder über eine längere Zeit erlebe. Das war hier der Fall: Der Dachdeckermeister Gerhardt hat mich gleich bei unserem ersten Zusammentreffen enttäuscht, und dann immer wieder. So entstand eine Historie, die dann meiner kritischen Rückmeldung erst ein größeres Gewicht verlieh.
Schließlich habe ich in diesem Teil des Gesprächs strikt darauf geachtet, Fakten von meiner persönlichen Bewertung zu trennen. Nachweisbare Fakten darf ich durchaus der kritisierten Person zuordnen und vorrechnen, z.B. was sie getan oder unterlassen hat. Wenn ich aber diese Fakten beurteile, dann ist das nur meine persönliche Sicht aus dem eigenen Erleben heraus. Das heißt, meine Beurteilung selbst ist keine unumstößliche allgemein feststellbare Tatsache. Deshalb habe ich im Gespräch immer wieder deutlich gemacht, wie sein Verhalten auf mich gewirkt hat (man spricht hier von sogenannten ‚Ich-Botschaften’); aber ich habe ihn kein einziges Mal persönlich angegriffen (z.B. „Sie sind ein unehrlicher Mensch!“). Das hätte ihn in den absoluten Widerstand getrieben. Aber gegen persönliche Eindrücke lässt sich schwer gegen argumentieren.