Читать книгу Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband) - Uwe Anton - Страница 10

Оглавление

Kapitel 5

Die Zeit läuft zurück

JOURNEE, Bordzeit 15. März 1312 NGZ

Rhodan beugte sich unwillkürlich vor, als wieder ein Zittern durch die JOURNEE ging. Es war wesentlich schwächer als der Ruck, der sie so unvermittelt aus dem Hyperraum geschleudert hatte, fast kaum wahrnehmbar, doch Rhodan flog schon seit annähernd dreitausend Jahren auf Raumschiffen, eine unvorstellbar lange Zeit, und hatte ausreichend Erfahrungen gesammelt.

Manche Wissenschaftler behaupteten, es sei unmöglich, Vibrationen der Schiffszelle zu spüren, oder gar, wie sie sich veränderten, und das Dröhnen der Triebwerke wahrzunehmen, und wie es lauter oder leiser wurde.

Sie mochten Recht haben, zumindest, was die neueren Schiffe betraf, die Wunderwerke der Technik aus den Werften auf Luna oder im Arkon-System. Rhodan hätte ihnen nicht widersprochen, es nicht auf eine Diskussion mit ihnen ankommen lassen. Er akzeptierte ihre Beweisführung. Andererseits jedoch konnten sie ihm erzählen, was sie wollten. Er wusste längst nicht mehr, wie viele Raumschiffe er geflogen oder als Kommandant oder Einsatzleiter befehligt hatte. Waren es Hunderte oder Tausende gewesen? Und er hatte schon immer die Geräusche eines Schiffs deuten können.

Er hatte schon immer Vibrationen gespürt, und er spürte sie auch jetzt. Ein Ruck ging durch die JOURNEE, und die Triebwerke erhöhten auf Zim Novembers Anweisung ihre Leistung, um die Geschwindigkeit zu halten.

Der Emotionaut war nicht nur eins mit dem Schiff, er war das Schiff. »Meine Arme sind sechsfach gestaffelte Paratronschirme oder Prallfelder oder Transformkanonen«, hatte er einmal versucht, Rhodan zu erklären, wie er sich fühlte, wenn er mit Hilfe der SERT-Haube die LEIF ERIKSSON steuerte. »Meine Beine sind Metagrav- oder Protonenstrahl- oder Gravojettriebwerke. Mein Körper besteht aus Hypertropzapfern oder Nugas-Schwarzschild-Reaktoren oder Fusionsreaktoren. Meine Augen sind eine Maxim-Orter-Ringphalanx, meine Ohren SPARTAC-Feldteleskope, meine Nervenenden Tiefenraumsensoren. Ich bin dann nicht mehr ich und gleichzeitig viel mehr als ich.«

Rhodan verdrängte die Erinnerung und konzentrierte sich auf die Gegenwart.

»Etwas versucht, uns aus dem Hyperraum zu drängen«, bestätigte Zim. »Ich kann die Geschwindigkeit nur halten, indem ich den Triebwerken mehr Energie zuführe.«

»Tess?«, fragte Rhodan.

»Hyperphysikalische Ortungen, aber wie zuvor nicht verifizierbar. Da ist etwas, aber ich kann nicht sagen, was.«

»Geschwindigkeit senken auf eine Million Überlicht«, befahl Rhodan.

Einen Augenblick lang glaubte Rhodan, das würde ausreichen. Die Triebwerke arbeiteten plötzlich wieder viel leiser, das Vibrieren des Schiffskörpers wurde schwächer, die JOURNEE schien wie ein Fisch im Wasser geradezu vorwärts zu schnellen.

Dann begann es von neuem. Der Antrieb brummte, und der Schiffskörper vibrierte.

»Tess, Cita«, sagte Rhodan. »Ich brauche dringend mehr Daten. Was hat es mit diesem Phänomen auf sich?«

Die kräftig gebaute Plophoserin zuckte hilflos mit den Achseln. »Ich kann mit keinen neuen Einzelheiten dienen.«

»Könnt ihr nicht einmal feststellen, welche Ausmaße diese hyperphysikalische Anomalie hat?«, fragte Rhodan. »Ist es möglich, sie im Unterlichtflug zu überwinden?«

»Es tut mir Leid«, sagte Tess. »Ich kann die Ausdehnung nicht ermitteln. Von der Stärke einer mehrdimensionalen Störung kann man keinerlei Rückschlüsse auf einen dreidimensionalen Umfang ziehen. Ich kann deine Frage nicht beantworten. Aber aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass die Auswirkung dieses Phänomens sich über einige Lichtwochen, wenn nicht sogar Lichtmonate erstreckt.«

Rhodan nickte düster. Wochen oder Monate ... Wenn sie nur lichtschnell flogen, würde genau diese Zeit vergehen, bis sie die Barriere überwunden hatten und den Überlichtflug fortsetzen konnten.

Aber sie hatten keine Wochen oder gar Monate. Einmal ganz abgesehen von der Lage im Hayok-Sektor, zu dem er so schnell wie möglich zurückkehren musste ...

Kiriaades Bitte um Hilfe hatte dringend geklungen. Rhodan befürchtete, dass in Wochen oder Monaten das unermessliche Leid, das Kiriaade mit seiner Hilfe verhindern wollte, längst über Andromeda hereingebrochen sein würde.

»Erhöhte Alarmbereitschaft«, befahl er. »Alle Posten doppelt besetzen. Technische Abteilung, Bericht über den Zustand der Triebwerke! Haben sich in der letzten Stunde Veränderungen ergeben?«

Bruno Thomkin rief einige Holos auf. »Keine Veränderungen. Die vier Haupt-Metagrav-Triebwerke arbeiten einwandfrei, keine erkennbaren Störungen bei den Neben-Metagravs und den Unterlicht-Triebwerken. Das Grigoroff-Triebwerk ist einsatzbereit.«

»Energieversorgung?« Rhodan stellte die Frage rein rhetorisch. Bei dem kurzen Stopp im Normalraum hatten sie sämtliche Energiespeicher bis zum absoluten Maximum gefüllt.

»Keine Veränderung. Die Energie der Hochleistungs-Gravitrafspeicher im Andockmodul reicht für fünf Etappen von jeweils dreißigtausend Lichtjahren bei einem Überlicht-Faktor von zweihundert Millionen.«

»Danke. Geschwindigkeit auf dreißig Millionen Überlicht erhöhen! Bruno, sorge dafür, dass sämtlichen Triebwerken die erforderliche Energie zur Verfügung steht. Notfalls andere Systeme ausschalten!«

»Verstanden.«

Zim November schien einen Augenblick zu zögern, bevor er den Befehl ausführte. Rhodan lächelte schwach. Wahrscheinlich verstand der junge Emotionaut den Sinn der Anweisung nicht.

Ob sie nun mit einem Überlichtfaktor von zehn oder dreißig Millionen flogen ... Das fremdartige Phänomen, das sie zurückdrängen wollte, schien sich nach kurzer Zeit auf unterschiedliche Geschwindigkeiten einzustellen und den Triebwerken bei gleicher Leistung einen höheren Energieverbrauch abzuverlangen. Und die Zeit schien eine Rolle zu spielen. Je höher der Überlichtfaktor, desto schneller würden sie den Bereich des Phänomens wieder verlassen.

Rhodan schaute auf den Chronometer. Es war kurz vor 15 Uhr Bordzeit.

Er kniff die Augen zusammen. Einen Moment lang schienen die digitalen Ziffern zu erstarren, vier Sekunden lang, fünf Sekunden, bevor sie dann von der 14:57:09 auf die 10 übersprangen.

Er schüttelte den Kopf, als wolle er ihn frei bekommen. 16 ... 17 ... 18 ... Er hatte kurz den Eindruck gehabt, als schien die Zeit selbst zu erstarren, doch offensichtlich hatte er sich getäuscht.

»Die für den Verbleib im Hyperraum notwendige Triebwerkslast steigt beträchtlich«, meldete Zim, »der zum Vortrieb notwendige Energiebetrag ebenfalls.«

»Geschwindigkeit auf vierzig Millionen erhöhen«, befahl Rhodan. Ja, ihnen blieb nicht mehr viel Zeit.

Die Energiegewinnung bereitete ihm Sorgen.

Die Gravitrafspeicher der JOURNEE versorgten sämtliche technischen Systeme an Bord mit Energie. Der Gravitraf sammelte die Hyperenergien, die der neu entwickelte Multi-Hyperzapfer aus dem Hyperraum schöpfte, und speicherte sie in Art einer stehenden Welle. Bei Bedarf wurden diese Wellen dann durch spezielle Energiewandler modifiziert und an die verschiedenen Bordsysteme und das Metagrav-Triebwerk abgegeben. Die Entleerungsrate war dem Energieverbrauch proportional, der Speicher musste daher in bestimmten Abständen wieder aufgeladen werden.

Es war jedoch nicht möglich, während des Hyperraumflugs Energie aus dem übergeordneten Kontinuum abzuzapfen, weder mit dem Hypertron, der die hyperenergetischen Ausstrahlungen einer nahe stehenden Sonne in die Gravitrafspeicher leiten konnte, noch mit dem Hypertrop, der das energiereichere und damit entropieärmere Kontinuum eines anderen Universums anzapfte.

Sie mussten also mit der Energiemenge auskommen, die ihnen zurzeit zur Verfügung stand.

Und das ist mehr als genug, versuchte Rhodan sich zu beruhigen. Aber leise Zweifel blieben.

Ein leises Summen breitete sich in der Zentrale aus. Schwingungen der gewaltigen Energiemengen, die von den Gravitrafspeichern an die Triebwerke weitergeleitet wurden? Rhodan glaubte zu spüren, dass auch die Vibrationen stärker wurden.

Was geschah hier? Bei aller Phantasie konnte er es sich kaum vorstellen. Es hatte den Anschein, dass das Medium Hyperraum an sich, falls man überhaupt davon sprechen konnte, seine Konsistenz veränderte. Er schien irgendwie dichter zu werden, der JOURNEE immer mehr Widerstand entgegenzusetzen. Und der JOURNEE fiel es immer schwerer, sich von diesem Widerstand nicht zurückdrängen zu lassen.

Rhodans Blick fiel wieder auf den Chronometer. 14:58:02 ... 14:58:03 ... 14:58:03 ... 14:58:02 ... 14:58:03 ...

Er fuhr hoch. Diesmal war es keine Täuschung gewesen, da war er sich ganz sicher.

Hier geschah etwas, das er eindeutig nicht verstand. Die Zeit ... Er reagierte sofort. »Auf neunzig Millionen Überlicht gehen! Energiezufuhr sicherstellen!«

Fast alle Gesichter in der Zentrale fuhren zu ihm herum. Auch Zim Novembers Körper erstarrte. Das Gesicht des Emotionauten konnte er unter der SERT-Haube nicht sehen.

Die anderen mochten seinen Befehl nicht verstehen, sich sogar dagegen sträuben, doch die Kommandostrukturen waren eindeutig. Zim beschleunigte die JOURNEE; Rhodan spürte es an den nun für jeden deutlich wahrnehmbaren Vibrationen im Schiffskörper, am Dröhnen der Triebwerke.

»Biist duu siicheer, daass duu weeiißt, waas duu tuust?«, fragte Coa Sebastian. Die Kommandantin war die Einzige, die ihn noch immer betrachtete, die anderen widmeten sich wieder ihren Stationen.

Coas Stimme klang seltsam verzerrt, die Vokale schienen nachzuhallen oder in die Länge gezogen zu werden. »Iiich biiin siiicheeer«, antwortete Rhodan und konnte seine eigenen Worte kaum verstehen.

»Die Triebwerkslast wächst exorbitant, der zum Vortrieb nötige Energiebetrag steigt gegen Unendlich!«

Rhodan schüttelte sich; Bruno Thomkins Stimme klang wieder ganz normal, als wäre der Spuk vorbei.

Aber das war er nicht. Ein heftiger Schlag ließ das Schiff erzittern, und ein blaugrünes Irrlicht huschte aus Rhodans Konsole und raste über den Boden, genau zu Thomkins Station. Ein Blitz zuckte aus ihr hervor, und Rhodan stieg der Geruch von verschmortem Metall in die Nase. »Energieversorgung?«, fragte er.

»Moment, Systemstörung, ich schalte um.«

Der Resident wartete die Antwort gar nicht erst ab. »Die NUG-Schwarzschild-Reaktoren und die Fusionsmeiler zur Unterstützung hochfahren!«

Thomkins Hände flogen über die Konsole; selbst aus dieser Entfernung sah Rhodan, dass Schweißtropfen auf der Stirn des Lunageborenen perlten.

Es lag nicht nur an der Anspannung. In der Zentrale war es merklich wärmer geworden.

»Hochgefahren! Aber ... das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein!«

Das weiß ich selbst, dachte Rhodan. Aber welche Wahl bleibt uns?

Abrupt wurde es heller in der Zentrale. Ein plötzlich materialisierender Energiebogen schlug in seine Konsole ein und verbreitete ein geisterhaftes, bläuliches Licht. Funken sprühten und wurden unnatürlich groß. Wie Elmsfeuer huschten sie weiter und bildeten einen zweiten Bogen, der in Coas Station schlug.

»Achtung«, vernahm Rhodan die unnatürlich tiefe, lang gezogene Stimme Tess Qumishas. »Starke hyperphysikalische Ortung! Auf die JOURNEE überschlagende Energien!«

Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Rhodan hatte das Gefühl, zeitlich eingefroren zu sein. Er wollte den Kopf zum Hologlobus in der Mitte der Zentrale drehen, konnte sich aber nicht bewegen.

Der Hologlobus zeigte die in Falschfarben dargestellte Grigoroff-Blase, die das Schiff umgab. Ihre Feldstruktur drohte zusammenzubrechen; Feldlinien wurden aufgebogen und an anderen Stellen eingebuchtet, und ihre Ausläufer schlugen als Blitze in die Zentrale über und bildeten weitere Lichtbögen. Rhodan stieg der scharfe Geruch von Ozon in die Nase.

Dann ruckte, als hätte er kinetische Energie gespeichert, die nun abrupt freigesetzt wurde, sein Kopf so schnell herum, dass seine Halswirbel knackten.

Der Globus brach zusammen. Ein Lichtbogen schoss aus ihm heraus und in Tess Qumishas Station. Funken stoben; kleine Roboter schwebten heran und löschten, was zu löschen war.

Rhodan glaubte, statt des Hologlobus in der Mitte der Zentrale ein hellrotes Wabern zu sehen, Blasen, die einander überlagerten, sich verschoben und durchdrangen, als wären sie körperlich und gleichzeitig auch nicht. Ihre Bewegungen erstarrten abrupt, nur um dann wieder absonderlich schnell zu beschleunigen.

Die Paralleluniversen des Multiversums, die in den Hyperraum eingebettet sind, dachte er.

Und in alledem sah er einen winzigen schwarzen Punkt, und er wusste, dass es sich dabei um die JOURNEE handelte. Der Spürkreuzer versuchte vergeblich, sich in einem Medium zu bewegen, das sich von Sekunde zu Sekunde stärker verhärtete, das immer undurchdringlicher wurde.

»Wir schaffen es nicht!«, hörte er wie aus weiter Ferne Zim Novembers Stimme. »Ich kann es nicht erklären, doch die Triebwerke laufen mit voller Kraft, bringen uns aber keinen Meter mehr voran. Wir hängen hier fest, und sobald unsere Energie erschöpft ist, werden wir erneut aus dem Hyperraum geworfen!«

Benjameen da Jacinta sah hilflos von Rhodan zu Tess, und wieder zu Rhodan.

Er war kein Hyperphysiker, aber er verstand, worum es ging. Er hatte keine Lösung parat; Zim November war als Emotionaut mit dem Schiff verbunden. So unwahrscheinlich seine Behauptung auch klang, Benjameen zweifelte keine Sekunde an ihrem Wahrheitsgehalt.

Es ist vorbei, dachte er. Unsere Mission ist gescheitert.

Er sah zu Rhodan hinüber. Vielmehr ... er wollte zu Rhodan hinübersehen.

Plötzlich konnte er sich nicht mehr bewegen. Alles, er wie seine Umgebung, schien eingefroren, erstarrt zu sein. In seinen Ohren klingelte der Geruch verbrannten Synthoplasts, auf seiner Zunge lag ein hohes Kreischen, die Nervenenden in seinen Fingerkuppen sahen die Vibrationen, die die JOURNEE immer stärker schwingen ließen, und seine Augen schmeckten das Feuer und die Funken, die aus mehreren Konsolen sprossen.

Er sah zum Bordchronometer. 14:59:12 ... 14:59:11 ... 14:59:10 ...

Die Zeit läuft zurück, dachte er. Und nachdem das Universum seine größte Ausdehnung erreicht hat und sich wieder zusammenzieht, wird das der natürliche Zeitablauf sein, und ich werde aus meinem Grab auferstehen und mich von Tess verabschieden, und irgendwann, nach einem Leben voller Glück, zwanzig Jahre vor meiner Geburt, werde ich sie aus den Augen verlieren und mich allein darauf vorbereiten müssen, in meinen Mutterleib zurückzukehren ...

Dann lief die Zeit wieder vorwärts, und er bekam es wirklich mit der Angst zu tun.

»Die letzten Reserven von Triebwerken und Energie freisetzen«, befahl Rhodan.

Er spielt Vabanque, dachte Benjameen. Die JOURNEE wird entweder den Widerstand überwinden, oder das Schiff wird zerbrechen.

Er wollte eingreifen, als stellvertretender Missionsleiter Rhodan mit Rat und Tat zur Seite stehen, doch er wusste nicht, woher der Resident die Kraft nahm, noch Befehle zu erteilen. Er konnte nicht einmal sprechen, geschweige denn sich noch rühren.

Er sah auf den Chronometer. 14:59:20 ... 14:59:20 ... 14:59:20 ...

Jetzt spürte Benjameen es auch. Irgendwie. Er fragte sich, wieso Zim November nicht den Verstand verlor. Der Emotionaut war eins mit der JOURNEE und musste das Phänomen viel eindringlicher erleben als er.

Zeitstopp, dachte er. Die Zeit läuft zurück. Die Zeit: Auf Gegenkurs. Ich bin nur eine Schachfigur im Zeitspiel. Wir warten auf das letzte Jahr und erleben Zeit ohne Grenzen, zeitlose Zeit, und Perry ist genauso hilflos wie ich, kann damit nicht umgehen, weiß nicht, was er tun soll ...

»Es ist exakt fünfzehn Uhr Terrania-Standard«, vernahm er Rhodans Stimme. »Wir unternehmen den entscheidenden Durchbruchversuch. Zusatztriebwerk einschalten.«

Überrascht schaute Benjameen erneut auf den Chronometer. In der Tat, die Zeit schien ruckartig vorwärts gesprungen zu sein: 15:00:00.

Die Zeit, dachte Ben. Sie verläuft nicht mehr gleichmäßig. Sie springt vor und zurück, bleibt einfach stehen, macht dann einen Ruck ... einen Ruck wie die JOURNEE ...

»Auf die separaten Hochleistungs-Gravitrafspeicher zurückgreifen!«, befahl Rhodan. »Die Energie für eine Etappe zurückhalten, die restliche in die Schiffssysteme leiten!«

Die Speicherfüllung reicht für maximal fünf Etappen bei einem Faktor von zweihundert Millionen, dachte Benjameen. Was hat Rhodan vor?

»Verstanden«, sagten Coa Sebastian und Bruno Thomkin gleichzeitig. Ihre Stimmen hallten, als wären sie von einem doppelten Echo unterlegt.

Benjameen spürte, wie das Triebwerk hochfuhr. Ein Zittern lief durch die JOURNEE, und die Andruckabsorber sprangen kurz ein, um die zu erwartende Beschleunigung zu kompensieren.

Doch diese Beschleunigung blieb aus. Benjameen hatte den Eindruck, dass das Schiff förmlich um jede Lichtsekunde im Hyperraum kämpfte, durch ein Medium, das immer zäher wurde und der JOURNEE immer mehr Widerstand entgegensetzte.

Es gab keine wissenschaftliche Erklärung dafür. Und wenn doch, so beruhte sie auf Erkenntnissen, die sich der terranischen Physik noch entzogen.

»Geschwindigkeit?«, fragte der Resident.

»Konstant bei neunzig Millionen«, erwiderte Zim November. »Aber der Energieverbrauch steigt ins Unermessliche!«

»Überlichtfaktor trotzdem auf zweihundert Millionen erhöhen! Notfalls weitere Bordsysteme abschalten.«

»Zweihundert Millionen?«, vergewisserte sich Zim.

»Höchstgeschwindigkeit!«, bestätigte Rhodan.

Die Triebwerke dröhnten deutlich vernehmbar auf, als der Emotionaut die Anweisung befolgte. Ein heftiges Zittern lief durch die Zentrale; die JOURNEE schien zu bocken wie ein Wildpferd, das unbedingt einen lästigen Reiter abwerfen wollte. Benjameen musste sich an der Konsole festhalten, so stark waren die Erschütterungen.

Der Lärm wurde ohrenbetäubend. Sämtliche Aggregate wurden bis zur obersten Belastungsgrenze hochgefahren. Sie mochten geräuschgedämpft errichtet worden sein, doch jetzt versagte jeder Schallschutz. Und die Resonanzerscheinungen schaukelten sich noch immer hoch. Ben musste an die gefürchtete schwingende Glocke denken, die angeblich schon so manche Raumfahrer um den Verstand gebracht hatte.

Dann explodierte seine Konsole.

Benjameen wurde zurückgeworfen, stürzte hart auf den Boden und blieb einen Moment lang benommen liegen. Seine Hände schmerzen fürchterlich. Er hob sie und sah rohes, rotes Fleisch, auf dem sich schon Blasen bildeten.

Er versuchte sich aufzurichten, doch es gelang ihm nicht. Flüssiges Feuer schien durch die Ellbogen zu schießen, als er sie gegen den Boden drückte. Er schrie leise auf und ließ sich zurückfallen.

Dichte Rauchschwaden nahmen ihm die Sicht. Dann hörte er unter dem Dröhnen der Antriebsaggregate andere Geräusche, ein leises, ziemlich hohes Surren und Summen.

Ein Medorobot flog heran, setzte neben ihm auf und streckte Tentakel nach seinen Händen aus. Er hob die Arme, um es dem Helfer leichter zu machen, ihn medizinisch zu versorgen. Plötzlich umschwirrten ihn weitere Roboter.

Der Rauch wurde dünner. Automatische Absaugvorrichtungen hatten eingesetzt und entfernten ihn aus der Zentrale. Überall prasselte und zischte es; Roboter löschten die Brände.

So unglaublich es ihm vorkam, das Geräuschcrescendo wurde noch lauter. In der Tat schien der gesamte Zentralraum sich in eine Glocke zu verwandeln, deren Schwingungen mit jedem Schlag lauter wurden.

Etwas löste sich krachend aus der Decke und stürzte dicht neben seinem Kopf auf den Boden, ein großer, schwerer Gegenstand. Benjameen wusste nicht, worum es sich handelte, nur, dass er erschlagen worden wäre, wenn das Ding ihn getroffen hätte. Er schrie auf und versuchte, sich auf den Bauch zu drehen, um irgendwie aus der Zentrale zu robben.

Doch wohin? Wahrscheinlich herrschten überall im Schiff ähnliche Zustände.

Die Vibrationen wurden noch stärker. Ben hatte den Eindruck, die JOURNEE würde jeden Augenblick auseinander brechen.

Er gab den sinnlosen Versuch auf. Tess, dachte er, Tess, lebst du noch? Er wollte ihren Namen rufen, bekam jedoch keinen modulierten Ton über die rissigen, aufgesprungenen Lippen, nur hilflose, gutturale Schreie. Noch immer drang Rauch in seine Lungen, drohte ihn zu ersticken.

Wärme steigt doch nach oben, dachte er. Wieso ist es hier auf dem Boden so unerträglich heiß?

Dann hörte er gar nichts mehr, nur noch sein eigenes Gebrüll. Ich muss zu Tess, dachte er, ich muss zu ihr, ich muss ...

Wie vor wenigen Augenblicken die Zeit erstarrt war, schienen nun seine Gedanken zu gefrieren. Etwas hatte sich verändert. Aber was?

Der Rauch war noch da, war aber nun so dünn, dass er leichter atmen konnte. Es war noch immer heiß, aber nicht mehr ganz so unerträglich. Nein, es war ... es war ...

In dem Augenblick, in dem er das Bewusstsein verlor, wurde es ihm klar.

Es war still geworden, völlig still, totenstill, wie in einem Grab. Das Dröhnen der Aggregate, das Schwingen der Glocke hatte abrupt aufgehört.

Etwas war geschehen.

Aber was?

Hatten sie es geschafft, oder war die JOURNEE tatsächlich nur noch ein Grab, in dem jedes Leben erlöschen würde, sobald der letzte Sauerstoff verbraucht war?

Dann wurde es schwarz um ihn.

Hathorjan, an Bord der KHOME TAZ

Der Tod hatte reiche Beute gemacht. Takegath war sehr erfreut.

Und die eigenen Verluste hatten sich mehr als nur in Grenzen gehalten. Die Gy Enäi hatten beim Angriff auf die primitive Kolonialwelt nur einen einzigen aus ihren Reihen verloren. Jeden Tag starben mehr Besatzungsmitglieder der KHOME TAZ, weil ihre körpereigenen Vitalenergiespeicher nicht aufgeladen wurden.

Der Kommandant kannte nicht einmal den Namen des Opfers, das es durch eigene Schuld nicht zurück an Bord geschafft hatte. Der Überfall hatte die Bewohner des Planeten zwar völlig überrascht, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre Gegenwehr vernünftig organisieren würden. Und der gefallene Gy Enäi hatte einfach zu lange an der zerstörten Kuppel ausgeharrt. Irgendwann waren gepanzerte Kampfgleiter gekommen, gegen die selbst ein Kopfjäger der KHOME TAZ keine Chance hatte.

Selbstverständlich hatten sie ihren Gefährten geborgen. Aber nicht mehr rechtzeitig, wie AMBULANZ gerade feststellte.

»Unbrauchbares Material«, sagte die Cyberklinik. »Zu schwere Schäden, um biotechnologische Hilfe zu leisten, von rein medizinischer ganz zu schweigen. Und ich kann nur noch ein paar nachrangige Ersatzteile für mich ausschlachten.« Ihre Stimme klang einerseits unbeteiligt, andererseits aber auch ein wenig ... enttäuscht.

Wie immer, wenn Takegath AMBULANZ betreten musste, verspürte er Unbehagen. In all den Ewigkeiten hatte er nicht gelernt, mit der Cyberklinik umzugehen, und er würde es auch nie lernen, ganz gleich, wie lange er noch leben würde. Sein Unbehagen war sogar so groß, dass er die AMBULANZ der KHOME TAZ seit Jahrtausenden nicht mehr betreten hatte, jedenfalls nicht, um sich von ihr behandeln zu lassen. Er redete sich ein, er habe seine Idealform schon vor Jahrtausenden gefunden und könne sich damit zufrieden geben, doch wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, gestand er sich ein, dass es auch noch einen anderen Grund dafür gab.

Am liebsten hätte er seine Emotionen einfach gänzlich ausgeschaltet, der Taktik-KI die Kontrolle über seinen Körper überlassen, doch er befürchtete, dass AMBULANZ dieses Manöver durchschauen und als Eingeständnis seiner Schwäche bewerten würde. AMBULANZ wusste natürlich, dass er neben seinem organischen Gehirn über diese leistungsstarke Rechnereinheit verfügte und die beiden Gehirne mit seinen beiden Gesichtshälften kreuzweise verschaltet waren. Wenn das biologische Gehirn die Oberhand hatte, bewegte sich nur der rechte, robotische Teil des Kopfes, und zwar mit fast übertrieben starker Mimik. Die linke Seite hingegen blieb vollkommen starr, wie eine Maske. Handelte jedoch die KI des Taktikhirns, blieb das rechte, mechanische Gesicht eingefroren, und nur die natürliche Hälfte regte sich – allerdings emotionslos ruckartig und puppenhaft.

Manchmal fragte Takegath sich, ob AMBULANZ das absichtlich so eingerichtet hatte, um ihn besser durchschauen zu können. Andererseits hatte AMBULANZ es nicht nötig, auf so billige Tricks zurückzugreifen. Sie kannte ihn im wahrsten Sinne des Wortes besser als er selbst. AMBULANZ hatte ihn geschaffen, ihn zu dem gemacht, was er war.

Die Cyberklinik der KHOME TAZ kannte all seine Geheimnisse, er aber nicht ein einziges der ihren. Er vermochte nicht einmal zu sagen, ob es sich bei ihr um eine künstlich-syntronische Existenz oder um eine auch im herkömmlichen Sinn intelligente Lebensform, also eine Person, handelte. Er wusste nur, dass AMBULANZ immer wieder biologische Komponenten in sich integrierte und schon seit undenklichen Zeiten integriert hatte.

Zwei-, dreimal war er dabei gewesen. Er hatte mit eigenen, unbestechlichen Augen gesehen, wie AMBULANZ Gehirne aufgenommen hatte, die zum Zeitpunkt der Assimilation nachweislich noch durchblutet wurden.

Bis auf weiteres ging er also, schon aus reinem Selbstschutz und nicht zuletzt wegen gewisser Eigenheiten in der Kommunikation mit ihr, davon aus, dass die Kliniksektion des Jägerschiffs einen gewissen Charakter besaß. Und zwar nicht den allerbesten ...

So gesehen fügte sie sich wieder hervorragend in die Reihen der Besatzungsmitglieder der KHOME TAZ ein.

Takegath wandte sich von den spärlichen Resten der Leiche ab und verließ die Bordklinik, die sich über mehrere Decks der KHOME TAZ erstreckte. Er war erleichtert, als die aseptische, blitzblanke, metallene Sterilität des Vor- und Sezierraums hinter ihm zurückblieb.

Und wurde sofort zornig, als er Aph Kismati sah. Er musste zweimal hinschauen, um sich zu vergewissern, dass es sich wirklich um ihn handelte.

Zur Zeit bestand er aus einem Mini-Panzer von ellipsenförmigem Grundriss, der etwa 1,20 Meter lang, halb so breit und hoch war und sowohl gravomechanisch als auch mittels Luftkissen schweben konnte, nötigenfalls aber auch Räder und Panzerketten auszubilden imstande war. Die Außenhaut des Unterteils konnte sekundenschnell jede beliebige Farbe und Musterung annehmen, was eine Identifizierung zusätzlich erschwerte.

Aus dieser Wanne wuchs ein Büschel von Dutzenden, ebenfalls farbvariablen, doch meist blassgelben, je etwa ein Zentimeter dicken und bis zu zweieinhalb Meter langen Tentakeln, die ständig in alle Richtungen schwankten, wie die Blätter eines Polypengewächses in sich permanent ändernder Strömung. Diese Greifarme waren als Sinnesorgane, Werkzeuge und Waffen aller Art ausgebildet und extrem widerstandsfähig. Sollte Aph dennoch einen oder mehrere verlieren, wuchsen sie je nach Komplexität innerhalb weniger Sekunden oder Minuten nach. Er konnte auch einen etwa zwei Meter durchmessenden Schutzschirm um sich errichten, doch wurde dadurch die Wirkungsweise mancher Tentakelwaffen eingeschränkt.

Takegaths durchschlagender Erfolg in den Rängen des Gelben Meisters beruhte nicht zuletzt darauf, dass er über die Eigenarten seiner gefährlichsten Konkurrenten genau informiert war.

Und Kismati hatte die Angewohnheit, in jeder freien Minute in der AMBULANZ an sich herumzubasteln. Manchmal vergrößerte sich seine Gestalt von einem Tag zum anderen um das Dreifache – nur, um sich kurz darauf wieder um zwei Drittel zu reduzieren.

»Du hast das Kommando«, fuhr er seinen Stellvertreter an.

Der Waffenmeister der KHOME TAZ antwortete nicht, starrte nur auf Takegaths Gesicht, versuchte anhand irgendeiner Mimik herauszufinden, welche der beiden Hälften sich bewegte, ein gehässiges Grinsen zeigte oder die Werkzeugzähne fletschte. Er hoffte natürlich darauf, das Puppengesicht dominant zu sehen. Die Taktik-KI war, da gefühllos, bei weitem nicht so unberechenbar wie Takegaths eigenes Bewusstsein.

Der Kommandant hatte für seinen Stellvertreter nur Verachtung übrig. Der Gelbe Meister hatte Kismati viel, viel früher als Takegath rekrutiert, doch nun war Takegath Kommandant der KHOME TAZ und nicht Kismati. Diese Schmach hatte der wesentlich Dienstältere niemals überwinden können. Und dass es ihm trotz unzähliger Versuche in all den Jahrhunderten nie gelungen war, Takegath vom Kommandosessel zu stoßen, führte er trotzig nicht auf seine geistige Unterlegenheit zurück, sondern allein darauf, dass es ihm bis jetzt noch nicht gelungen war, sich optimal zu konfigurieren.

In dem Bemühen, sich endlich in die absolut perfekte Kampfmaschine zu verwandeln, hatte Kismati schon so viele Designs ausprobiert, dass niemand mehr wusste, wie er ursprünglich ausgesehen hatte, angeblich nicht einmal er selbst.

Aph Kismati erkannte immerhin, dass das biologische Gehirn die Kontrolle über den Kommandanten hatte. »Ich habe Diwva das Kommando übergeben«, sagte er schnell. »Oder Bahpi. Wer kann das schon sagen ...« Er wandte den Blick ab, als bedauerte er diese Aussage, kaum dass er sie gemacht hatte.

»Du hast das Kommando«, wiederholte Takegath. »Ich kehre jetzt in die Zentrale zurück. Und wenn ich dort eintreffe, will ich dich auf deinem Posten sehen.«

Sein Stellvertreter warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Türen hinüber, die ihm AMBULANZ' Experimentiermöglichkeiten verhießen.

Aber nur einen ganz kurzen.

Dann wandte er sich wortlos um und schwebte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.

Takegath sah ihm nach, wie er auf dem Luftkissen durch den Gang jagte, als habe er den Zorn des Gelben Meisters persönlich erregt.

Der Gelbe Meister, dachte der Kommandant. Beherrscher des Weltalls, der Zeiten und des Hyperraums.

Er war im Erwachen begriffen. Und das war gut so – für Takegath und seine Kopfjäger an Bord der KHOME TAZ, aber nicht für die Intelligenzen dieser unbedeutenden Sterneninsel namens Hathorjan. Doch das interessierte Takegath herzlich wenig.

Wichtig war nur, dass in Hathorjan offensichtlich alles wie geplant verlief. Sie holten sich sogar schon primitive Intelligenzen, die sich nur in einer Hinsicht auszeichneten. Und die nicht einmal ahnten, welche Gnade ihnen widerfuhr.

Trotzdem war Takegath alles andere als beruhigt oder gar zufrieden. Dafür schwebte noch zu viel im Ungewissen. Trotz der trügerischen Ruhe blieb er lieber wachsam, misstrauisch, auf alles vorbereitet.

Natürlich war die Übernahme der Herrschaft durch den Gelben Meister vorgezeichnet. Doch es kam auf die Umstände an. Es würde noch Wochen dauern, bis der Schattenspiegel ganz Hathorjan wiedergeben würde. Und bis das geschah, wäre es ein fataler Fehler, sich allzu sicher zu wähnen.

Erwarte stets das Unerwartete.

Wichtig war vor allem, dass die Übernahme der Herrschaft schnell vonstatten ging. Denn das Überleben der Mannschaft der KHOME TAZ hing vom baldigen Erwachen des Gelben Meisters ab. Und die Lage wurde immer prekärer.

Andererseits waren Takegath und seine Mannschaft die einzigen Diener des Gelben Meisters in Hathorjan, die unabhängig vom Schattenspiegel agierten.

Sie alle waren Mischlinge aus biologischem Organismus und Maschine, Kopfjäger aus allen Zeiten und Galaxien, die allein das Schicksal in der KHOME TAZ zusammengeführt hatte – und die Gewalt des Gelben Meisters. Der Gelbe Meister hatte ihnen im Tausch gegen ihre ewigen Dienste zwar die Unsterblichkeit geschenkt, doch er hatte sie mit einer zeitlichen Begrenzung versehen.

Wenn es ihnen nicht bald gelang, ihre körpereigenen Vitalenergiespeicher aufzuladen, würden sie den endgültigen Triumph nicht mehr miterleben.

Umso mehr lag Takegath daran, dass in Hathorjan alles nach Plan verlief. Auch er spürte den Entzug. Und er wusste, wie es um seine Mannschaft stand.

Aber er würde sie alle überleben, sie alle. Er allein besaß das psionisch aufgeladene De'Ro'Collo, das den körperlichen Verfall verzögerte.

Seine Füße hatten den Weg in die Zentrale von selbst gefunden. Er kannte sich in der KHOME TAZ blind aus. Wen wunderte das, nach all diesen Jahrtausenden?

Unsterblichkeit ... nie hätte er auch nur von ihr zu träumen gewagt, als er mit einer primitiven chemischen Rakete als erster seines Volkes zum Nachbarplaneten vorgestoßen war. Er hatte das Tor zu den Sternen gefunden – und später das zum ewigen Leben. Doch der Preis ... einen kurzen Augenblick lang dachte er an Inahin, dann gelang es ihm, den Gedanken an den Bruder wieder zu verdrängen.

Wie lange war das jetzt her?

Er betrat die Zentrale und sah sich um. Aph Kismati schwebte hinter seiner Station. Er hatte den Befehl also befolgt.

Diwva und Bahpi bemannten die Ortungsstation. Eigentlich hätte nur eine von ihnen Dienst tun müssen, aber die beiden waren unzertrennlich. Überall, sogar im breiten Bett seiner Kabine, was ihm immer wieder doppelte Freude und Erleichterung verschaffte.

Seine organische Gesichtshälfte entspannte sich unwillkürlich, als er sie sah. Man konnte sie praktisch nicht auseinander halten. Takegath hätte fast sogar gelächelt, als er daran dachte, welche Gerüchte über sie in der KHOME TAZ schwirrten. Waren sie nun Zwillinge, die man praktisch nicht unterscheiden konnte, oder doch Klone, die er lediglich zur Steigerung seines rein persönlichen Vergnügens in doppelter Ausfertigung geschaffen hatte?

Diwva war die Cheforterin, Bahpi deren Stellvertreterin. Auch er konnte sie kaum voneinander unterscheiden, zumindest nicht, wenn er sich nur an Äußerlichkeiten orientierte. Etwas anderes war es, wenn sie ihm und sich Befriedigung verschafften. Bei diesen Spielen zeigten sie völlig unterschiedlich ausgeprägte Vorlieben und Neigungen, was seinen Genuss noch vergrößerte. Er musste auf nichts verzichten, wenn er mit ihnen zusammen war.

Beide verstanden ihr Handwerk gleichermaßen gut. So spielte es eigentlich keine Rolle, wer von ihnen die Ortungsstation bemannte, und er wusste, dass die eine sich der Mannschaft gegenüber gelegentlich als die andere ausgab, und umgekehrt. Aber diese kleine Schelmerei gönnte er ihnen.

Als sie ihn erblickten, fuhren sie zu ihm herum. Ihre Bewegungen waren unglaublich geschmeidig und so ästhetisch, dass sie ihn schon wieder erregten.

Auch das war so ein Gerücht, das immer wieder aufkam. Beide waren knapp einen Meter und neunzig groß, schlank, und sahen in seinen Augen sehr gut aus. Kein Wunder, schließlich waren sie ja auch eigens dazu aufgerüstet worden, ihm zu gefallen. Dass sie Produkte kosmetischer Chirurgie waren, war für jeden ersichtlich. Doch äußerlich waren an ihnen keinerlei kybernetische Zusätze zu erkennen.

Ein anderes Gerücht bezog sich auf ihre Schnelligkeit und artistische Körperbeherrschung. Die Mannschaftsmitglieder fragten sich, ob die beiden sich mit Reaktionsbeschleuniger-Systemen und diversen anderen Zusatzmodulen aufgerüstet hatten.

Takegath lächelte verächtlich. Derlei offensichtliche Mutmaßungen ignorierte er. Hellhörig wurde er hingegen, wenn Besatzungsmitglieder über etwas munkelten, das sie eigentlich nicht einmal erahnen konnten.

Über Modifikationen in Diwvas und Bahpis Genitalbereich zum Beispiel, oder, dass der Kommandant bei ihnen jederzeit per Funkverbindung ein beliebiges Charakterbild aus einer Fülle von gespeicherten Persönlichkeits-Matrizen abrufen konnte.

Er vermutete, dass AMBULANZ dahintersteckte, wenn solche Gerüchte aufkamen, die der Wahrheit entsprachen oder ihr doch sehr nahe kamen, aber er konnte es nicht beweisen. Er konnte sich jedoch durchaus vorstellen, dass die Krankenstation gegen ihn agierte, ja sogar intrigierte, allein schon, um ihm heimzuzahlen, dass er sich nicht mehr von ihr optimieren ließ.

Takegath ging zu seiner Station, hob die Sicherheitssperren auf und aktivierte alle Funktionen. »Meldungen?«, fragte er in die Zentrale.

»Keine, Kommandant«, erwiderten Diwva und Bahpi wie aus einem Mund. »Alle relevanten Systeme der KHOME TAZ sind aktiv. Wir haben keine verdächtigen Anzeichen gleich welcher Art entdeckt.«

»Ausgezeichnet«, sagte Takegath. »Alles scheint nach wie vor problemlos zu verlaufen. Wir werden keine Störung dulden.«

Das diktierte schon ihr Lebenswille. Je früher der Gelbe Meister erwachte, desto besser. Jede Beeinträchtigung seiner Pläne bedingte, dass ihre Vitalenergiespeicher noch später aufgeladen wurden. Also mussten sie alles verhindern, was zu Verzögerungen führen konnte, nach wie vor, am besten schon im Ansatz ersticken.

»Eine Ortung!«, rief Aph Kismati plötzlich. »Die Instrumente registrieren eine Störung im Aufbau der sich soeben manifestierenden Barriere rings um Hathorjan.«

Takegath forderte die Daten an und betrachtete sie auf seiner Konsole.

Eine dreidimensionale Bildprojektion zeigte die Galaxie, die der Gelbe Meister zu der seinen machen wollte, und darum eine durchsichtige Schale, an manchen Stellen dicker, an anderen dünner, an manchen schon weitgehend geschlossen, an anderen noch löchrig und brüchig. Und an genau solch einer Lokalität war die Störung aufgetreten.

»Einzelheiten?«, fragte Takegath.

Sein Stellvertreter wedelte hilflos mit zwei, drei Dutzend blassgelben Tentakeln. »Aus dieser Entfernung nicht auszumachen!«

»Kurs auf die Störung nehmen!«, befahl der Kommandant. »Wer oder was auch immer da versucht, in die Struktur einzugreifen, hat hiermit verspielt ...«

Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband)

Подняться наверх