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Kapitel 3

Die Befreiung des Herzens

JOURNEE, Bordzeit 15. März 1312 NGZ

Und wieder schienen ihre Nerven zu explodieren.

Tess glaubte, jede einzelne Nervenzelle ihres Körpers spüren zu können. Mit wohligem Schaudern dachte sie an das Ameisenheer, das über ihre Haut lief. Millionen winziger, elektrisierender Wellen, die sich in einem behaglichen Krampf entluden.

Ihre Brustwarzen waren ganz hart geworden, und selbst in ihren Zehenspitzen kitzelte die Lust nach, wie ein Echo ihres Höhepunkts.

Tess ließ sich ermattet auf das Bett zurückfallen und spürte, wie Benjameens Atem über ihren Nacken rieselte. Jede seiner Berührungen löste in ihr weitere Explosionen aus.

Warum ist es immer so schnell vorbei?, dachte sie.

Sie erinnerte sich an Benjameens zarte Küsse auf ihren Schenkeln und lächelte. Wo war nur die Zeit geblieben? Gerade eben hatten sie erst ihre Kabine betreten und sich sofort in einer leidenschaftlichen Umarmung auf das Bett fallen lassen. Norman hatte die Situation richtig eingeschätzt und sogar auf seinen Begrüßungströter verzichtet.

Benjameens Hände streichelten über ihren Rücken, und sofort bildete sich wieder eine lustvolle Gänsehaut.

Sie drehte sich zu ihm um. Eng umschlungen lagen sie da und sahen sich in die Augen. Sie erkannte in den seinen die Spiegelung der tiefen Liebe, die sie für ihn empfand. Ihre nass geschwitzten Körper suchten sehnsüchtig die Nähe des anderen. Ihr Herz klopfte heftig, bis zu den Ohren spürte sie ihren Puls.

Können zwei Menschen ... können wir einander näher sein als in diesem Moment?

Tess schloss die Augen und spürte seine Lippen auf dem Hals. Sie streckte die Arme aus. Noch immer hallte die Lust in ihr nach. Das Kribbeln ihrer Haut ließ sie leise lachen. Benjameens liebevolle Berührungen riefen immer wieder neue wohlige Schauer in ihrem Körper hervor.

Ein Augenblick, der eine Ewigkeit dauern sollte.

Langsam entspannten sich ihre Muskeln, die vom Liebesspiel angestrengt, ja fast verkrampft waren. Sie hätte eigentlich völlig erschöpft sein müssen, genoss aber trotzdem, was nun kam. Seine Befriedigung war auch die ihre. Dann stöhnte Benjameen leise auf.

Ein Teil von ihm ist jetzt in mir. Seine Lust hat sich entladen, und ich spüre es in meinem Körper.

In ihrem Körper. Doch sie durfte sich keine falschen Hoffnungen machen. Sein Samen ging vergeblich auf die Suche nach einer Eizelle.

Es gab keine Eizellen. Es würde sie nie geben. Nicht in ihrem Körper.

Benjameen schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er nahm die Arme von ihrem Körper und streichelte ihr Gesicht.

Ich kann ihm keine Kinder schenken, dachte sie. Er könnte Kinder haben. Mit einer anderen Frau ...

Vielleicht war das auch nur zu einer fixen Idee bei ihr geworden. Aber sie war überzeugt, dass Benjameen gern Kinder hätte. Er leidet darunter, mit mir keine haben zu können. Er hat es nie gesagt, aber ich weiß es. So schön, und doch so sinnlos.

Tess atmete tief durch. Sie hasste sich für diese Gedanken, die nicht nur ihre Lust zerstörten, sondern auch dieses unglaublich schöne Gefühl, das die Lust erst erzeugt hatte.

Ich kann Benjameen keine Kinder schenken. Benjameen könnte Kinder haben. Mit einer anderen Frau ...

Sie musste sich zusammenreißen, so nah waren die Tränen. Ihre Augen brannten schon. Aber seine Nähe tröstete sie, sein Verständnis machte es ihr leichter.

Vielleicht gab es ja doch eine Lösung. Sie wusste nur nicht, ob sie die Kraft dazu hatte. Die erforderliche Toleranz. Ob die Eifersucht ihr Leben nicht zur Hölle machen würde.

Was, wenn ... wenn er unbedingt Kinder haben wollte, und mit ihr konnte er keine bekommen ... was, wenn sie ihm ... wenn sie ihm diesbezüglich einfach freie Hand ließ?

Sie liebte ihn! Und wenn das sein sehnlichster Wunsch war ...

Aber konnte sie es ertragen, dass er dieses einzigartige Gefühl, Erlebnis, was auch immer, nicht nur mit ihr teilte, sondern auch mit einer anderen?

Konnte sie es ertragen, dass er sich in einer anderen Frau entlud und diese Frau vielleicht den gleichen Genuss verspürte wie bei ihr?

Konnte sie es ertragen?

Oder sollten sie auf eine künstliche Befruchtung zurückgreifen? Sollte sie eine ihrer Zellen manipulieren und sich in die Gebärmutter einpflanzen lassen? Oder gar eine künstliche Gebärmutter benutzen? Nein, das Kind wäre ihr dann auch irgendwie ... künstlich vorgekommen.

Sie atmete tief durch, legte den Kopf auf seine Brust und wollte einfach an nichts mehr denken. Benjameens Herz schlug gleichmäßig an ihrem Ohr. Seine Haut duftete herbsüß, schien sie förmlich zu locken, ihre Lippen, ihre Zunge über sie gleiten zu lassen.

Ich liebe ihn, und ich begehre seinen Körper. So kann es für die Ewigkeit bleiben.

In diesem Augenblick ging der Ruck durch das Schiff – und durch sie.

Ungläubig riss sie die Augen auf.

Nein, dachte sie, das kann nicht sein. Es ist einfach unmöglich.

Sie meinte zweierlei damit. Einerseits das, was gerade in ihr geschehen war. Andererseits das, was mit dem Schiff geschehen war. Waren etwa die Andruckabsorber ausgefallen?

Und doch war es so. Sie spürte die Veränderung in ihrem Körper ganz genau. In diesem Sekundenbruchteil war sie sich völlig sicher.

»Benjameen«, flüsterte sie. »Benjameen, ich ...«

Das plötzliche Aufjaulen der Alarmsirene ließ sie verstummen. »Alle Offiziere in die Zentrale«, dröhnte Coa Sebastians Stimme durch ihre Kabine.

Tess warf einen Blick zu Norman hinüber, der in seinem Körbchen neben dem Doppelbett aufgeschreckt war. »Du bleibst hier in der Kabine!«, schärfte sie dem Klonelefanten ein. Dann sprang sie auf und suchte nach ihrer Kleidung, und Benjameen fluchte leise auf Arkonidisch und suchte nach der seinen, und Norman trötete so kläglich, dass er die Sinnlosigkeit seines Unterfangens selbst einsah und sofort wieder verstummte.

In der Zentrale der JOURNEE, mit 14 Metern Durchmesser und sechs Metern Höhe immerhin ein Rund von Ballsaalgröße, schien hektisches Chaos zu herrschen, doch Tess wusste genau, dass dieser Eindruck täuschte.

Vier der sieben hufeisenförmigen, zur Mitte der Zentrale hin geschlossenen Missionsstationen waren besetzt. Rhodan stand in der Station der Einsatzleitung und betrachtete den Haupthologlobus im Zentrum des Raums. Normalerweise gestand man ihm einen Durchmesser von zweieinhalb Metern zu, doch jetzt, in dieser offensichtlichen Krisensituation, hatte man ihn auf die maximale Ausdehnung von vier Metern vergrößert.

Die leuchtende Kugel setzte sich aus zahlreichen Einzelfacetten zusammen und bot jeder Missionsstation andere Bilder und Datenblöcke.

Neun Tage, dachte Tess. Neun Tage lang verläuft die Reise fast ereignislos, und nun das ...

Coa Sebastian hatte die Kommandostation bemannt und rief mit schnellen, sicheren Bewegungen immer neue Daten auf, die der Hologlobus gestochen scharf darstellte, teilweise aufbereitete und in Bilder umsetzte.

Zim November saß in der Station der SERT-Steuerung. Die Haube bedeckte den Großteil seines Gesichts, sie konnte nur das Kinn sehen. Der Emotionaut schien es trotzig vorgestreckt zu haben. Auch seine Körpersprache zeugte von gewaltiger Anspannung. Normalerweise saß er ganz locker in seinem Sessel, doch jetzt wirkte er sprungbereit, wie ein Tier, das im nächsten Augenblick zur Flucht ansetzen würde.

Zumindest zur geistigen. Tess vermutete, dass er sich bereit hielt, die JOURNEE beim geringsten Anzeichen von Gefahr von hier fortzubringen.

Auch die Station Funk/Ortung war besetzt. Cita Aringa untersuchte schnell, aber mit akribischer Genauigkeit die nähere Umgebung des Schiffes. Die Plophoserin schien vier Ortungsgeräte gleichzeitig zu bedienen, die Blicke ihrer hellgrauen Augen verweilten nie länger als Sekundenbruchteile auf den Anzeigen.

Tess hatte die Wissenschaftliche Leitung der Mission inne, ihr Platz war die Wissenschaftsstation. Sie lief hinüber und aktivierte alle Geräte. »Was ist passiert?«

»Einen Augenblick«, sagte Rhodan. Sie schaute ihn an. Er hob eine Hand, wandte den Blick aber nicht von den Daten in dem Hologlobus.

Zischend öffnete sich das Zentralenschott, und Bruno Thomkin und Vorua Zaruk stürmten herein.

Der Lunageborene und die Epsalerin hätten unterschiedlicher nicht sein können. Thomkin war über einsneunzig groß, dürr und hoch aufgeschossen, Zaruk mit einer Größe von anderthalb Metern und einer Schulterbreite von knapp einem Meter und vierzig fast so breit wie hoch. Hätte Tess nicht gewusst, dass es sich bei ihr um eine Frau handelte, hätte sie es nicht bemerkt. Die sekundären Geschlechtsmerkmale der Umweltangepassten waren kaum ausgeprägt.

Beide nahmen ihre Stationen ein, Bruno Thomkin die für Technik und Antrieb, die Epsalerin die der Waffenkontrolle.

Dann öffnete sich das Schott erneut – und Tess wäre am liebsten im Boden versunken. »O nein«, flüsterte sie. »Das darf doch nicht wahr sein!«

Bi Natham Sariocc konzentrierte sich auf sich selbst. Sein Blick glitt über den Schrein, den er in seiner Kabine errichtet hatte. Er war alles andere als luxuriös. Bi hatte ein Tuch über ein schon vorhandenes Möbelstück gelegt. Darauf brannte eine Kerze in einem Ständer, und neben ihm verbreitete ein abglimmendes Räucherstäbchen in einem kleinen, tropfenförmigen Halter aus echtem Messing mit drei winzigen Füßen seinen durchdringenden Duft. Der schwache Rauch kringelte sich um eine kleine Buddhafigur und zog dann weiter zu einem Strauß getrockneter Blumen und einer Muschel, die davor lag.

Etwas Schönes, das Leben ausdrückt und Tod.

Bi nahm den Gedanken wahr wie das Plätschern eines Baches, aber er lenkte ihn trotzdem ab. Bi versuchte, ihn loszulassen ...

Die Uhr tickte. Ihr altmodischer, ja geradezu anachronistischer Zeiger sprang vor.

...und sich einen guten Freund, eine gute Freundin zu vergegenwärtigen. Ja, Cherity Durvall, Hyperphysikerin wie er, am Terrania Institute of Technology. Sie hatte eine ganz andere Laufbahn als er eingeschlagen, doch sie standen auch jetzt noch, drei Jahrzehnte nach Abschluss seines Studiums, miteinander in Verbindung.

Möge sie glücklich und zufrieden leben.

Der dünne Rauchfaden stieg hoch zum Rad der Lehre, das über dem Schrein hing. Es hatte acht Speichen, war handtellergroß, aus Kunststoff und mit Stoffbändern umwickelt, deren Enden lose als Schmuck hinabhingen.

Der Edle Achtfache Pfad, der zur Leidenserlöschung führt ...

Bi atmete tief ein und wieder aus, ein und aus, schloss die Augen und spürte ein paar Minuten lang dem Heben und Senken seiner Bauchdecke nach ...

Der Zeiger der Uhr sprang zurück.

... und vergegenwärtigte sich eine Person, die ihm völlig gleichgültig war, für die er keinerlei ausgeprägte Gefühle hegte, weder positive noch negative. Eine Mitarbeiterin der Bibliothek des Terrania Institutes of Technology ... Er wusste gar nicht, weshalb sie dort in diesem riesigen Saal saß. Wer irgendwelche Fragen hatte, konnte sich direkt an die Syntronik der Bibliothek wenden ...

Möge sie glücklich und zufrieden leben.

Bi seufzte.

Der Zeiger der Uhr sprang vor. Und wieder zurück.

Dann konzentrierte er sich auf eine schwierige, ja gar feindselige Person. Physikprofessor Lernet Pranka. Er war damals um die achtzig Jahre alt gewesen, groß und schlank, und hatte unter seiner hohen Stirn eine strenge Miene zur Schau getragen. Und genau so autoritär und unerbittlich, wie er wirkte, war er auch gewesen. Er hatte einst als Student unzählige Semester Hyperphysik absolviert, ohne je einen Abschluss zu schaffen, hatten sie damals gemunkelt, aber das konnte nicht stimmen. Sonst hätte er als Professor am Terrania Institute of Technology Bi nicht das Leben zur Hölle machen können.

Möge er glücklich und zufrieden leben.

Vor und zurück. Und wieder vor und zurück.

Bi stellte sich nun alle vier Personen, sich selbst und die drei anderen, in einem Kreis um sich herum vor und versuchte, für alle in gleicher Weise metta zu entwickeln, so dass er für keine weniger liebende Güte, Wohlwollen und Freundlichkeit empfand als für eine andere. Und er erlaubte der metta, sich immer mehr und in alle Richtungen auszudehnen, bis sie die gesamte Welt umfasste: die kleinen Tiere auf seiner Haut und in seiner Bettwäsche, die Terraner und Epsaler und Arkoniden und all die anderen Lebewesen sonst, welche die JOURNEE mit ihm teilten, große und kleine, gute und weniger gute, sämtliche Wesen in sämtlichen Raumschiffen, die gerade den Hyperraum durcheilten, sämtliche Wesen in sämtlichen Galaxien dieses Universums.

Mögen alle Wesen glücklich sein!

Und die Uhr tickte und tickte, mit einem altmodischen, anachronistischen Zeiger, und der Zeiger sprang in einem asynchronen Rhythmus immer wieder vor und zurück ...

Bi atmete tief aus, öffnete die Augen und erhob sich aus dem Lotussitz.

Normalerweise saß er auf einem Stuhl vor dem Schrein. Meditierende mussten auf ihre Kniegelenke achten, aufpassen, dass sie keine Krampfadern bekamen, und mit fast sechzig Jahren spürte Bi Natham Sariocc die ersten Folgen seiner langjährigen Meditationspraxis bereits, obwohl er nebenbei noch Yoga betrieb.

Aber heute hatte er sich besonders viel abverlangen wollen. Er hatte bereits vor Beginn der Meditation geahnt, ja befürchtet, dass es ihm schwer fallen würde, sich zu konzentrieren.

Bei der fünften Phase hatte er völlig versagt. Es lag an der Uhr.

An der Uhr, die vor seinem inneren Augen unentwegt tickte, deren altmodischer Zeiger immer wieder vor und zurück sprang.

Lag es wirklich an der Uhr? War sie nicht nur ein Bild für etwas, das er noch nicht entschlüsselt hatte? Das in seinem Unterbewusstsein darauf wartete, endlich freigelegt und vom Licht der Erkenntnis erhellt zu werden?

Und wieso sah er sie ständig vor seinem geistigen Auge?

Aber es half alles nichts, er hatte metta nicht entwickeln können, jenes starke Gefühl der Zuneigung oder Liebe, wie man es für einen sehr guten Freund empfand. Doch der Bewusstseinszustand, den er durch die Meditation erreichen wollte, ging weit darüber hinaus und beschränkte sich nicht nur auf einen oder wenige Menschen, sondern schloss alle Menschen, ja sogar alle Lebewesen in einem machtvollen Gefühl umfassender, starker Freundlichkeit und Liebe ein.

Bi Natham Sariocc war praktizierender Buddhist. In jungen Jahren hatte er einmal über eine Ordination nachgedacht, sich sogar danach erkundigt, doch dann war er auf der weltlichen Seite geblieben.

Sariocc lächelte leicht. Praktizierender Buddhist. Damit drückte er aus, dass der Buddhismus nicht nur der religiöse Glaube war, in den er hineingeboren war, sondern er versuchte, Dharma zu befolgen, die Lehren des Buddha, das Leben eines Menschen zu führen, der sich von diesen Lehren angesprochen fühlte.

Der Sinn meines Lebens, dachte Bi. Die Überwindung des Leidens und damit auch der Wiedergeburt – die er allerdings keineswegs für tröstlich hielt – durch die fortwährende Entwicklung von Achtsamkeit und Mitgefühl, also durch die Übung von Meditation, Reflexion und rechtem Handeln.

Er wollte liebende Güte, Wohlwollen und Freundlichkeit für seine gesamte Umwelt, doch er war Realist genug, um zu wissen, dass sein Wille allein nicht genügte, einen idealen Zustand zu erreichen.

Der Weg war das Ziel.

Und er hatte den Eindruck, dass der Weg genau in diesem Augenblick unterbrochen worden war. Von einer fremden Macht, von einem Naturphänomen, von etwas, das er nicht einmal ansatzweise verstand, aber das ihn zur Seite drängte, als sei sein Wille, sein Bemühen, seine Ernsthaftigkeit nicht mehr als ein Blatt, das der Sturm vom Baum gerissen hatte und nun ziellos hin und her wirbelte.

Er war ziellos. Er hatte jeden Richtungssinn, jedes Orientierungsvermögen, jedes Ruhen in sich verloren.

Dieser Zustand war nicht normal.

Bi blickte in den Spiegel, der an der Wand gegenüber der hing, vor der er den Schrein errichtet hatte.

Das Bild, das er sah, betrübte ihn.

Seine Augen kamen ihm verschleiert vor. Sehr ungewöhnlich für einen Buddhisten. Die Anhänger dieser Religion hatten ausnahmslos, von einer schlechten Tagesform einmal abgesehen, sehr klare, strahlende Augen.

Ich habe es noch nicht überwunden, dachte er. Das, was mir den Blick trübt, trage ich noch mit mir herum.

Er schloss die verschleierten Augen. Sofort sah er wieder die Uhr.

Ihr altmodischer Zeiger sprang vor und zurück, vor und zurück.

Er öffnete die Augen wieder.

Die Uhr ließ ihn nicht los. Sie verhinderte, dass er sich konzentrieren, meditieren konnte. Es war sinnlos, es zu verleugnen.

Seine Wahrnehmung hatte sich verändert. Vielleicht versuchte sein Unterbewusstsein, ihm mit diesem Bild etwas zu verraten, ihn auf eine Spur zu bringen. Vielleicht war es aber auch etwas ganz anderes.

Wie dem auch sein mochte – hier in seiner Kabine würde er keine Ruhe und Ausgeglichenheit finden, die er dringend brauchte, um die selbstgestellte Aufgabe lösen zu können. Die Befreiung des Herzens musste noch etwas warten, wie so oft.

Oder fast immer.

In diesem Augenblick gellte das Jaulen der Alarmsirene durch das Schiff.

Für Norman gestaltete es sich äußerst schwierig, Benjameen und Tess in die Hauptzentrale zu folgen. Nicht nur seine kurzen Beine, sondern auch der hin und her pendelnde Rüssel waren ihm mehr als einmal hinderlich.

Normalerweise war er sehr geschickt mit seinem Rüssel, aber das Geräusch des Alarms hatte ihn aus seinen Träumen gerissen. Schlaftrunken war er gegen Benjameen gestoßen, der deshalb fast gestürzt wäre.

Der kleine Klonelefant fand sich plötzlich im Getümmel etlicher Beine wieder, was ihm nicht gerade half, sich zu orientieren.

Er vermisste die vertraute Umgebung des Quartiers, das er sich mit Benjameen und Tess teilte. Norman hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, in seinem Körbchen still vor sich hin zu dösen, während die beiden Dosenöffner auf ihrem Bett lagen. Allzu oft hatte man ihn nämlich des Raumes verwiesen und in diese kalte Hygienezelle gesperrt, wenn er sich allzu hartnäckig mit schrägen Trompetenstößen bemerkbar machte. Tess gab ihm dann zwar immer einen Leckerbissen zum Trost, aber er lag lieber auf seinem flauschigen Kissen als in einer Dusche.

Die technische Welt der Zweibeiner war ihm sowieso nicht geheuer. Zwischen all den merkwürdigen Gerüchen versuchte er, den vertrauten Duft von Benjameen oder Tess auszumachen.

Niemand achtete auf ihn, wie er vergeblich seinen Rüssel vor Stößen und Remplern zu schützen suchte. In dem Gang war es zu eng, und die Hektik war groß. Der Alarm hatte das eintönige Bordleben auf Trab gebracht.

Diese Betriebsamkeit war ihm unheimlich. Keiner, der sich zu ihm hinabbeugte und ihn am Ohr kraulte. Niemand sprach ihn an oder hielt ihm einen Leckerbissen hin.

Solch eine Ignoranz war er nicht gewöhnt. Traurig ließ er die Ohren hängen. Und seine beiden Menschen waren auch verschwunden.

Allmählich überkam ihn ein Gefühl der Verlassenheit. Zwischen all den umherstampfenden Beinen, dem Stimmengewirr und Piepsen von irgendwelchen positronischen oder sonstigen Geräten fühlte er sich einsam. Wäre doch nur Tess hier, sie würde ihn in sein Körbchen bringen, zu seinem Flauschkissen, auf das er sich legen konnte.

Sein Spürsinn ließ ihn im Stich, er war einfach zu erregt. Tess' und Benjameens Verschwinden hatte ihn verwirrt. Es half nichts, er musste sich bemerkbar machen.

Mit aller Kraft stieß er Luft durch seinen Rüssel. Das Geräusch, das er dabei erzeugte, erinnerte an den Klang eines verrosteten Jagdhorns, das der Jäger auf seinem Hochstand liegen gelassen hatte und nach Jahren im Regen wieder benutzte. Es ging durch Mark und Bein.

»Ach, der Arme, hat sich wohl verlaufen.« Eine junge Frau beugte sich zu ihm hinab und kraulte ihn am Ohr. Endlich. Wäre er eine Katze, würde er jetzt schnurren.

Das Gefühl der Verlassenheit hatte er schon vergessen, die vielen Stöße und Rempler auch. Er folgte der jungen Frau durch das Schott, das sich für ihn nicht öffnete, das, das in die so genannte Hauptzentrale führte. Und er freute sich, als er Tess und Ben sah, und brachte dieses Gefühl mit einem kläglichen Trompetenstoß zum Ausdruck.

Die Gesichter der Anwesenden wandten sich ihm zu. In ihnen stand Entsetzen über den soeben erlittenen Anschlag auf ihr Gehör geschrieben.

Stolz marschierte Norman zu Tess, rieb sich an ihrem Bein und sah sie erwartungsfroh an.

»Wie schön, jetzt sind alle wichtigen Offiziere mit besonderen Kommandofunktionen anwesend. Führen wir die Situationsanalyse fort.«

Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband)

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