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Kapitel 5

Perry Rhodan fiel auf, dass so viele mehr oder weniger stark beschädigte Raumschiffe Ka-Tygo erreicht hatten. Unter anderen Umständen hätten bei ihm die Alarmglocken geschrillt, hätte er vermutet, dass die Gegner versuchten, Truppen einzuschleusen. Doch zum einen griffen die Unbekannten völlig offen an, zum anderen ging die hohe Zahl havarierter Schiffe auf die gegnerischen Intervallkanonen zurück. Die Zerstörungskraft, auf kurze Distanzen und im Gefecht verheerend, verlor mit wachsender Entfernung an Durchschlagskraft und wurde zunehmend zielungenau. Hinzu kam die begrenzte Feuerfrequenz der schweren Geschütze. Treffer auf Distanzen von über 30 Lichtsekunden hinweg bedeuteten also keineswegs den Untergang des angegriffenen Raumschiffs, sondern erlaubten in der Vielzahl der Fälle noch eine Flucht durch den Hyperraum. Bestes Beispiel dafür war die ILKIN, der nur eine Beschleunigung aus eigenen Mitteln nicht mehr möglich gewesen war. Die Entscheidung, noch während der Schlacht um Cyrdan alle Aggregate abzuschalten und sich quasi tot zu stellen, war die einzig richtige gewesen.

Der Raumhafen machte einen tristen Eindruck. Kilometerlange Hallenkomplexe ebenso wie unüberschaubare Halden aus Schrott und Erzen, aber auch Berge von verfaulenden Pflanzen verrieten, dass in diesem Bereich noch vor kurzem ein großes Frachtaufkommen abgefertigt worden war. Die eintreffenden Flüchtlingsraumer hatten alle Arbeiten zum Erliegen gebracht.

Das der ILKIN zugewiesene Landefeld lag an der nördlichen Peripherie des Raumhafens, weitab aller Abfertigungsgebäude. Endlich wurden auch auf dem Raumhafen starke Fesselfeldprojektoren aktiv. Sie stabilisierten den Frachter in der letzten und entscheidenden Phase des Anflugs.

Nur noch fünf Kilometer Höhe. In der Direktbeobachtung war zu sehen, dass die ILKIN die Landebeine ausfuhr.

Bodenkontakt. Der Frachter baute alles andere als eine weiche Landung. Zwei der turmdicken Beine brachen seitlich weg, doch dann unterstützte der Antigrav die Stabilisierung des Schiffes.

Perry Rhodan nickte knapp. »Das war keine Meisterleistung, aber sie sind heil unten. Mehr durften wir nicht erwarten.«

300 Meter vom Frachter entfernt setzte die JOURNEE auf ihren energetischen Landefeldern auf.

Rhodan fuhr sich mit den Händen in den Nacken und zog die Finger massierend nach vorn. Dann erhob er sich, nickte dem rechts von ihm sitzenden Chef der Technik zu und ging hinüber zu Coa Sebastian. Das Hauptholo war auf den größten Durchmesser von vier Meter erweitert worden und zeigte die unmittelbare Umgebung. Der Terraner ließ kurz den Eindruck der beschädigten Schiffe auf sich wirken. Er kniff die Augen zusammen, und über der Nasenwurzel entstanden mehrere steile Falten. Er wirkte nachdenklich und gequält zugleich.

»Das hier ist nur die Spitze des Eisbergs«, sagte er. »Wir wissen weder, wer die Fremden sind, noch von wo sie kommen. Aber sie können sehr schnell auch für die Milchstraße zur Gefahr werden.«

Zim November, dessen hufeisenförmige Arbeitsstation hinter der Kommandokonsole lag, ließ die SERT-Haube in die Höhe gleiten. »Ich werde momentan wohl nicht mehr benötigt«, sagte der junge Emotionaut verhalten. »Lieber helfe ich auf der ILKIN, die Verletzten von Bord zu schaffen.«

Rhodan lächelte wissend. »Erlaubnis erteilt. Richte Raye Corona aus ...«

»Ja?« Zim versteifte sich. Nur das Leuchten in seinen Augen verriet seine schwer zu bezähmende Sehnsucht.

»Ich habe zugesagt, die Verletzten in die örtlichen Hospitäler zu transportieren. Danach bleiben euch genau dreißig Minuten für eine Verabschiedung. Reicht das?«

Der Emotionaut riss die Augen auf. Zugleich verfärbte er sich; eine verlegene Röte überzog seine Wangen. »Das ... Ich meine ...« Ausgerechnet er, der als Einziger in der Lage war, die JOURNEE mit der Kraft seiner Gedanken zu steuern, reagierte plötzlich wie ein pubertierender Junge.

»Die Ärztin wird ohnehin wenig Zeit haben«, fügte Rhodan hinzu.

»Danke«, stieß Zim endlich hervor. Er hatte es eilig, die Zentrale zu verlassen, und war Augenblicke später im Antigravschacht verschwunden.

»Musste das wirklich sein?«, fragte die Kommandantin verhalten. »Wir brauchen einen Emotionauten, auf den wir uns in jeder Situation verlassen können, keinen verliebten ...« Offenbar fand sie den richtigen Ausdruck nicht.

»... Gockel«, half Rhodan aus.

Coa Sebastian zog die Stirn kraus, fragte aber nicht nach der Bedeutung dieses Wortes. »... keinen verliebten Piloten, der nur eines im Sinn hat.«

»Kann es sein, dass du Zim unterschätzt?«, wollte Rhodan wissen. »Der Junge hat mein volles Vertrauen.«

»Seine Fähigkeiten zweifle ich nicht an«, erwiderte die Kommandantin. »Wahrscheinlich wird er einer von den ganz großen Emotionauten, über den man noch in Jahrhunderten spricht. Es wäre nur bedauerlich, würde eine Liebesaffäre seine Karriere behindern.«

Rhodan kannte Coa Sebastian nicht anders als fachlich höchst kompetent, in menschlicher Hinsicht aber kühl und zurückhaltend. Das Kommando über die JOURNEE verdankte sie ausschließlich ihrer Befähigung und vielleicht gerade dieser Kühle, die sie in jeder Situation Ruhe bewahren ließ. Von der Besatzung wurde sie als Vorgesetzte respektiert, ins Privatleben aber nicht mit einbezogen.

Rhodan wechselte deshalb abrupt das Thema. »So lange die Zeitbarriere besteht, werden wir keine Unterstützung aus der Milchstraße erhalten. Wir wissen nicht, was uns erwartet, aber die Überfälle der Kastuns müssen schnellstmöglich aufhören. Also bin ich für alles dankbar, was die Besatzung motiviert.«

Das nur von einem wenige hundert Meter hohen Wall umgebene Areal des Raumhafens durchmaß knapp 15 Kilometer, die nächste Stadt befand sich rund 30 Kilometer südlich davon entfernt.

Über Normalfunk waren die örtlichen Behörden informiert worden, wie es an Bord des Frachters aussah und dass Hunderte von Verletzten auf Behandlung warteten. Etliche der Schwerstverletzten waren in ein künstliches Koma versetzt worden und mussten dringend operiert werden. Kurz nach der Landung waren sechs Medogleiter erschienen, doch hätte es einer viel höheren Anzahl von Rettungsfahrzeugen bedurft, um wirkliche Entlastung zu schaffen.

Aller Hangars und Schleusen des Raumfrachters standen mittlerweile offen; das Schiff wurde mit planetarer Atmosphäre geflutet. Noch während des Abtransports der ersten Schwerstverletzten landeten unter der Bodenschleuse des 600 Meter durchmessenden Kugelraumers Lasten-Antigravplattformen. Der Ausbau zerstörter Antriebsaggregate wurde ebenfalls unter Hochdruck betrieben. Doch selbst eine industrialisierte Welt wie Ka-Tygo war nicht darauf vorbereitet, für Hunderte großer Raumer geeignete Landeplätze zur Verfügung zu stellen. Deshalb wurden Reparaturen schnellstmöglich ausgeführt und die betreffenden Raumer in einen stabilen Orbit geschickt, um dem nicht enden wollenden Zustrom neuer Opfer der zerstörungswütigen Kastun-Kriegsschiffe aufnehmen zu können.

Die JOURNEE hatte mehrere Space-Jets als Beiboote an Bord. Perry Rhodan setzte die diskusförmigen Schiffe ein, um die Flüchtlinge aus dem Frachter in ihre neuen Quartiere zu bringen. Gemeinsam mit mehr als der Hälfte seiner Crew beteiligte er sich an der Evakuierung.

Die meisten Tefroder an Bord des Frachters waren am Ende ihrer Kräfte angelangt. Ihnen standen die Strapazen – vor allem die durchlittenen Schrecken und das Entsetzen über den Untergang ihrer Heimatwelt – in die Gesichter geschrieben. Rhodan kannte solch menschliches Leid zur Genüge. Familien waren auseinander gerissen worden und würden nie wieder zueinander finden. Kinder schrien nach ihren Eltern, Mütter und Väter irrten wie in Trance, aber mit der verzweifelten Hoffnung, wenigstens einen Angehörigen zu finden, durch das endlose Labyrinth des Frachters.

Manche wehrten sich dagegen, das Schiff zu verlassen. Für sie war die stickige Enge des Frachters zur letzten Zuflucht geworden, eine Hoffnung, an die sie sich mit letzter Kraft klammerten. Alles jenseits der schützenden Stahlwände setzten sie mit der Kälte des Todes gleich.

Perry Rhodan begleitete die Transportflüge. Die nahe Metropole zählte eineinhalb Millionen Bewohner und verfügte über bestens ausgestattete Kliniken. Jedoch hatten sie nie einen derartigen Ansturm Hilfsbedürftiger bewältigen müssen, wie in diesen Tagen. Während die Medoroboter rund um die Uhr Patienten betreuten und in den Operationssälen Assistenz leisteten, arbeiteten die Mediziner selbst bis zur Erschöpfung. Die Anlagen für Fernoperationen konnten nicht genutzt werden, weil nicht genügend Mediker zur Verfügung standen. Es herrschte Notstand.

Rhodan sah eines der Hospitäler und wusste, dass es nirgends auf Ka-Tygo anders aussah. Überfüllte Zimmer, auf den Korridoren Antigravliegen mit den leichteren Fällen. Wo immer die Aussicht bestand, Gliedmaßen zum Nachwachsen anzuregen, wurde auf langwierige Operationen verzichtet und amputiert. Psycho-Narkose versetzte schwere Fälle in eine Scheinwelt, in der Gegenreaktionen des Körpers so weit wie möglich unterbunden wurden.

Es mochte Zufall sein, dass Rhodan in einem der Klinik-Korridore der jungen tefrodischen Medizinerin begegnete. Er selbst hätte sie nicht einmal bemerkt, denn sie trat hinter ihm aus einem der Operationssäle, doch Raye Corona schloss schnell zu ihm auf. »Perry!«

Als er sich zu ihr umdrehte, fragte sie erwartungsvoll: »Ist Zim auch hier?«

»Ich glaube, er sucht dich noch auf der ILKIN. Momentan herrscht ein heilloses Durcheinander.«

Raye Corona nickte schwach. Der auf ihren linken Handrücken aufgeklebte Bildchip meldete sich mit einem grellen Blinken. Raye wechselte einige Worte mit einem unsichtbar bleibenden Gesprächspartner und hob dann erschöpft die Schultern. »Tut mir Leid, Perry, ich werde zur nächsten Operation gerufen. Falls Zim mich sehen will ...« Den Rest ließ sie offen und hastete weiter.

Rhodans stummes Nicken sah sie schon nicht mehr.

Wenig war von ihrer besonnenen, ruhigen Art geblieben. Ihr gehetzter Blick verriet dem Terraner, unter welchen Druck sie sich setzte. Die derzeitige Situation war aber auch alles andere als normal. Die Völker Andromedas würden sehr viel enger zusammenrücken müssen, als dies bislang der Fall gewesen war, wollten sie der unheimlichen Invasion widerstehen. Immer und zu allen Zeiten hatten Individuen ihr eigenes Wohl hinter das ihres Volkes gestellt.

Rhodan hoffte, dass die Invasoren Ka-Tygo verschonten. Ihr Ziel schien nicht mehr und nicht weniger als die vollständige Unterwerfung Andromedas zu sein.

Seine Gedanken schweiften zurück in die Jahre 2400 bis 2406 alter Zeitrechnung. Der Sprung der solaren Menschheit in die benachbarte Galaxis hatte etwas unglaublich Faszinierendes gehabt und war vom Kontakt mit immer neuen Lebensformen begleitet worden. Rhodan dachte an die gewaltigen Sonnentransmitter, die Andromeda und die Milchstraße miteinander verbunden hatten, an die anfangs erbitterten Auseinandersetzungen mit den Maahks und an herausragende Persönlichkeiten wie den Cheyenne-Indianer Don Redhorse. All das war längst Geschichte und nur der Beginn des wagemutigen Griffs nach den Sternen. Die Erbfeindschaft mit den Methanatmern war längst beigelegt und einer von gegenseitiger Achtung geprägten neuen Qualität gewichen.

Wehmütige Erinnerungen an seine zweite Frau Mory Rhodan-Abro und an die Geburt ihrer Zwillinge Suzan und Michael wurden wach. Er, Rhodan, war bei der Niederkunft mehr als zwei Millionen Lichtjahre entfernt gewesen, weil die Auseinandersetzungen um die Befreiung Andromedas ihren Höhepunkt erreicht hatten. Längst war es zu spät, Mory um Verständnis zu bitten. Vor allem die potenzielle Unsterblichkeit, die ihm der in die Schulter implantierte Aktivatorchip verlieh, hatte manche innere Bindung zur Romanze degradiert. Es fiel ihm immer noch schwer, mitansehen zu müssen, wie Freunde alterten, während er selbst jugendlich blieb. Aber das war ein Preis, den nicht nur er zahlen musste. Gerade deshalb hatte Perry Rhodan Verständnis für die sich anbahnende Liebe zwischen Zim November und der tefrodischen Medikerin.

Als er wieder an Bord der Space-Jet ging, um zur ILKIN zurückzufliegen, versuchte er über Armbandkom, den Emotionauten zu erreichen. Zim November hatte sich einem Technikertrupp angeschlossen, der das Überlicht-Triebwerk des Frachters für den Austausch vorbereitete. Sein »Danke, dann weiß ich endlich Bescheid!«, klang unerwartet knapp.

Fünfeinhalb Stunden lang pendelten Medogleiter und Space-Jets zwischen dem Frachter und mehreren Kliniken. Den Einsatz einer effektiveren Transmitterstrecke hatte die planetare Verwaltung mit dem Hinweis auf verräterische hyperenergetische Emissionen untersagt. Angesichts der galaxisweit sprunghaft gestiegenen Zahl von Überfällen und dem Auftauchen größerer Verbände der »brennenden Schiffe« bedeutete dieses Versteckspiel zwar keine vollkommene Sicherheit, beruhigte aber ein wenig die bloßliegenden Nerven.

An Bord der ILKIN hatten Reinigungsroboter begonnen, die Hinterlassenschaften der Flüchtlinge zu beseitigen. Viel zu wenig sanitäre Einrichtungen hatten zur Verfügung gestanden. Zugleich trafen neue Materiallieferungen ein. Die Reparaturarbeiten würden gut eineinhalb Wochen in Anspruch nehmen.

400 Meter hoch lag das Hangarschott, von dem aus der Terraner seinen Blick über den Raumhafen bis hin zur fernen, im Dunst versinkenden Silhouette der Stadt schweifen ließ. Er stand am äußeren Rand der durch einen mannshohen Prallschirm gesicherten Einflugöffnung. Die JOURNEE lag weit unter ihm; aus der Höhe wirkte sie wie ein zerbrechliches Spielzeug und die leere Modulbucht wie eine in den Rumpf eingekerbte, weit klaffende Wunde.

In spätestens zwei Stunden würde der Spürkreuzers wieder starten. Chemtenz, die ständige Vertretung der Liga Freier Terraner in Andromeda, war das nächste Ziel auf der Liste seiner Prioritäten. Die erste Space-Jet schleuste soeben wieder in die JOURNEE ein.

Zögernd wandte sich der Terraner um. Er würde auch noch den letzten Krankentransport begleiten, einfach, um nicht untätig abwarten zu müssen. Ohne die Möglichkeit, Hyperfunkkontakte aufzubauen, fühlte er sich auf Ka-Tygo isoliert.

Die letzten Antigravtragen mit Verwundeten wurden im Frachtraum seiner Space-Jet verankert. Rhodan wollte gerade ebenfalls an Bord gehen, als hinter ihm hastige Schritte erklangen. Zim November lief quer durch den Hangar. Augenblicke später standen sie sich in der Bodenschleuse gegenüber. Der Emotionaut war sichtlich außer Atem.

»Ich habe eben erst gehört ...«

»Schon gut«, sagte Perry Rhodan, »wir fliegen zum letzten Mal die Klinik an, in der Raye Dienst tut. Wenn du dich persönlich verabschieden willst ...«

Zim November nickte lächelnd.

In diesem Moment heulte die Sirene auf. Die Schwingungen wurden körperlich spürbar. Das bedeutete Raumalarm!

Perry Rhodan und Zim November betraten Augenblicke später die kleine Zentrale der Space-Jet.

»Starts und Landungen sind untersagt!«, empfing sie der Pilot. »Da kommt was Dickes auf uns zu.«

Auf den Bildschirmen war zu sehen, dass die ILKIN ihren Schutzschirm aktiviert hatte. Auch die JOURNEE und ein Großteil der Flüchtlingsraumer hüllten sich in Paratrons.

Ein fernes, grelles Leuchten erschien am Himmel, weit im Süden und im ersten Moment nur mit den Optiken zu erfassen. Doch es schwoll gedankenschnell an und überstrahlte sogar das Licht der beiden Sonnen.

Mit aberwitziger Geschwindigkeit näherte sich der Feuerball der Stadt und dem Raumhafen. Es war zu spät, irgendetwas gegen die Bedrohung zu unternehmen.

»Mein Gott«, flüsterte der Emotionaut tonlos. Die Hände ineinander verkrampft, starrte er auf den Hauptbildschirm, auf dem das eben noch ferne Leuchten zu einem sich aufblähenden Glutball wuchs. Ein gewaltiger Feuerschweif durchschnitt die Atmosphäre. »Wenn das Ding die Stadt trifft ...«

Das Glosen zerplatzte und teilte sich in ein halbes Dutzend unterschiedlich großer Fragmente.

Im Funkempfang überschlugen sich die Meldungen. Ein Frachter stürzte nach verheerenden Explosionen der Umformerbänke ab.

Abwehrgeschütze feuerten. Eines der Fragmente zerstob in einem Funkenregen.

Brodelnde Schwärze folgte dem Feuerschein, dichter, schwerer Rauch, der sich wie ein Leichentuch ausbreitete. Die Glut füllte die Bildschirme aus. Selbst Perry Rhodan versteifte sich in Erwartung des vernichtenden Einschlags.

Die brennenden Wrackteile rasten über die Stadt hinweg ... höchstens noch zwei Kilometer über den Raumhafen ... und schlugen in geringer Distanz im offenen Gelände auf. Ein Hitzeorkan folgte, der alles mit sich riss, was nicht niet- und nagelfest war. Auf den Bildschirmen sah Rhodan Tefroder wie Puppen über die Piste wirbeln.

Einn einzigen Atemzug lang herrschte beklemmende Stille. Dann übertrugen die Außenmikrofone das infernalische Heulen und Krachen der Einschläge. Zehn Kilometer nordwestlich stiegen Explosionswolken auf. Blutig rot, vermischt mit aufgewirbeltem Erdreich und Gestein, fraß sich das Fanal in den Himmel.

Schaurig heulten die Sirenen.

»Wer immer an Bord war, Gott sei ihrer Seele gnädig«, sagte Rhodan.

Eine Jäger-Staffel raste über den Raumhafen hinweg und verschwand zwischen den Wolkenpilzen, doch helfen konnte niemand mehr.

Erst Minuten später verließ die Space-Jet den Hangar der ILKIN. Die Atmosphäre war aufgewühlt, die Schwärze über den Absturzorten der Wrackteile breitete sich weiter aus. Die Wetterkontrolle konnte die entstehenden Gewitter nicht eindämmen; heftige Entladungen tobten zwischen den dichter werdenden Wolkenbänken.

»So ein Unfall kann sich jederzeit wiederholen«, sagte Zim November niedergeschlagen. »Ich bitte dich« – tief atmete er ein und schaute Perry Rhodan forschend an –, »Raye Corona an Bord zu nehmen.«

»Das wird wohl nicht möglich sein«, antwortete der Resident.

»Vielleicht brauchen wir zusätzliches medizinisches Personal.« Zim redete hastiger. »Außerdem ist sie als Tefroderin besser mit den herrschenden Gegebenheiten vertraut als jeder von uns.«

»Darum geht es nicht«, wehrte Rhodan ab. »Du solltest sie selbst fragen, Zim.«

Die Space-Jet schwebte über der Klinik ein. Es schien, als hätte die Millionenmetropole nach dem Absturz den Atem angehalten. Die Katastrophe lähmte das öffentliche Leben und hatte endgültig klar gemacht, wie nah Hoffnung und Verzweiflung beieinander lagen. Die letzten Generationen kannten keinen Krieg mehr, doch soeben hatte er sie eingeholt.

Im Gegensatz zu dem Bild auf den Straßen und Plätzen herrschte in der Klinik quirlige Hektik. Zim identifizierte sich an einem Info-Terminal und ließ sich erklären, wo er Raye Corona finden konnte. Hastig bahnte er sich einen Weg durch die überfüllte Eingangshalle. Inmitten des scheinbaren Chaos gab es dennoch ein System, das den unverändert starken Patientenzustrom kanalisierte.

Perry Rhodan folgte dem Emotionauten mit einiger Distanz. Er glaubte zu wissen, was Zim empfand, kannte diese innere Zerrissenheit zwischen Pflichtgefühl und eigenen Wünschen. Gegebenenfalls würde er eingreifen und die Sache klären.

Als er in der geschlossenen Liftkabine in die Höhe getragen wurde, entstand Kiriaades Abbild vor seinem inneren Auge. Einen Sekundenbruchteil lang vermochte er nicht zu erkennen, ob ihm die überirdisch schöne Frau wirklich erneut erschienen war. Seit sie ihn zum ersten Mal zu Hilfe gerufen hatte, konnte er sie nicht mehr aus seinen Gedanken verdrängen.

Wer war Kiriaade wirklich? Eine Tefroderin?

Die Kabinenwand löste sich auf. Rhodan trat hinaus in eine mehrere hundert Quadratmeter umfassende installierte Erholungslandschaft. Dieser eine Schritt trug ihn in eine völlig andere Welt. Die sauerstoffreiche Atmosphäre war angereichert mit belebenden Aromen. Vogelstimmen übten eine beruhigende Wirkung aus, und moosartiger Bodenbewuchs dämpfte seine Schritte.

Transparente Säulen ragten inmitten der üppigen Pflanzenpracht auf. Es waren einige Dutzend, und milchige Schleier wogten in ihnen. Erst aus der Nähe erkannte Rhodan, dass Menschen in den Säulen schwebten ... aufrecht und ohne Bodenkontakt, während die Nebel sie umschmeichelten und von äußeren Einflüssen abschirmten.

Eine der Säulen schimmerte wie ihre Umgebung in mattem Grün. Ein Teil der Rundung hatte sich zurückgeschoben und nach Abschluss der Regenerationsphase Raye Corona den Weg freigegeben.

Sie stand dicht vor Zim. Ihre Körper berührten sich fast. Die linke Hand legte sie auf seine Schulter, mit dem Rücken der rechten strich sie sanft über seine Wange. Rhodan konnte nicht verstehen, was sie sagte. Er hielt sich bewusst auf Distanz. Zim sollte gar nicht erst das Gefühl bekommen, überwacht zu werden.

Raye schüttelte den Kopf. Zim redete auf sie ein und wollte sie an sich ziehen, doch mit einem heftigen Ruck löste sie sich aus seinem Griff. Einen Moment lang dachte Rhodan, die Ärztin wolle davonlaufen. Aber dann wandte sie sich nach nur zwei Schritten wieder um.

Sie streckte Zim die Hand entgegen, doch er reagierte trotzig. Erneut machte die Tefroderin eine Geste der Verneinung. Dann griff sie nach ihm und umarmte ihn. Die Lippen der beiden fanden sich zu einem hektischen Kuss, wie bei zwei sich Liebenden, die auf einmal wussten, dass sie einander für lange Zeit nicht mehr sehen würden.

Als Perry Rhodan sich gerade zurückziehen wollte, entdeckte ihn der Emotionaut.

»Perry!«, rief der Junge. »Warte!« Er fasste Raye an der Hand, und sie liefen Rhodan hinterher. »Ich verstehe deine Besorgnis. Nicht Einzelschicksale zählen, sondern die Freiheit und das Glück an sich. Wir haben uns eben verabschiedet. Raye hat ihre Pflichten zu erfüllen, und ich die meinen. Aber ganz egal, was geschieht, wir werden einander wiedersehen, das wissen wir beide.«

Sein Arm lag um Rayes Taille, und als er sie erneut an sich zog und seine Lippen sanft ihre Wange berührten, schimmerte es feucht in den Augen der Tefroderin.

»Die Sterne leuchten auch am Tag, nur musst du sie mit dem Herzen sehen, nicht mit den Augen«, sagte die junge Ärztin betont. »Das ist wohl eine der schönsten Textzeilen Lasky Batys. Schon jetzt ist es ein geflügeltes Wort meiner Heimat. Selbst wenn Andromeda im Chaos versinkt, unsere Wege werden sich ein weiteres Mal kreuzen. Weil wir es so wollen.«

Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband)

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