Читать книгу Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband) - Uwe Anton - Страница 22
ОглавлениеKapitel 4
Ka-Tygo lag rund 2000 Lichtjahre über der Hauptebene von Andromeda, im Außenbereich des zur Milchstraße weisenden Spiralarms, und nicht einmal weit von jener Position entfernt, an der die JOURNEE die Zeitsperre durchbrochen hatte. Es war der dritte von sieben Planeten eines Doppelstern-Systems, das aus einem roten Riesen und einem solähnlichen gelben Normalstern bestand.
Der Rücksturzpunkt des Spürkreuzers und seiner »Fracht« lag zwischen den Umlaufbahnen der beiden äußeren Welten. Aus Sicherheitsgründen hatte Perry Rhodan davon abgesehen, die Ankunft der ILKIN über Funk zu avisieren.
Mit halber Lichtgeschwindigkeit drang die JOURNEE in das System ein. Aus verschiedenen Richtungen wurde sie geortet, doch blieb eine Aufforderung zur Identifizierung aus.
Rhodan schüttelte den Kopf. »Das geht mir zu einfach. Keine Systemverteidigung, keine Aufforderung zu stoppen ... Ich will wissen, was hier gespielt wird. Cita, schnellstens die Scanprofile aller Planeten!« Mittels Blickschaltung aktivierte er die Interkomverbindung zur ILKIN, die während beider Überlichtetappen unterbrochen gewesen war. Ein bislang unbekanntes Gesicht blickte ihm vom Bildschirm entgegen.
»Die Kommandantin befindet sich seit gut zehn Minuten im Hauptladeraum auf Deck acht«, eröffnete der junge Mann. »Sie sagte, hier könne sie ohnehin nichts unternehmen, und dort sei ihre Anwesenheit wichtiger.« Er grinste breit und schürzte die Lippen. »Du bist Rhodan, nicht wahr? Irgendwie habe ich mir einen Unsterblichen ...« Er schwieg plötzlich und kratzte sich verlegen hinter dem Ohr.
»Was?«, wollte Rhodan wissen. »... anders vorgestellt?«
Der Mann nickte zögernd. »Älter«, meinte er lapidar.
»Du weißt, wie alt ich bin?«
Ein Achselzucken war die einzige Antwort.
»Geboren wurde ich am 8. Juni 1936 auf Terra.« Der Blick des Mannes blieb unschlüssig. »Nach alter Zeitrechnung«, fügte Rhodan hinzu, womit sein Gegenüber immer noch wenig anfangen konnte.
Das war der Tribut, den jeder Aktivatorträger der Zeit zollen musste. Wie hatte er nur annehmen können, dass jeder die Geschichte kannte? 2962 Jahre waren kein Pappenstiel. Und bereits die Gründung des ehemaligen Solaren Imperiums war für die heutige Generation gleichbedeutend mit antiker Geschichte. Für Andromeda galt das noch in viel stärkerem Ausmaß. Die Tefroder interessierten sich eher für die noch weiter zurückliegenden Epochen, für das lemurische Sternenreich, von dem sie in gerader Linie abstammten, aber weniger für Terra. Hypnoschulungs-Programme und andere Medien wurden zwar im Rahmen eines steten Kulturaustauschs geliefert, doch die Verwendung dieses Materials blieb dem Virth von Tefrod überlassen.
Der junge Mann nickte leicht verlegen. »Wenigstens kann ich meinen Nachkommen eines Tages erzählen, dass ich dem Mann gegenüber stand, der mehr als jeder andere galaktische Geschichte schrieb.«
»Wie alt bist du?«
»Ist das nicht relativ?«, kam die überraschte Gegenfrage.
»Vielleicht. Außerdem kenne ich noch nicht einmal deinen Namen.«
»Neunzehn«, erklang es stockend.
Rhodan legte die Stirn in Falten. Bevor er nachfragen konnte, stieß sein Gegenüber hastig hervor: »Ich heiße Hadur Meyhet. Neunzehn ist mein Alter, neunzehn Tefrod-Jahre. Allerdings weiß ich nicht, welche Zeitspanne das für Terra ...«
»Ein Tag auf Tefrod dauert 25,2 Standardstunden«, erklärte Rhodan spontan und erntete dafür einen überraschten Augenaufschlag. »Ein Jahr hat 394,29 Tage.«
»Das weißt du ohne Datenbank?«, fragte der junge Mann ungläubig. »Ich meine, nach so langer Zeit muss ein menschliches Gehirn doch überquellen.«
Rhodan sah die abweisende Miene von Coa Sebastian und lachte prompt. »Seit wann gehörst du zur Besatzung des Frachters, Hadur?«
»Gar nicht«, lautete die Antwort. »Die Kommandantin hat mich auf diesen Platz gesetzt, weil ich ihr ... weil ich ... Ich war eben ziemlich aufgeregt wegen der Geburt, und da hat sie gemeint, ich sollte lieber hier auf den Interkom aufpassen.«
»Eine Geburt«, wiederholte Rhodan überrascht. »Wenn das zur Abwechslung keine bessere Nachricht ist als Leid und Tod. Du machst das schon, Hadur. Richte Laretha Mongath aus ... Ach, das sage ich ihr später selbst.« Damit unterbrach er die Verbindung.
»Wir sind nicht die Einzigen«, warf Coa Sebastian in diesem Augenblick neben ihm ein. »Die Ortung hat fünf andere Raumer erfasst, die antriebslos den inneren Planeten entgegenfallen.«
»Was für Schiffe?«, fragte Perry Rhodan.
Die Kommandantin schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ich fürchte, die sind noch schlechter dran als die ILKIN. Keine Schirmfelder, die Energieemissionen beschränken sich auf die Lebenserhaltungssysteme, kein Funkverkehr.«
»Was glaubst du?«
Die Frage war eher rhetorisch gemeint, doch in Coa Sebastians ewig dunkel geränderten Augen blitzte es für einen kurzen Moment auf. »Ich denke, Ka-Tygo hat sich längst zu einem Anlaufpunkt für Überlebende entwickelt.«
»Das heißt, irgendwann werden auch die Kastuns hier erscheinen ...«
»Das will ich nicht hoffen.« Die Kommandantin stieß den Satz wie einen Fluch hervor.
»Sie werden niemanden um Erlaubnis ersuchen.« Rhodan stemmte die Ellenbogen auf die Sessellehne, legte die Hände übereinander und stützte das Kinn auf. »Wann erreichen wir Ka-Tygo?«
»Bei gleichbleibender Geschwindigkeit in ungefähr fünfzig Minuten.«
Der Terraner erhob sich und nickte Coa Sebastian knapp zu. »Falls jemand nach mir fragt, ich bin ...«
»... in deiner Kabine zu erreichen?«
Rhodan lächelte nachsichtig. »Ich bin auf der ILKIN zu finden.«
Die Luft war stickig. Es roch nach menschlichen Ausdünstungen ebenso wie nach Ozon und metallischen Legierungen. Im Hangar hatte Perry Rhodan beißenden Rauch wahrgenommen. Die Umwälzanlagen und Filter arbeiteten nicht. Auch die Beleuchtung war auf ein Minimum reduziert. Im unmittelbaren Bereich der Außenhülle herrschte nahezu völlige Finsternis, erst vom Ringkorridor an spendeten Leuchtplatten in der Decke Helligkeit.
Flüchtlinge kauerten apathisch am Boden. Wie um sich gegenseitig Schutz zu geben, hatten sie sich zu kleineren Gruppen zusammengefunden. Viele starrten blicklos ins Leere und schienen den Terraner nicht einmal wahrzunehmen.
Etliche weinten, ließen ihren Tränen freien Lauf. Andere hatten sich in Embryonalhaltung zusammengerollt, den Kopf zwischen den Armen vergraben, und nur ihr Schluchzen war zu vernehmen. Kindergeschrei hallte durch die Korridore und klang von den nackten Wänden in vielfach verzerrtem Echo zurück. Sie hatten Hunger, und das durchlebte Entsetzen stand deutlich in den kleinen Gesichtern zu lesen.
»Wie lange noch?« Ein Mann, den Kopf blutverkrustet, taumelte Rhodan entgegen. Den linken Arm hielt er an den Leib gepresst; die verdrehte Stellung seiner Hand und die abgespreizten Finger verrieten einen mehrfachen Bruch.
»Vielleicht noch eine Stunde«, antwortete Perry Rhodan. »Wir befinden uns im Anflug auf Ka-Tygo.«
Matt leuchtete es in den Augen des Mannes auf. »Und dann ...?«, fragte er stockend. In der Nähe begann ein Kind zu kreischen, eine Frauenstimme wollte es an Lautstärke noch übertönen. Das Schreien erstarb in einem qualvollen Husten. »Wasser, schnell!«, erklang es gleichzeitig. »Sirgam stirbt, sie ist doch noch nicht einmal zwei Jahre alt.«
Rhodan fuhr herum, er wollte irgendwie helfen, doch sein Gegenüber packte ebenso schnell zu und hielt ihn am Arm fest.
»Du kannst nichts tun, Terraner. Wir müssen uns selbst beistehen, und wenigstens das können wir noch ganz gut.« Der Schmerz verzerrte sein Gesicht, während er zögernd die Hand zurückzog. »Ich frage mich nur, was wird danach aus uns? Ka-Tygo kann nicht unsere Endstation sein – zu viele fliehen auf diese Welt, ohne zu fragen, wer uns dort beschützen kann.« Er schaute den breiten Korridor entlang und atmete tief ein. »Wie viele Kampfschiffe hast du mitgebracht, Perry Rhodan?«
Der Terraner schüttelte den Kopf. »Andromeda ist abgeriegelt, auf Hilfe von außen dürfen wir nicht hoffen.«
Sein Gegenüber starrte ihn entgeistert an. Mit bebenden Lippen stand er da, bis er endlich schwach nickte. »Ich habe es befürchtet«, brachte er tonlos hervor. »Ein Jahrtausend der Kriege wurde prophezeit.« Er zögerte kurz. »Nein, keine Sorge, Perry, ich werde die anderen nicht ihrer Hoffnungen berauben. Viele glauben noch, dass Ka-Tygo die Endstation ist, dass sie schon bald wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Sie wollen einen Neubeginn wagen.«
»Und du?«, fragte der Terraner leise.
»Ich fürchte, dass unser Leidensweg erst begonnen hat. Ich habe Frau und Kinder verloren, mich kann nichts mehr erschüttern.«
Rhodan hätte so viel darauf antworten können, doch er las in den Augen des anderen, dass es besser war, einfach zu schweigen. Sie verstanden sich auch ohne Worte.
Unzählige Blicke folgten ihm, als er seinen Weg fortsetzte. Die meisten Flüchtlinge hatten ihn erkannt, sie tuschelten, fixierten ihn, einige lächelten sogar. Das Kind, das eben noch so jämmerlich geschrien hatte, hing in den Armen seiner Mutter und kaute auf einem nassen Tuch. Hin und wieder schüttelte ein heftiges Schluchzen den kleinen Körper, doch die warme Geborgenheit ließ das Mädchen schläfrig werden.
Rhodan räusperte sich und strich der Kleinen übers Haar. »Es kommt wieder eine bessere Zeit, das verspreche ich dir«, murmelte er fast lautlos.
Er ging weiter. Überall kauerten Menschen und warteten darauf, dass der Albtraum endlich zu Ende ging und der Frachter auf einer Welt landete, auf der sie wieder die Sonne sehen und den Wind auf der Haut spüren konnten. Aber vergessen würden sie wohl nie.
Zwei medizinische Kräfte von der JOURNEE versorgten einen Bewusstlosen. Auch sie waren am Ende ihrer Kräfte angelangt. Schweiß glänzte auf ihren Gesichtern, die Wangenknochen traten kantig unter der Haut hervor. Verbissen kämpften sie um das Leben eines Mannes, dessen Kreislauf zusammengebrochen war. Es stank erbärmlich in diesem Bereich. Der Mann hatte sich übergeben und nicht nur Galle, sondern auch Blut gespuckt. Eine halb aufgerissene Folienverpackung auf dem Boden verriet dem terranischen Residenten genug. Wie immer er an die Medikamente gelangt sein mochte, der Tefroder hatte offenbar eine Unmenge starker Beruhigungsmittel oder noch Schlimmeres geschluckt.
Perry Rhodans Gedanken schweiften zurück in die Zeit, als er auf dem Mond den notgelandeten Forschungskreuzer der Arkoniden entdeckt und mit Hilfe der hochstehenden Technik die Menschheit geeint hatte. Damals war ihm der Weg zu den Sternen wie eine Verheißung erschienen, und noch heute trat er dafür ein. Aber dieser Weg war mit Dornen gespickt. Es gab kein Zurück, keine Kapitulation vor den tödlichen Herausforderungen. Eines Tages, davon war der Terraner überzeugt, würde die Menschheit ihr Ziel erreichen. Dieses Ziel hieß für ihn friedliche Koexistenz aller Völker. Aber vielleicht war dann auch die Evolution zu Ende.
Trümmer versperrten ihm dem Weg. Heftige Explosionen hatten einen weiten Deckabschnitt in eine Albtraumlandschaft verwandelt. Stahlplatten waren wie von der Faust eines Riesen eingebeult worden, während die Zwischendecke mit allen Versorgungsleitungen herabgebrochen war. Eine starke Hitzeeinwirkung, noch immer deutlich zu spüren, hatte das Konglomerat verbacken und unpassierbar gemacht. Bis jetzt wusste wohl niemand, ob unter den Trümmern Tote begraben lagen. Dass der Frachter nicht noch größere Schäden davongetragen hatte, grenzte schier an ein Wunder.
Rhodan benutzte einen Antigravschacht, um das übernächste Deck zu erreichen. Verblasste Leuchtschriften zeigten ihm den Weg zum Hauptladeraum. Die ILKIN hatte schon vor dem Angriff der brennenden Schiffe nicht mehr zu den modernsten Frachtern gehört.
Der Raum maß weit mehr als 100 Meter in der Tiefe und war fast ebenso breit. Mit 20 Metern Deckenhöhe konnte er sperrige Güter aufnehmen. Gut und gern die halbe Fracht war verstaut gewesen, als die Kastuns den Planeten Cyrdan überfallen hatten. Zwischen den riesigen Containern, die zum Teil mit dicken Stahltrossen gesichert waren, lagen an die 1000 Flüchtlinge. Sie gehörten zu den wenigen, die nicht nur ihr nacktes Leben, sondern sogar Teile ihres Besitzes gerettet hatten. Auch hier roch die Luft stickig und abgestanden. Eine geborstene Abwasserleitung hatte eine weite Fläche mit Fäkalien überschwemmt.
Laretha Mongath stand in der Nähe des Personenschotts inmitten einer Traube von Tefrodern. Rhodan konnte sie nicht sehen, hörte aber ihre raue Stimme. Die Kommandantin schlug soeben vor, das Neugeborene Cyrdan zu nennen. Als Zeichen der Hoffnung und nie versiegender Erinnerung.
Erst, als sich der Terraner vernehmbar räusperte, wurde die Menge auf ihn aufmerksam. Überrascht riss Laretha die Augen auf, zugleich fuhr sie sich mit einer Hand über das millimeterkurz geschorene Haar.
»Sieh an!«, sage sie laut. »Wir haben hohen Besuch.« Ein Grinsen überzog ihr Gesicht. »Das bedeutet, wir sind in Sicherheit?«
»Wir brauchen etwas erfahrenere Leute in der Zentrale«, antwortete Rhodan ausweichend. »Oder wollen wir nicht auf Ka-Tygo landen?«
Die Kommandantin lachte glucksend, ihr schwerer Busen wogte heftig. »Ich musste den werdenden Vater kaltstellen«, sagte sie. »Mit seiner Nervosität hätte er alle angesteckt.«
Mittlerweile waren die Umstehenden zur Seite gewichen. Eingewickelt in einen Berg von Folien lag eine junge Tefroderin am Boden. Die Strapazen waren ihr anzusehen, aber ebenso das Glück, das sie empfand. Liebkosend drückte sie ihr erst wenige Minuten altes Baby an sich.
Erst jetzt bemerkte Rhodan Raye Corona, die soeben die Nachgeburt mit einer Vielzahl blutverschmierter Tücher in einer stabilen Transportbox verschwinden ließ. Die junge Ärztin warf dem Terraner einen bedeutungsvollen Blick zu. »Manchmal gibt es Freude im größten Leid«, sagte sie. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals unter solchen Umständen neuem Leben auf die Welt verhelfen würde.«
»Hoffentlich wird die kleine Cyrdan unter besseren Umständen aufwachsen.« Die Frachterkommandantin streckte sich. »Worauf warten wir noch, Terraner? Ich will endlich auf Ka-Tygo landen und die Verantwortung für diese Tausende von Leuten abgeben. Eigentlich war ich mit meinem Leben, wie es bislang war, ganz zufrieden.«
Sie verließen den Hangar. Bevor sie die Zentrale erreichten, blieb Laretha Mongath stehen. »Dein Schweigen macht mich nervös, Perry.«
Rhodan suchte ihren Blick. »Du weißt besser als ich, was du tun musst. Ich denke, du hast längst erkannt, dass sich auch dein Leben grundlegend verändern wird.«
Die Frau zog die Brauen hoch. »Deiner Ausstrahlung kann man sich nur schwer entziehen, Perry. Ich verstehe allmählich, was die Terraner immer wieder vorwärts treibt. Ich erinnere mich an ein Bild, das mich in der Jugend über Jahre hinweg fasziniert hat. Es zeigte nur zwei Hände, die eines Tefroders und die schuppige Greifklaue eines Maahks. Erst später erfuhr ich, dass die menschliche Hand einem Terraner gehörte. Sie hielten sich gegenseitig fest, und von den Armen hingen die jeweiligen Sternenbanner herab. Du weißt, was ich meine?«
»Der Friedensschluss von Tatrun«, antwortete Rhodan. »Im Juni des Jahres 2405. Den Maahks wurde ihr Lebensraum in Andromeda vertraglich zugesichert, den Terranern in der Milchstraße. Fast möchte ich sagen, es war die gute alte Zeit, in der Auseinandersetzungen noch nicht die heutigen Dimensionen hatten.«
Der Planet Ka-Tygo drehte sich wie ein großer, schmutzig-brauner Ball unter den beiden Raumschiffen. Ausgedehnte Steppen- und Wüstenregionen prägten das Bild der riesigen Landflächen. Es gab nur einen einzigen Ozean, aber etliche große Binnenseen und dementsprechend wenig Wolkenfläche. Hohe Durchschnittstemperaturen und geringe Niederschläge bestimmten das Klima.
Aus dem Weltraum waren schon deutlich mehrere Städte zu erkennen, die wie mit Krakenarmen ins Umland griffen.
Zwei atmosphärelose Monde umkreisten den Planeten. Die mittlere Umlaufbahn des äußeren, der mit einem Durchmesser von dem des Merkur eigentlich schon ein eigener Planet war, lag bei 500.000 Kilometern; der kleinere, unregelmäßig geformte innere Mond umkreiste seine Mutterwelt auf einer stark elliptischen Bahn mit einer schwankenden Distanz, die im Schnitt 100.000 Kilometer betrug. Entsprechend stark waren die auf Ka-Tygo einwirkenden Gezeitenkräfte, die gewaltige Wanderdünen hervorbrachten. Die hohen Sandberge waren aus dem Orbit als rotbraune, sichelförmige Formationen zu erkennen. In regelmäßigen Abständen schienen sie die Städte der Tefroder heimzusuchen.
Perry Rhodan war an Bord der JOURNEE zurückgekehrt, nachdem er Hadur Meyhet zur Geburt der Tochter gratuliert hatte. Dass Meyhet ein geschichtsträchtiger Name war, schien der frisch gebackene Vater nicht zu wissen. Rhodan hatte auf eine entsprechende Bemerkung verzichtet.
Im planetennahen Raum wartete eine Vielzahl von Raumschiffen. Stetig patrouillierten etwa 40 schwer bewaffnete Raumer mit mehr als halber Lichtgeschwindigkeit. Sie konnten sofort in den Hyperraum gehen und innerhalb von Sekunden jeden Sektor des Sonnensystems erreichen. Die Crew der JOURNEE war sich einig darin, dass ihre geringe Zahl Kastun-Kriegsschiffe nicht abschrecken würde. Die militärische Präsenz diente wohl eher dazu, die eintreffenden Flüchtlinge zu beruhigen.
»Ka-Tygo ist nicht mehr, aber auch nicht weniger von den Invasionen bedroht, als es Cyrdan war«, hatte Perry Rhodan festgestellt.
Den hochempfindlichen Sensoren des Spürkreuzers entging nicht, dass die äußeren Planeten mit größten Anstrengungen zu Festungen ausgebaut wurden. Auch das waren wohl eher Maßnahmen, die eher zur eigenen Beruhigung als zur Abschreckung beitragen sollten. Niemand konnte die Invasoren daran hindern, senkrecht zur Ekliptik auf ihr Ziel vorzustoßen.
Der Ausfall der Speicherbank während der ersten Kopplung beeinträchtigte die Manövrierfähigkeit der ILKIN. Ein Versuch des 600-Meter-Frachters, aus eigener Kraft zu landen, barg entsprechende Risiken. Gleiches galt jedoch auch für den Weiterflug im Verbund.
Der Funkverkehr mit der planetaren Überwachung erfolgte auf normal lichtschneller Frequenz; nach wie vor verließ kein Hyperfunkspruch Ka-Tygo. »Einigeln«, sagte die Kommandantin des Spürkreuzers dazu. Ob das Versteckspiel angesichts des steten Zustroms von in Kampfhandlungen mehr oder weniger stark beschädigter Raumschiffe Erfolg haben würde, blieb dahingestellt.
Die ILKIN und die JOURNEE erhielten Landeerlaubnis für einen der weniger frequentierten Raumhäfen abseits der großen Metropolen. Ihre Trennung vollzog sich unkompliziert. Ein kaum merkliches Abbremsen des Spürkreuzers bewirkte, dass sie rasch auseinander trieben. Andere, zum Teil schwer havarierte Raumer blieben im Orbit zurück.
Langsam sank die ILKIN tiefer. Die Bremstriebwerke im Ringwulst zündeten nur unvollständig. Einen Moment lang schien der Frachter ins Trudeln zu geraten.
Funkkontakt mit dem Zielhafen. Die ILKIN wurde schneller, und ein fahles Leuchten zeichnete sich unter dem Rumpf ab. Noch war die Lufthülle zu dünn, als dass der Frachter einen Schweif ionisierter Gase hinter sich her gezogen hätte.
Das Leuchten wurde stärker, breitete sich zuckend aus. Perry Rhodan hatte eine Überblendung aus optischem Abbild und Ortungsdaten auf seine Konsole geholt.
Noch 900 Kilometer Höhe ...
»Sie sinkt zu schnell!«, warnte die Kommandantin. »Was ist los da drüben? Korrekturmanöver!«
Störungen überlagerten die Interkomverbindung zum Frachter. Wie eingefroren erschien das Abbild der dortigen Zentrale, das Bild verzerrte sich und verblasste.
Ein Prasseln drang aus den Lautsprechern.
400 Kilometer ... die Abweichung wurde deutlich sichtbar.
»Starke Energieschwankungen!«, meldete die Ortung. »Auf der ILKIN gibt es offenbar Probleme mit den Speichern.«
»Traktorstrahlen!«, befahl Coa Sebastian.
Gerichtete Energiefelder griffen nach dem Frachter, um ihn abzubremsen. Angesichts seiner Masse kein einfaches Unterfangen. Die eigenen Triebwerke verzögerten die Sinkgeschwindigkeit der JOURNEE.
290 Kilometer Höhe ... Der Frachter sank mit nahezu zwölf Kilometern in der Sekunde. Bange Sekunden lang hatte es den Anschein, als würde er sich aus dem energetischen Griff lösen ...
...doch dann zündeten unvermittelt weitere Ringwulsttriebwerke. Gleißende Partikelströme durchschnitten die Stratosphäre und versetzten den Frachter in eine tückische Drehbewegung.
»Stoppen!«, brüllte Coa Sebastian. »Das verkraften die Traktorprojektoren nicht!«
Rasend schnell ging es in die Tiefe. Wie eine lodernde Feuerkugel würde der Frachter auf dem Landefeld aufschlagen.
90 Kilometer ...
81 ...
73 ...
Warnanzeigen verwandelten sich in Diagramme und Überblendungen. Im nächsten Moment erloschen sie ebenso abrupt.
»Objekt stabilisiert!«, meldete der Syntron. »Relative Höhe fünfzehn Kilometer. Sinkflug auf Minimum.«
Die Bildsprechverbindung stand wieder stabil.
»Das war knapp«, meldete sich die Frachterkommandantin. »Unter Belastung brechen uns die Systeme weg. Keine Redundanz. Inzwischen haben wir die ILKIN aber wieder im Griff.«
»Ich hoffe es«, sagte Coa Sebastian bitter. »Ist die Ursache bekannt?«
»Schäden der Peripherierechner, verursacht durch eine Überladung.« Laretha Mongath nickte knapp. »Wir landen wie vorgesehen. Zwischen den anderen halben Wracks sind wir in guter Gesellschaft.«