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26 – Geschäft im Dunkeln II

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Erleichtert und zufrieden saß er an seinem Schreibtisch und strich fast liebevoll über die zuoberst liegende Seite der vor ihm ausgebreiteten Liegenschaftsakte der Stadt Dortmund. Es war alles andere als einfach gewesen, sie in seine Hände zu bekommen!

Es war alles da, was er zu erlangen gestrebt hatte! Gleich nach seiner Rückkehr hatte er die Papiere kritisch durchgesehen, hatte sein ganzes Interesse auf deren Vollständigkeit gerichtet. Es gab keinen Zweifel, er hatte alle Originale, die er brauchte.

„Warrior ist zweifelsohne ein Vollprofi, auch im Umgang mit mir“, ging es ihm eigentümlich anerkennend durch den Kopf, als er sich die Umstände der Übergabe noch einmal durch den Kopf gehen ließ.

„Sie haben sowohl Ihr Handy als auch eine Aldi-Tasche dabei, in der sich die 5000 Euro befinden“, hatte dieser in der vergangenen Nacht am Telefon gefordert, um dann zu ergänzen: „Ich bringe eine gleiche Tasche mit. Wir tauschen dann aus. Wie genau erfahren Sie noch von mir.“

So war es auch gekommen, heute Morgen um 10 Uhr auf dem Hauptbahnhof. Er hatte gehofft, Worrior bei der Übergabe zu Gesicht zu bekommen, auch wenn er aus der Kombination der Dinge, die er zum Treffen mitbringen sollte, schließen können hatte, dass es nicht unbedingt eine Übergabe von Angesicht zu Angesicht geben würde.

Punktgenau um 10 Uhr hatte sein Handy geläutet.

„Ich bin´s, Meister“, hatte sich Worrior gemeldet. „Sie sind auf dem Hauptbahnhof, Meister?“

„Ja, bin ich“, hatte er geantwortet.

„Auf Gleis 5?“

„Ja, auf Gleis 5.“

„Gut! Dann gehen Sie mal zum Fahrkartenautomaten. In Blickrichtung zum Bahnhofsgebäude, rechts neben dem Automaten, sehen Sie einen Gitterabfallbehälter. Schauen Sie nach, was sich auf dessen Boden befindet!“

„Moment!“, hatte er gebeten. „Ich muss ein paar Meter gehen.“

Möglichst unauffällig, um anderen Anwesenden nicht als eigentümlich zu erscheinen und deren Interesse zu erwecken, war er am Fahrkartenautomaten vorbei geschlendert, das Handy nicht vom Ohr nehmend.

„Ich sehe eine Aldi-Tasche, wie gesagt, eine Aldi-Tasche auf dessen Grund.“

Hatte er jetzt den Abfall durchwühlen sollen, um an die Akte zu kommen?

„Gut!“, hatte Worrior gelobt. „Lassen Sie die Tasche mal da, wo sie ist! Sie hat ihren Zweck erfüllt! Ich weiß nun, dass Sie an Ort und Stelle sind.“

Es hatte einen Augenblick gedauert, bis ihm vollends klar geworden war, was Worrior mit dieser Aktion beabsichtigt hatte.

„Passen Sie gut auf, Meister!“, hatte ihm seine Internet-Bekanntschaft kaum Zeit zum Begreifen gelassen. „Es kommt gleich ein Fahrradkurier zu Ihnen auf den Bahnsteig. Halten Sie Ihre Aldi-Tasche mit dem Karton, in dem sich hoffentlich der Umschlag mit dem Geld befindet, in der Hand, damit der Kurier Sie erkennen kann. Geben Sie ihm die Tasche. Er kennt sein Ziel. Sie müssen ihm also keine Instruktionen geben. Dann warten Sie dort auf dem Bahnsteig!“

„Ich soll das Geld aus der Hand geben, ohne dass ich gleichzeitig die Unterlagen erhalte?“, hatte er sich fast schon zu laut entrüstet. Wahrscheinlich aber waren seine Worte vom Lärm eines gerade einfahrenden Schnellzugs geschluckt worden, sodass sie anderen auf dem Bahnsteig Wartenden nicht zu Ohren gekommen waren. Es hatte jedenfalls niemand der Anwesenden den Eindruck gemacht, Notiz von seinem Ausbruch genommen zu haben.

„Sie werden, Meister! Sie werden, weil Sie müssen!“, war es nur mit einer Verzögerung zurück gekommen, weil sein Gesprächspartner das Abklingen des Geräuschpegels abgewartet hatte.

Worrior hatte ihm keine andere Wahl gelassen.

„Bevor ich es vergesse“, hatte er angefügt, „der Kurier hat sein Geld noch nicht bekommen. Geben Sie ihm fünfundzwanzig Euro! Das Trinkgeld ist schon inbegriffen.“

„Und wenn ich diesen Betrag nicht bei mir trage?“, hatte er angesichts dieser dreisten Frechheit eine Ausflucht versucht.

„Sie haben!“, hatte Worrior nur geantwortet und die Verbindung getrennt.

Sekunden später war tatsächlich ein Fahrradkurier auf dem Bahnsteig erschienen und war sofort auf ihn zugesteuert. Nicht ohne Widerwillen hatte er ihm die Tasche ausgehändigt und ihn bezahlt, und der Kurier hatte sich damit auf den Weg gemacht. Er hatte gewartet, so wie Worrior es von ihm verlangt hatte. Er hatte sich gedulden müssen. Es war fast eine halbe Stunde vergangen gewesen, als der Kurier erneut aufgetaucht war und ihm ein Briefkuvert gereicht hatte. Er hatte einen Schließfachschlüssel darin gefunden. Dieser hatte zu einem der Bahnhofsschließfächer gepasst. Darin hatte er dann ein sorgfältig geschnürtes Päckchen gefunden, das wiederum in eine Aldi-Tasche gesteckt worden war und ihm endlich die ersehnten Unterlagen in die Hände gespielt hatte.

Plötzlich fiel ihm auf, dass er abgeschweift war. Die Ereignisse auf dem Hauptbahnhof waren Vergangenheit, hatten keine Bedeutung mehr. Er hatte, was er haben wollte, und nur das zählte!

Gut, er hatte, was er wollte, aber was sollte er nun damit anfangen? Die Alternativen waren ihm natürlich längst bewusst gewesen, vorher schon, als er sich noch bemüht hatte, alles in seinen Besitz zu bringen. Vernichten oder manipulieren und wieder einschleusen? Dies waren die Alternativen, diese waren zu entscheiden!

Er war sich nicht sicher. Es gab noch eine weitere Alternative, aufbewahren, noch etwas länger nachdenken und dann entscheiden! Dies war seine Alternative! In seinem Safe würden die Unterlagen inzwischen eine sichere Aufbewahrung finden!

Im Bann des Augenblicks

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