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REGEL #3 //

LEITE DIE UNEINGEWEIHTEN AN

Ganz gleich, für wie gut du deinen Grund hältst, wissentlich gegen die Regeln zu verstoßen, du kannst dir sicher sein: Er ist niemals gut genug.

Vielen Uneingeweihten erscheinen die Regeln oft willkürlich oder obskur. Aber für den Velominatus haben sie eine große Bedeutung, bieten sie ihm doch einen Weg zu Erleuchtung und Aufklärung in allen radsportlichen Dingen. Wie sehr wir als Rennradfahrer auch manchmal auf uns allein gestellt sein mögen, so treffen wir doch unweigerlich immer wieder auf andere Radsportler. Regel #3 bezieht sich auf die Verantwortung, die wir gegenüber unserem Sport haben, andere Menschen auf ihrem Weg zur Erkenntnis anzuleiten, während wir selbst auf diesem Weg dahinrollen.

Die Einhaltung von Regel #3 erfordert, dass wir zunächst einmal erkennen, wer die Regeln erschaffen hat: niemand und alle. Die Regeln wurden am Altar der Landstraße prophezeit und im Tiegel der Radsporttradition geschmiedet von den Generationen von Radsportlern, die uns vorausgegangen sind. Verfalle um Merckx’ willen niemals in den Irrglauben, dass sich die Regeln vornehmlich um so etwas wie Style oder Eitelkeiten drehen würden. Und zweifle auch nicht für eine Sekunde daran, dass diese Wahrheiten, die aus Notwendigkeit geboren und für die Nachwelt aufgezeichnet wurden, auf Millionen von Kilometern Landstraße getestet wurden, auf Kopfsteinpflaster-Sektoren, an langen Anstiegen im Hochgebirge, auf Wirtschaftswegen inmitten windgepeitschter Äcker. Diese kollektive Weisheit ist es, die den Regeln ihre Macht verleiht, denn sie sind größer als wir alle zusammen und sie repräsentieren Jahrzehnte der Schmerzen und des Leidens auf dem Fahrrad. Sobald man das begriffen ist, wird die übliche, reflexartig vorgetragene Kritik an den Regeln, diese Litanei, sie seien letztlich doch nur reiner »Rennradfahrer-Snobismus«, als grenzenlos ignorant entlarvt. Kurzum: Die Gurte deines Helmes (siehe Regel #37) und die Hersteller-Labels deiner Reifen (siehe Regel #40) sind aus gutem Grund in ganz bestimmter Weise zu platzieren, und genau dieser Grund ist es auch, weshalb man auf die besagte Weise fantastisch aussieht.

Regel #3 ist ein Ruf zur Pflicht für den Velominatus. Im Wesentlichen besagt sie, dass wir, sobald uns der Weg von den Altvorderen gezeigt wurde, anderen Orientierung bieten müssen, wenn sie sich auf ihre Reise begeben. Denk jedoch daran, dass Regel #3 nicht festlegt, wie wir es anstellen, andere zu führen. Der eine oder andere mag dazu neigen, sich bei jeder Gelegenheit zu Wort zu melden und sein Urteil barsch und fest entschlossen zu verkünden. Diese Methode mag auf diejenigen überzeugend wirken, die die Welt gern in Schwarz und Weiß, Gut und Böse unterteilen oder den Weg zum Cognoscenti im Grunde bereits eingeschlagen haben. Aber bei diesem Ansatz läuft man stets Gefahr, Regel #43 zu verletzen (Führ dich nicht wie ein Idiot auf) oder – schlimmer noch – den interessierten Pedalwan zu verschrecken und vom richtigen Weg abzubringen. Im Gegensatz dazu kann man auch die sokratische Methode wählen und auf diese Weise zu einem Radsport-Sensei werden, der die Lernenden ihre intrinsische Motivation entdecken lässt, den Weg aus freien Stücken zu gehen. Das Risiko besteht hierbei darin, dass man nur vage Ideen verbreitet oder, Merckx bewahre, sogar der Disziplinlosigkeit das Wort redet und auf diese Weise die Regeln als etwas Fakultatives erscheinen lässt. Aber wie auch immer du es anstellst: Die Bereitschaft, die Uneingeweihten anzuleiten, wird deine eigene Entschlossenheit festigen und dich darin bestätigen, dass du selbst auf dem richtigen Weg durchs Leben fährst.


Die Regeln

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