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REGEL #13 //

WENN DU DIE START-NUMMER 13 ZIEHST, DREH SIE AUF DEN KOPF

Paradoxerweise ist derselbe Geist, der solch immense Kontrolle über den Körper ausübt, auch jämmerlich fragil und anfällig für abergläubische Anwandlungen. Allzu leicht geschieht es, dass er von Zweifeln erfüllt und von Nebensächlichkeiten abgelenkt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass das Lenkerband stets perfekt gewickelt ist, dass das Rad keine Geräusche macht und dass keine Flecken deine Radkleidung besudeln. Und wenn du als Startnummer die Unglückszahl 13 erwischst, dreh sie auf den Kopf, um ihrer negativen Energie entgegenzuwirken.

Als ich noch Skilangläufer war, hatten wir ständig mit bitterkaltem und tristem Wetter zu kämpfen. Wir hatten natürlich jede Menge Ausrüstung, um mit diesen Bedingungen zurechtzukommen. Unterschiedlich dicke Handschuhe, unterschiedlich warme Mützen, verschiedene Sonnenbrillen für grellen Sonnenschein, bewölkten Himmel und Regen (wobei es sich weniger um Sonnenbrillen als vielmehr um gelb getönte Gläser handelte). Ich hatte Skier für weichen Schnee, Skier für harten Schnee und Skier für Schnee, der sich nicht so recht entscheiden konnte.

Ich habe endlose Stunden trainiert – mehr als jeder andere in meiner Trainingsgruppe. Im Sommer trainierte ich viel härter als alle meine Konkurrenten, insbesondere auch deshalb, weil es während dieses Sommer-Trainings war, dass ich meine Liebe für das Radfahren entdeckte.

Solange kein Schnee auf den Straßen lag, fuhr ich fast das ganze Jahr hindurch. Wir trainierten auf Mountainbike-Strecken im Norden von Minnesota, auf Trails, auf die sich nur wenige Leute jemals mit einem Rad gewagt hatten. In einem Jahr luden wir den Trainer eines Konkurrenzteams ein, mal einen Tag lang mit uns zu trainieren. Es regnete, und wir fuhren über unseren gewohnten Singletrail, der mit dichtem, Schienbein-aufschlitzendem Gestrüpp und ultrasteilen und nicht minder steinigen Abschnitten aufwartete, so dass wir regelmäßig Kettenrisse und verbogene Lenker zu verzeichnen hatten.

Mehr als einmal warf er sein Fahrrad ins Gebüsch – zum Teil aus Wut, zum Teil auch einfach, um eine Ausrede zu haben, einmal richtig durchzuatmen, während er es wieder aus dem Gestrüpp holte.

Als er von dieser Ausfahrt zurückkam, soll er Berichten zufolge zu seinem Team gesagt haben, dass sie in diesem Jahr die Hoffnung auf einen Sieg in den wichtigen Rennen abschreiben könnten. Denn so wie ich trainierte, würde ich sie sicherlich alle locker abhängen. Tatsache ist, dass ich gar nicht so trainierte, wie er dachte. Wir hatten Rick lediglich einen kleinen Vorgeschmack auf unser richtiges Training gegeben, sozusagen eine Touristen-Version. Mit ihm waren wir nur eine der insgesamt vier Schleifen unseres Trails gefahren. Es hat sechs oder sieben Stunden gedauert. Während des Sommers fuhren wir regelmäßig alle vier Schleifen am Stück. Normalerweise in acht Stunden oder weniger.

Und wir sprechen hier nicht über Mountainbiking, wie man es heute kennt. Dies war vielmehr eine frühe, sich in der tiefsten Walachei abspielende Initiation in Regel #5. Wir verbrachten ganze Tage an einem einzigen Hügel, um herauszufinden, wer in der schnellsten Zeit oben auf dem Gipfel war. Unsere Trails waren steile, technische Rampen, die wir mit ungefederten Stahlrahmen wie dem Bridgestone MB-1 meisterten. Jeden Anstieg stuften mit unserem eigenen Wertungssystem ein: als null, eins oder zwei. Solange keiner von uns es bis nach oben geschafft hatte, war es ein Nuller-Berg. Wenn einer von uns es packte, wurde es ein Einser. Wenn zwei von uns es schafften, wurde es Zweier. An diesem Punkt verlor sich unser Interesse an einem solchen Anstieg. Dass man erfolgreich hochkam, war nur noch eine Pflichtübung, um sein Gesicht zu wahren.

Und wenn wir mal nicht im Wald waren, um uns gegenseitig im Morast zu überbieten, bolzten wir Kilometer auf der Straße. Als der Winter kam, verlagerte ich dann meine Energien auf das Skilanglauf-Training. Unzählige Stunden trainierte ich in Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf.

Je fieser die äußeren Bedingungen, desto besser. Frostige Temperaturen waren mir am liebsten, aber sie fochten eine enge Schlacht mit hüfthohem Schnee aus.

Ungeachtet des ganzen Trainings wusste ich jedoch, dass ich bei all meinen besten Wettkämpfen stets dasselbe Paar Handschuhe und meine Oakley Razors mit dunklen Brillengläsern getragen hatte. Nach ein paar Saisons griff ich fast automatisch zu dieser Handschuh-Brille-Kombination, wann immer etwas auf dem Spiel stand. Und auch nun, trotz dieser mörderischen Trainingsumfänge, blieb da dieser Aberglaube, welche Handschuhe und welche Sportbrille ich am Renntag tragen müsste.

Das ist vielleicht der eigenartigste Aspekt an uns Athleten. Wir trainieren unsere Körper in dem Wissen, dass jede Stunde, in der wir an unserer Fitness arbeiten, eine Einzahlung auf unser Konto bei der V-Bank darstellt, die wir uns dann mit Zinsen zu einem späteren Zeitpunkt auszahlen lassen können, wenn wir sie benötigen.

Und doch sprechen wir Radsportler von unseren Beinen in der dritten Person: »die Beine«. Fast so, als handelte es sich um jenseitige Objekte. Oder als hätten wir mehrere Paar zur Auswahl in der Garage hängen und würden uns an jedem Tag eines nehmen, draufsteigen und hoffen, dass es gute Beine sind.

Trotz unseres Trainings und unseres Selbstbewusstseins gibt es da ein gewisses Element in der Wettkampfvorbereitung, das sich dem Zugriff von Ärzten und der Wissenschaft entzieht: ein paranormales Element, von dem der Athlet glaubt, dass es existiert, und das genau deshalb real ist. Voodoo funktioniert nicht, solange du nicht dran glaubst.

Schau dir mal bei nächster Gelegenheit das Peloton der Profis an und such den Fahrer mit der Startnummer 13. Fällt dir was auf? Ich gehe jede Wette ein, dass er seine Rückennummer verkehrt herum befestigt hat, um dem unglückbringenden Effekt entgegenzuwirken.

Athleten sind wunderbar abergläubische Wesen.


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