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ОглавлениеREGEL #47 //
TRINK TRIPEL ABER LASS DIE FINGER VON DREIFACH-KURBELN
Radfahren und Bier sind so eng miteinander verknüpft, dass wir ihre Beziehung wohl nie in Gänze verstehen werden. Bier ist ein Regenerationsgetränk, ein Elixier für das freundschaftliche Palaver im Anschluss an die Ausfahrt und einfach ein ausgezeichnetes Zeug, um es die Kehle hinunterrinnen zu lassen. Wer trainiert, um sich hinterher ein Bier zu genehmigen, sollte auch dabei keine halben Sachen machen. Trink Qualitätsbier aus echten Brauereien. Wenn es hingegen aus Reis statt Gestenmalz gebraut wurde oder die Beigabe einer Limette erfordert, weißt du, dass du besser die Finger davon lässt. Du solltest dich mit den Bittereinheiten von Bier ebenso gut auskennen wie mit den Übersetzungsverhältnissen deines Rades. Das Leben ist kurz, verschwende es nicht mit dünner Plörre.
Ebenso wie Westflandern die spirituelle Heimat des Radsports ist, so ist es auch die spirituelle Heimat des Biers. Klar, die Tschechen mögen das Pilsener erfunden haben und die Amerikaner das Lite-Bier, aber um ein echtes Biererlebnis zu genießen, muss man nach Belgien schauen.
Für jeden Velominatus, der sein Hopfen und Malz wert ist, ist das Ritual, nach einer langen Trainingseinheit samt ausgiebiger Geißelung gemäß Regel #5 aus der verschwitzten Radhose zu steigen und sich ein Bier einzuschütten, genauso sehr Teil der Ausfahrt wie das Rauf- und Runterschalten oder das Versägen von Triathleten. Unsere Gedanken sind schon beim Bier, während wir fahren, die Verlockung des Hopfens durchdringt unser Unterbewusstsein, während wir gegen Wind, Regen und Schwerkraft ankämpfen, angetrieben durch ein Versprechen an uns selbst: Je eher wir unsere Dämonen besiegt haben, umso eher können wir auch den flüssigen Lohn genießen. Fast können wir ihn schon unterwegs im Mund schmecken.
Wir, die wir uns stets Mühe geben, unsere Maschinen, unsere Kleidung und unsere Körper zu pflegen, sollten ebenso aufmerksam darauf achten, auch beim Bier die gleichen Maßstäbe des guten Geschmacks anzulegen. So wie wir die Komponenten unserer Räder, seien es Ketten oder Kassetten, stets nach Qualität auswählen, wählen wir auch unserer Bräu nach der Güte der wichtigsten Zutaten, die aus dem regenerativen Beisammensein nach der Ausfahrt mehr als nur ein reines Auftanken machen. Die Menge und die Art des Hopfens und Malzes, der Brauprozess und der Alkoholgehalt sind allesamt wichtige Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Der Preis hingegen sollte niemals eine Rolle spielen. Du montierst an deinem Rad nicht die billigste No-Name-Kette, um ein paar Cent zu sparen, nur damit sie schon nach ein paar hundert Kilometern reißt, und du solltest auch keine 24er-Palette irgendeiner dünnen, wässrigen Plörre kaufen, nur um ein paar Euro zu sparen. Denn sowohl die Kette als auch das Gesöff würden eh vorzeitig in den Müll wandern.
Ein Velominatus trinkt nicht, um betrunken zu werden. Wir trinken, um die Erfahrung zu genießen, den ältesten bekannten Nektar der Großartigkeit zu schlürfen, den die Menschheitsgeschichte kennt. Wir trinken, um die Unternehmung einer Ausfahrt abzurunden. Wir trinken, um zu feiern, dass wir einmal mehr das Terrain und den Schmerz bezwungen haben. Und natürlich auch all die Jammerlappen mit ihren Kompakt- oder – schlimmer noch – Dreifach-Kurbeln, die sich hinterher standesgemäß mit geschmacksneutralen, seelenlosen, austauschbaren Pseudobieren zu trösten versuchen, die sie mit ebenso wenig Effekt in sich reinschütten, wie sie ihre mickrigen Gänge treten. Und so bleiben sie zurück voller Leere und beherrscht von dem Bedauern, nicht den Mumm gehabt zu haben, es wie die großen Männer und Frauen aus Belgien zu halten. Männer und Frauen, die niemals weniger in Betracht gezogen haben als 53 Zähne und 7 Volumenprozent.