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ОглавлениеREGEL #24 //
GESCHWINDIGKEITEN UND ENTFERNUNGEN SIND IN KILOMETERN ZU ERFASSEN UND ANZUGEBEN
Wenn man sich als amerikanischer Velominatus bei der Arbeit mit nicht Radsport-affinen Kollegen über Radrennen und Radtraining unterhält, trägt die Verwendung von Kilometerangaben erfahrungsgemäß dazu bei, diesen wunderbaren Sport noch weiter zu mystifizieren. Während sich verwirrte Mienen auf ihren unbefangenen Gesichtern ausbreiten, kann man noch ganz beiläufig seine rasierten Beine erwähnen, um ihre zurückgebliebenen kognitiven Fähigkeiten endgültig zu überfordern. Alle Monumente des Radsports sind nach dem metrischen System vermessen, und folglich ist es verboten, in Bezug auf den Radsport in Meilen zu denken.
Der Großteil der korrekt denkenden Welt wird sich naturgemäß und problemlos an Regel #24 halten. Diese richtet sich nur an die Velominati in den vielleicht zwei Ländern, die es in der Welt noch gibt, die fälschlicherweise das imperiale System zur Messung von Geschwindigkeit und Entfernung verwenden. Abgesehen von den psychologischen Vorteilen von Kilometern statt Meilen und km/h statt mph, dank denen man das Gefühl hat, sowohl weiter als auch schneller zu fahren, ist es nun mal so, dass alle Monumente in Kilometern vermessen werden. Mailand–Sanremo wäre nicht Mailand–Sanremo, wenn es über 185 Meilen führen würde. Okay, das wäre es schon, aber dieses Rennen führt über 298 Kilometer und jedem Velominatus liege es fern, etwas anderes zu denken, geschweige denn auszusprechen.
Die Einhaltung dieser Regel geht weit darüber hinaus, sich im richtigen Kontext auf Profirennen zu beziehen. Vielmehr erlaubt Regel #24 jedem Radsportler, sich selbst mit dem Rest der Radfahr-Welt auszutauschen und zu messen. Das metrische System aus dem Effeff zu beherrschen, hilft uns Amerikanern beim Training, aber auch hinterher, wenn man bei der Arbeit, im Café oder in der Kneipe über seine Trainingsleistungen bluffen möchte. Denk nur an den aufgeblasenen Heini, wie er nach der Gruppenausfahrt am Dienstag mal wieder mit seiner 500-km-Woche und seinem 37er Schnitt beim sonntäglichen Solo-200er prahlt. Während er dir seine Zahlen vor den Latz knallt, kannst du ein gekünsteltes Lächeln aufsetzen, zustimmend nicken und ihm vorlügen, wie du in der ganzen Woche nur auf eine lockere 75-km-Runde gekommen bist. Am übernächsten Dienstag, wenn du das nächste Mal dabei bist, wirst du ihn dann nach einer weiteren Woche, in der du selbst 500 Trainingskilometer abgerissen hast, an der ersten leichten Steigung abhängen und mit der Frage zurücklassen, wie man mit so wenig Training so schnell fahren kann. Und jetzt denk an die attraktive Arbeitskollegin, die neugierig auf den Radsport geworden ist und sich allein schon deshalb für dich interessiert, weil du schon ewig Rennrad fährst. Im Pausenraum erwähnt sie dir gegenüber, dass sie letzten Samstag eine zehn Meilen lange Radtour unternommen hat, dann schaut sie dich Ehrfurcht heischend an und fragt, ob du am Wochenende denn auch aufs Rad gekommen bist. Erneut stellst du ein gekünsteltes Lächeln zur Schau, nickst zustimmend und erzählst – diesmal aber wahrheitsgemäß –, dass du am Sonntag noch vor dem Mittagessen eine 140 km lange Trainingsausfahrt durch die Hügel rund um die Stadt unternommen hast. Die Kollegin wird zwar ahnen, dass das eine stramme Leistung ist, aber sie wird nicht gekränkt sein, weil du ihre eigene Tour so dermaßen übertrumpft hast. Sie weiß ja nicht, was ein »km« ist, und du hast gerade nur ihren Sinn für die Mysterien und Ränkespiele geschärft, die dem Radsport innewohnen.
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