Читать книгу Veza Canetti zwischen Leben und Werk - Vreni Amsler - Страница 47

D2.1 Grete Wiesenthal, Hugo von Hofmannsthal

Оглавление

Von Richard Billinger ist tatsächlich bekannt, dass er 1922 beim Gedichte-Rezitieren im Café Central von Grete Wiesenthal entdeckt355 wurde und dass sie ihm die Freundschaft Hugo von Hofmannsthals, mit dem sie selber eng befreundet war, vermittelt hat.

Ob Hugo von Hofmannsthal regelmässig im Salon Spitz verkehrt hat, ist unsicher. Es ist aber davon auszugehen, dass Veza Taubner schon in sehr jungen Jahren Hofmannsthal kennengelernt haben muss. Ob er der grosse Dichter ist, dem Veza Taubner den Kaspar-Hauser-Roman geschickt hat, ist möglich, dies müsste indessen noch knapp vor seinem Tod im Jahr 1929 geschehen sein.356

Mit Ausnahme der Freundschaft zwischen Hugo von Hofmannsthal und Grete Wiesenthal und ihrer Bedeutung für Lily Spitz und deren Familie lässt sich allerdings vorläufig keine quellengestützte direkte Verbindung des Dichters zu Veza Taubner finden.357 Dies passt auch zur Tatsache, dass gleicherweise zu Grete Wiesenthal – die immerhin die Geliebte Hugo von Hofmannsthals war – nur äusserst rudimentäre Aussagen in Biografien zu Hugo von Hofmannsthal zu finden sind.358 Wie bei den Felonen spielt auch hier das Café Museum gleichsam als Nebenschauplatz eine Rolle.

Im Gegensatz zu den nicht zu belegenden Kontakten zwischen Veza Taubner und Hugo von Hofmannsthal ergeben sich literarisch gesehen bei dem Romanfragment Andreas oder die Vereinigten von Hugo von Hofmannsthal aus dem Jahr 1932 vielfältige intertextuelle Bezüge zu verschiedenen Texten Veza Canettis aus den 30er Jahren, aber auch zu solchen Hermann Brochs aus der gleichen Zeit. Im weitesten Sinne kann dies als ein Sich-Abarbeiten der beiden jüngeren Autoren, Veza Canetti und Hermann Broch, an der Wiener Moderne gesehen werden,359 mehr dazu im Kapitel Hermann Broch.

Bekannt sind zudem Veza Canettis Auseinandersetzungen mit dem Operettendiskurs, wie ihn Karl Kraus in Bezug auf die Werke von Jacques Offenbach angestossen hat.360 Veza Canetti verwendet im Drama Der Tiger, das im Alten Wien angesiedelt ist, nicht nur verschiedene Zitate aus Opern und Operetten, sondern greift mit diesem Werk in den Operettendiskurs von Karl Kraus ein. Sie positioniert sich in der Nähe der Position von Walter Benjamin in diesem Operettendiskurs, den Karl Kraus angestossen hat. Veza Canetti problematisiert im Theaterstück Der Tiger mit dem Einsatz einer wohlgesetzten Arie das Verramschen der Kunst in einem Kaffeehaus im Sinne einer Degradation von Kunst als Ware. Veza Canettis Einspruch wird in Form eines von „Pasta gesungenen Auszuges aus der Oper Carmen zum von Karl Kraus propagierten – und von Walter Benjamin pointiert formulierten – ‚Ersatz für Sprache‘, die ‚scheidende Gewalt‘ gewesen wäre“361, oder anders ausgedrückt, Musik wird „zu List und Ausflucht, Einspruch und Vertagung“362 der Problematik rund um „Kunst als Ware“.

Von Hugo von Hofmannsthal ist zudem bekannt, dass er für Richard Strauss verschiedene Opernlibretti geschrieben hat. Im Zentrum dieser und anderer Opern von Richard Strauss stehen oft grosse Frauenfiguren aus Mythologie und Kulturgeschichte wie in Elektra, Ariadne auf Naxos, Salome, Die Frau ohne Schatten und weiteren. Richard Strauss greift mit der Darstellung von grossen Frauenfiguren eine Thematik auf, mit der nur wenige Jahrzehnte zuvor der Theaterautor Friedrich Hebbel (1813–1863) auf den Bühnen Wiens viele Erfolge gefeiert hat. Elias Canetti hat mehrfach erwähnt, dass Veza Canetti die Tagebücher von Friedrich Hebbel sehr geschätzt habe.363 Bemerkenswerterweise sind aber gerade die Tagebücher Friedrich Hebbels eigentliche Korrektive seines ehrfurchtsvollen Dichterblickes auf Frauen, denn in diesen persönlichen Aufzeichnungen tritt er Frauen eher abwertend entgegen. Beispielsweise in einem Eintrag vom 7. Dezember 1843: „Das echte Weib ist seinem eigenen Gefühl nach nichts für sich, es ist nur etwas in seinem Verhältnis zu Mann, Kind oder Geliebtem – wie zeigen dies Elisens Briefe!“364

Veza Canetti zwischen Leben und Werk

Подняться наверх