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D2.4.3 Felix Salten – Der Sieger

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Ein weiterer Gegner von Karl Kraus, der im Salon Spitz verkehrt haben könnte, ist Siegmund Salzmann, der sich ab 1906 Felix Salten nannte. Der 1869 geborene Ungar arbeitet als Journalist, Redakteur und Schriftsteller. Er ist auch schon während des Ersten Weltkrieges im Filmgeschäft tätig. Bereits 1906 hatte er eine Blossstellung seiner Person in der Fackel mit einer Ohrfeige an Karl Kraus quittiert. Ab 1919 war er für das Sonntagsfeuilleton der Neuen Freien Presse tätig. Die Neue Freie Presse gilt als die Tageszeitung Wiens, die von Karl Kraus am häufigsten polemisch angegriffen wurde. Felix Salten publizierte in den 20er Jahren einige populäre Romane. Heute ist er vor allem bekannt als Autor der Tiergeschichte Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Wald von 1923, die durch Walt Disney zu einem Welterfolg wurde. Politisch ist Felix Salten schwer einzuordnen, zwischen den Kriegen zeigte er sich gegenüber dem Roten Wien nicht abgeneigt, nach 1934 nimmt er Partei für den austrofaschistischen Ständestaat.

Ganz unbekannt ist, weshalb Veza Magd in ihrer ersten in der Arbeiter-Zeitung veröffentlichten Erzählung Der Sieger der Figur des unternehmerisch höchst ungeschickten Fabrikdirektors ausgerechnet den Namen Siegfried Salzmann gibt. Dieser Direktor, der für den eigenen Hund einen Koch beschäftigt, zeigt kein Herz, wenn es darum geht, seine tüchtigste Angestellte, Anna Seidler, zu entlassen. Seine Auswahlkriterien bei der Entlassung sind das Aussehen der Angestellten und ihre sexuelle Verfügbarkeit. Ausserordentlicher Arbeitseinsatz hingegen zählt nicht. Die Entlassung wird Anna – wegen des Unglücks, das die Arbeitslosigkeit über ihre Familie bringt – in den Tod treiben. (GbR 49 ff.) Dass der reale Siegmund Salzmann alias Felix Salten tatsächlich ein grosser Hundenarr und ein passionierter Schürzenjäger war,396 ist verbrieft. Hunde waren dem passionierten Jäger397 Salten nicht nur für die Jagd wichtig, wie einige Bilder im Band zur Ausstellung Felix Salten dokumentieren, wo er seine Vierbeiner wie Babys in den Armen hält, sondern hatten den Status von sehr vertrauten Familienmitgliedern.398 Vielen zeitgenössischen Lesern der Erzählung Der Sieger dürfte der Seitenhieb Veza Canettis auf Siegmund Salzmann alias Felix Salten, den Sieger, aufgefallen sein. Die Dichterin evoziert damit eine zusätzliche Bedeutungsebene, nämlich die, dass in Schreibstuben der Presse Ausbeuterverhältnisse herrschen können wie in Fabriken auch. Natürlich stellt sich hier aus biografischer Perspektive die Frage: Hat Veza Taubner allenfalls für die Neue Freie Presse gearbeitet oder kennt sie die Verhältnisse nur vom Hörensagen? Ein weiterer Berührungspunkt Veza Taubners mit Felix Salten könnte der Zsolnay-Verlag gewesen sein. Hat sie dort einen Teil seiner Bücher lektoriert oder womöglich deren Übersetzungen ins Englische getätigt? Felix Salten veröffentlicht im Zsolnay-Verlag in der Zwischenkriegszeit 17 Titel mit einer Gesamtauflage von insgesamt 160.690 Exemplaren.399 Der Verlag muss aber im Gegenzug sehr von Felix Saltens Tätigkeit als Feuilletonredakteur der Sonntagsbeilage der Neuen Freien Presse profitiert haben, da alle neu erscheinenden Zsolnay-Bücher darin besprochen wurden.400 Darüber spekuliert darf werden, weshalb Veza Taubner den Vornamen Siegmund zu Siegfried gewandelt hat – also aus dem siegreichen Verteidiger einen Drachentöter gemacht hat. Bei dem bunten, ja sarkastischen Spiel mit Namen, das Veza Canetti in ihren Texten treibt, bestimmt kein Zufall.

Eine weitere Besonderheit hinsichtlich eines potenziellen – wenn auch nur intertextuell nachweisbaren – Beziehungsgeflechts zwischen Veza Taubner und Felix Salten bilden die beiden Langnovellen Die kleine Veronika und Olga Frohgemuth, beide sind 1903 entstanden.401 Das Schicksal von Veronika in Die kleine Veronika korrespondiert gleich mehrfach mit Erzählungen Veza Canettis, beispielsweise mit dem Schicksal des Dienstmädchens Emma Adenberger in der Erzählung Der Kanal, das genau wie Veronika ohne sein Wissen an eine Bordelldame402 vermittelt wird, das sich aber in letzter Minute, bereits zur salonfähigen Dirne Kitty zurechtgestutzt – im Gegensatz zur Veronika von Salten –, noch retten kann. Ein anderes Dienstmädchen aus Veza Canettis Erzählung, Emilie Jaksch, probiert den Selbstmord erfolglos im städtischen Donaukanal aus, während das Mädchen Veronika aus Saltens Die kleine Veronika sich im heimatlichen Dorfbach umbringt. Emma Adenberger nun spielt auch in einer anderen Erzählung Veza Canettis, Der Fund, eine wichtige Rolle. Hier wird sie vom ehemaligen Geliebten, einem Arzt, schnöde zurückgewiesen mit dem Hinweis auf ihren Stand. Die Figur der Emma Adenberger nun weist nicht nur auf die Kleine Veronika von Felix Salten zurück, sondern zudem auf dessen Olga Frohgemuth in der gleichnamigen Langnovelle. Die Professorentochter Olga stirbt, nachdem der von ihr geliebte Prinz sich – wegen der Standesgrenze und des ungerechtfertigten Klatsches über sie – von ihr zurückgezogen hatte. Auffallend ist, dass die erwähnten Frauenfiguren bei Veza Canetti sich aus eigener Kraft retten oder durch staatliche Eingriffe sowie durch die Hilfe von Mitmenschen gerettet werden können. Zum Beispiel kann der Selbstmörderin Emilie Jaksch durch ein städtisches Programm für obdachlose Dienstmädchen aus der Misere geholfen werden. Felix Salten verwendet in verschiedenen Novellen Figuren mit dem Namen Mizzi, meist sind es Edelprostituierte wie die Mizzi Manhard aus der Novelle Das Manhard-Zimmer von 1897, das in der Fabel dem einaktigen Lustspiel Schöne Seelen von 1925 entspricht.403 Veza Canetti hingegen variiert diese Thematik in der Erzählung Der Kanal und im gleichnamigen Kapitel des Romans Die Gelbe Strasse gleichsam modern mit der Figur der Mizzi Schadn. Diese wird von der Dienstbotenvermittlung direkt an eine Baronin vermittelt, die sich als Lesbe kein Dienstmädchen, sondern ein Mädchen für das Bett erhofft hatte. Trotz des ihr von der Baronin angebotenen Luxus flüchtet Mizzi Schadn verstört und reiht sich wieder auf der langen Bank der Arbeit suchenden Dienstmädchen ein.

Mizzi heisst gemäss Wörterbuch des Wiener Dialekts von 1929 Marie, also Maria.404 Diese Aussage korrespondiert mit der mehrfachen Aussage von Elias Canetti, dass Veza über eine Madonnensammlung verfügt habe,405 die sie ihm aber nie gezeigt habe. Im Roman Die Schildkröten wird Veza Canetti die Figur der Nazigattin, ein aufgestiegenes ehemaliges Dienstmädchen, im okkupierten Wohnraum der Dichtergattin das Bild der Madonna auf Wunsch ihres Mannes durch ein Bild Adolf Hitlers ersetzen lassen. (Sch 116) „Auch jetzt glaube sie noch an Ausnahmen, zum Beispiel dieser Schriftsteller hier in der Wohnung sei im Dorf geachtet, sogar beliebt. Die Frau dürfte auch nicht die Schlimmste sein, hier hatte sie sogar ein Madonnenbild hängen.

Die hat sie hier, weil sie ihren Stamm (der Schriftsteller und seine Frau sind jüdisch, Anm. va) verleugnen will. Ein alter Trick im übrigen mag sie sich doch ansehen, was diese Leute hier pflegen. Je hässlicher das Motiv, desto mehr sagt es ihnen. Das war das Zersetzende. Dieser Krüppel hier! Krüppel zu malen! ‚Das nimmst du weg und in den Rahmen kommt der Führer.‘“ (Sch 116)

Veza Canetti und Felix Salten greifen in ihren Mizzi-Figuren, wienerisch für Maria, eine zeittypische Sichtweise auf, die 1914 von A. J. Störfer im Band Marias jungfräuliche Mutterschaft zusammengefasst wurden. A. J. Störfer, der zusammen mit Ernst Polak und Milan Dubrovic auch in den Unpublizierten Lebenserinnerungen von Elias Canetti Erwähnung findet,406 schreibt: „Dem Auferstehungsmythus folgt der Marienmythus. Er wird vom 4. Jahrhundert an allmählich zum wichtigsten des christlichen Mythenkomplexes. Da die tatsächliche (historisch-wirtschaftliche) Revolution missglückt ist (indem die Kirche, mit der weltlichen Macht verbündet, selbst ein Imperium errichtet), tritt der Sieg der antipatriarchalischen Bestrebungen in der psychischen Realität, im Mythus ein. Marias Jungfräulichkeit bedeutet bloss ihre Ehelosigkeit, bedeutet bloss, dass Maria ausserhalb der vaterrechtlich eingeengten Sexualordnung steht. Der Hetärismus ist in der Phantasie wieder hergestellt: Es gibt keinen Vater mehr.“407

Dazu passt Felix Saltens 1935 uraufgeführte Komödie Mädchenhände, in der ein Mädchen, Mizzi Pointer, den unter Lebensüberdruss und Zwangsvorstellungen leidenden Sohn Karl des ehemaligen Geliebten ihrer Mutter mit einer vorgespielten Liebschaft, gegen Anfrage und Entgelt durch dessen Vater, heilen soll, was auch gelingt. Das Mädchen Mizzi hingegen, das sich unerwarteterweise selbst in Karl verliebt, weigert sich das Geld anzunehmen. Ob diese Mädchenhände etwas mit den „abgehackten Händen (…) an den Wurzeln noch rosig von frischem Blut“ (DF 23) in der von Veza Magd 1937 publizierten Erzählung Hellseher zu tun haben könnten, bleibt unsicher. Die abgehackten Hände entpuppen sich in Veza Canettis Text als Wachshände, die den Ich-Erzähler – ein Schriftsteller, dessen Blatt wegen der Zeitumstände leer bleiben muss – sehr erschreckt hatten. „‚Hier sind die Hände!‘ Die Pianistin hatte sie rasch geholt, die Hände des Magnetiseurs, die Hände aus Wachs, die mich erst so erschreckt hatten. Es war symbolisch für alles, was später kam, erst lähmender Schreck, der zu Wachs wurde.“ (DF 28)

Eine ganz andere Mizzi präsentiert Felix Salten in seiner 1932 im gleichnamigen Novellenband veröffentlichten Erzählung. Diese Mizzi, eine Vorstadtschönheit, „sie sah aus wie ein Schubertlied aussehen müsste“408, wird einzig kraft ihres Aussehens, aber ohne Talent eine berühmte Schauspielerin in Wien. Ihr gelingt in der Folge der gesellschaftliche Aufstieg bis zur Ehefrau eines Grossindustriellen und baronisierten Patriziers mit Namen Erwein. Leider verliebt sie sich nach wenigen Ehejahren in einem Heurigenlokal in einen Bänkelsänger namens Poldi, für den sie Mann und Kind verlässt. Nach einigen Jahren als glückliche Wirtin in einem Heurigenlokal bringt sie den notorischen Ehebrecher Poldi und dessen neue Geliebte, eine Bänkelsängerin, und sich selbst mit Rattengift um.

Felix Salten ist heute der Allgemeinheit nur noch als Autor von Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde in Erinnerung. Das Buch wurde 1923 im Ullstein-Verlag veröffentlicht und bereits 1928 ins Englische übersetzt. Richtig berühmt wurde die Erzählung jedoch erst durch die Verfilmung im Jahre 1942 durch Walt Disney.

Dass Veza Canetti tatsächlich noch in einer weiteren vergleichbaren Branche tätig gewesen sein könnte wie Felix Salten, offenbart eine Briefpassage von 1948, wo sie Georges, dem Bruder von Elias Canetti, mitteilt, dass sie „Kurzgeschichten für die Jugend für eine engl. Zeitschrift“ schreibe, „die Clement illustriert“. (BaG 359) Mit Clement ist Clement Glock gemeint, die illustrierten Kurzgeschichten gelten leider als verschollen. (BaG 412) Ob Veza Canetti hier an ein Tätigkeitsfeld angeknüpft hat, das sie schon in Wien gepflegt haben könnte, ist unsicher, aber erwägenswert. Die frühen Erfolge Veza Taubners, die Elias Canetti anspricht, könnten womöglich im Bereich Kinderbuch angesiedelt gewesen sein. Vielleicht hat Veza Taubner die Texte für illustrierte Kurzgeschichten geliefert, die dann unter Pseudonym oder unter dem Namen des Illustrators oder der Illustratorin publiziert wurden.

Beinahe sarkastisch in Bezug auf den Welterfolg von Felix Saltens Bambi mutet an, dass der Übersetzer-Name Veronika Knecht auf einem Band aus dem Hause von Walt Disney mit dem Titel Donald Duck und das doppelte Gespenst an Veza Canettis Pseudonym für Drei Helden und eine Frau erinnert. Ob die Übersetzung des Disney-Bandes aus dem Jahre 1974 – unbekannt ist, ob es sich um die erste Auflage handelt – tatsächlich aus der Feder von Veza Canetti stammen könnte, ist schwer nachzuweisen. In Anbetracht dessen, dass Veza Canetti Kindergeschichten zusammen mit Clement Glock veröffentlicht haben muss, ist selbst eine Übersetzertätigkeit in diesem Bereich nicht auszuschliessen.

Im Zusammenhang mit Felix Salten lassen sich aber noch weitere Themenbereiche finden, die ihn kontrovers mit Veza Canetti verbinden. Während Felix Saltens im Jahre 1908 herausgegebener Novellenband Künstlerfrauen nicht als Sammlung von Porträts von Frauen, die als Künstlerin tätig sind, gestaltet ist, sondern als Frauen von Künstlern wie Maler, Dichter oder Musiker, denen er gleichsam reportagehafte Authentizität gibt, sind Frauen bei Veza Canetti auch selbst Künstlerinnen, wie beispielsweise die Bildhauerin Diana und die Sängerin Pasta im Theaterstück Der Tiger oder die Bildhauerin Agatha Valorbes im Theaterstück Der Palankin oder ferner die Tänzerin Bella Buff. Da viele Erzählungen Veza Canettis im Künstlermilieu spielen, hat sie zudem immer wieder Künstler-Ehefrauen dargestellt, wie die Dichtergattinnen Eva Kain im Roman Die Schildkröten oder Rosina im Palankin. Mit der Erzählung Drei Viertel diskutiert Veza Canetti die Beziehung eines Künstlers zu Frauen, die für ihn Modell stehen und für ihn im erweiterten Sinne Musen darstellen. Während Felix Salten das Spektrum der Frauenrollen in Bezug auf einen Künstler-Ehemann in den Bereichen Ehefrau, Mutter der Kinder, Wirtschafterin bis zu einem Aufstieg ins Milieu der Adligen auslotet, gehen Veza Canettis Darstellungen von Frauen im Künstlermilieu darüber hinaus; eigenständige Künstlerinnen werden neben Ehefrauen von Dichtern gezeigt, die sich mit Erwerbsarbeit und anderweitiger Unterstützung für ihren Gatten einsetzen. Diese Frauen weisen wiederum eine grosse Nähe zu Saltens Künstlerfrauen auf.

1931 hat Felix Salten einen weiteren Text publiziert, der in Zusammenhang mit Veza Taubner gebracht werden kann, nämlich: Zoo: Freunde aus aller Welt – Roman eines zoologischen Gartens. In diesem Roman steht im Zentrum das Fühlen und die Erlebnisse der gefangenen Tiere, in denen sich der Mensch wiedererkennen kann. Auch Veza Canetti hat zwei Erzählungen dem Thema Zoo gewidmet: London der Zoo und Herr Hoe im Zoo. Diese zwei Erzählungen gehören zusammen mit der Erzählung Der Hellseher zum autobiografisch konnotierten Wachs-Fragment.409 Die blutenden Wachshände in der Erzählung Der Hellseher, die als Metapher für das zeitbedingte Aufgeben des Schreibens durch die Ich-Erzählerin verstanden werden können, weisen indirekt zurück auf die 1935 aufgeführte Komödie Mädchenhände von Felix Salten. Wachsfiguren bei „The New Madame Tussauds“ (DF 31) werden in der Erzählung London der Zoo in Kontrast gesetzt zu den gefangenen Tieren im Zoo; während die Tiere des Zoos auf die Ich-Erzählerin harmlos wirken und sogar menschenähnliche Eigenschaften haben und darin den Tieren in Felix Saltens Roman eines zoologischen Gartens gleichen, entpuppen sich die Wachsfiguren im Wachsfigurenkabinett als gefährlich und versetzen die Ich-Erzählerin in Angst und Schrecken. Dies bewirken nicht nur die vielen Mörder, die hier dargestellt sind, sondern darüber hinaus Personen mit adligem Aussehen: „Einem andern aber mit adeligem Äussern bin ich hineingefallen. Gemeiner Mord.“ (DF 32) Akkurat dieser Ansicht ist auch die Hauptfigur der Erzählung Herr Hoe im Zoo: „Es gibt keine Raubtiere, sondern nur Raubmenschen.“ (DF 33)

Von Interesse bezüglich Felix Salten und dessen Verbindung mit dem Salon von Camilla Spitz ist eine Aufzeichnung von Elias Canetti aus dem Jahre 1968:

„Viel Süssigkeiten bei Schnitzlers Liebeserlebnissen. Seine arme Stickerin endlich in einem Zimmer mit Aussicht auf die Strasse: das ist ihm behaglicher. Sehr aufmerksam sind die jungen Lebemänner auf Paralytiker, er erwähnt mehrere. Die Angst vor Syphilis ist das einzige, buchstäblich das einzige Hindernis vor unaufhörlichem Geschlechtsverkehr. Sein Arztzimmer in der Klinik, wo die Geliebte bei ihm übernachtet. Er geht zum Dienst, kommt zurück, findet sie noch im Bett, wo sie auf ihn wartet. Lästiger ist noch niemand ein Dienst gefallen. –

Eine solche unaufhörliche Geschlechtsatmosphäre gab es auch bei Vezas Tante Camilla, wo allerhand Leute verkehrten, auch die Grete Wiesenthal und Billinger z. B. –“410

Diese Passage zeigt einerseits, wie Elias Canetti nach dem Tod von Veza versucht, mit Hilfe von Tagebüchern und Texten von Wiener Autoren wie eben Arthur Schnitzler, aber auch Hermann Broch oder Heimito von Doderer diese literarisch-künstlerische Welt zu verstehen, zu der er erst relativ spät – ungefähr ab 1924 – langsam Zugang bekam. Andererseits greift Elias Canetti mit dieser unaufhörlichen Geschlechtsatmosphäre etwas auf, das gerade mit den Felix Salten zugeschriebenen Bekenntnissen der Dirne Josefine Mutzenbacher in Wien bereits 1906 für Furore gesorgt hatte.

Veza Canetti zwischen Leben und Werk

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