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D2.3 Die Schwarzwaldschule – ein Kontrapunkt zum Salon Spitz

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Die drei Schauspielerinnen Alice Herdan, Helene Weigel und Elisabeth Neumann wurden an der Schwarzwaldschule von Auguste Lazar, einer promovierten Germanistin und Schriftstellerin, unterrichtet. Nicht nur die drei Exschülerinnen und Schauspielerinnen zog es nach Deutschland, auch Auguste Lazar lebte mit ihrem Mann Karl Wieghardt, einem Mathematiker, ab 1920 in Dresden. Deutlich bekannter als Auguste ist ihre acht Jahre jüngere Schwester Maria Lazar, ebenfalls Absolventin der Schwarzwaldschule und Schriftstellerin. Bei Maria Lazar muss Elias Canetti 1932 im privaten Rahmen die Komödie Die Hochzeit gelesen und dabei Hermann Broch kennengelernt haben, wie er schreibt: „Ich sollte bei der Maria Lazar, die wir beide kannten, – ich sehr gut –, vor einigen Gästen ‚Hochzeit‘ vorlesen. Ernst Fischer und seine Frau Ruth waren eingeladen.“381

Im Jahre 1935 leben im Exil in Dänemark Bertolt Brecht und Helene Weigel im Haus neben dem von Maria Lazar, die ebenfalls in den Norden migriert war. „Grüsse an Maria Lazar“382, schreibt Wieland Herzfelde in einem Brief an Bertolt Brecht. Maria Lazar und die Brechts lebten in Thurø/Dänemark auf dem Grundstück von Karin Michaëlis, einer dänischen Schriftstellerin und Theaterkritikerin, die sehr eng mit Eugenie Schwarzwald, der Direktorin der Schwarzwaldschule, befreundet war. Karin Michaëlis hatte sich bereits während des Ersten Weltkrieges viel in Wien aufgehalten und sich zusammen mit Eugenie Schwarzwald caritativ für die hungernden Wiener Kinder eingesetzt. Aus dieser Zeit stammte die Freundschaft zwischen Helene Weigel und Karin Michaëlis.

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass Veza Taubner die Schwestern und Schriftstellerinnen Maria und Auguste Lazar sowie die mit ihnen befreundete Schauspielerin Helene Weigel schon während oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg gut gekannt haben muss. Gerade auch wegen Veza Canettis Jugendfreundin Gerti Spitz, geborene Fuchs, die fast gleich alt wie Helene Weigel zur selben Schauspielerinnengeneration in Wien gehört. Leider kann dies bisher durch keine Quellen direkt belegt werden. Da Helene Weigel ab 1922 in Berlin tätig war und ab 1924 mit Bertolt Brecht liiert ist, könnte dies unter Umständen einer der möglichen Wege sein, auf denen Veza Taubner zur Tätigkeit als Lektorin und Übersetzerin für den Berliner Malik-Verlag gekommen ist.

In ihren Lebenserinnerungen Arabesken skizziert Auguste Lazar 1961 eine treffende Charakterisierung der Kreise, die zur Schwarzwaldschule gehörten, und ihrem eigenen eher konservativen Elternhaus: „Bei Schwarzwald verkehrten Menschen aller Glaubens- und aller politischen Richtungen. Nach dem Sturz der ungarischen Räterepublik waren flüchtige Kommunisten aus Budapest gekommen, und in den dreissiger Jahren war der berühmte Jesuitenpater Muckermann ein häufiger Gast. Gewiss, man konnte nicht vorurteilsloser scheinen als die Schwarzwalds.

Am besten lässt sich das Verhältnis zwischen dem Haus Schwarzwald und meiner eigenen Familie in einer Gleichung ausdrücken. Die Schwarzwalds verhielten sich zu meiner Familie wie Karl Kraus zu Stefan Zweig. An vielem Überlebten, Abgestorbenen hielten die einen noch fest, während die anderen es zwar als überlebt, abgestorben erkannten, aber doch nichts daran ändern konnten, weil sie dem gemeinsamen Boden, dem Bürgertum verhaftet blieben.“383

Wie das Elternhaus von Auguste Lazar kann wahrscheinlich auch der Salon von Camilla Spitz gesehen werden. Akkurat an dieser Scheide zwischen Alt und Neu steht Veza Canettis Roman Die Gelbe Strasse in seiner dezidierten Abgrenzung zum Drama Die Rote Strasse von Franz Theodor Csokor.

Zu den Schwestern Maria und Auguste Lazar gibt es bis in die Exilzeit hinein potenzielle Berührungspunkte mit Veza Canetti. Lebte doch Auguste Lazar den grösseren Teil ihrer Exilzeit – wie Veza Canetti – in Hampstead. Sie wird allerdings 1949 wieder in die Heimat ihres verstorbenen Mannes nach Dresden übersiedeln. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war ihre schwer kranke Schwester Maria Lazar für einige Monate zu ihr nach Hampstead gezogen, um sich wegen ihrer als unheilbar geltenden Knochenkrankheit behandeln zu lassen. Auch für diese Zeit ist kein Kontakt mit den Canettis bezeugt, was doch sehr erstaunt.384

Veza Canetti zwischen Leben und Werk

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