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7.

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Wie wir uns ereifert haben über die Predigt des Pfarrers. Speckeisen nannten wir ihn. Weil er so ähnlich hieß, wir seinen Namen aber nicht gleich richtig verstanden hatten. Der Dialekt der Inselleute machte uns doch Schwierigkeiten. Und nachzufragen, daran dachten wir überhaupt nicht. Noch schöner, nein, noch schöner könnte er wirklich nicht ausfallen, der Name eines fetten Pfarrers. Damals ging ich ja noch gelegentlich in den Sonntagsgottesdienst. Genau wie Renate. Ein überraschend moderner Klinkerbau mit einem wuchtigen Turm über dem Haupteingang. Der stand da wie der letzte Stummel eines bald völlig verbrauchten überdimensionierten Zimmermannsbleistifts. Himmelsschreiber, ja, so nannten wir diesen Kirchturm. – Aber wie Pfarrer Speckeisen die Frauen um Jesus dargestellt hat, das schrie zum Himmel. Fanden wir wenigstens. Wobei wir ausnahmsweise einmal verschiedener Meinung waren.

Da erzählt so ein Pfarrer auf der Nordseeinsel Juist, wie Jesus im fernen Palästina in einem Dorf von einer Frau namens Marta eingeladen wird, zu ihr nachhause zu kommen und ihr Gast zu sein. Irgendwie bringt er das auf die bekannte Formel: Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. „Das ist so üblich gewesen damals“, sagt er, „als es noch keine Hotels und Pensionen und christlichen Hospize gab. Leute, die wie Jesus predigend umherzogen, waren stets darauf angewiesen, daß ein lieber Mitmensch sich so für sie begeisterte, daß er sie in sein Haus einlud. Die Marta“, so Speckeisen, „war zwar solch eine begeisterte Zuhörerin, aber nur, bis sie es geschafft hatte, den vielbestaunten Prediger zu ihrem Gast zu machen. Von dem Moment an hatte sie für ihn kein Ohr mehr. Sie kümmerte sich nur noch um die Bereitung des Essens. Sie wollte ihm nämlich zeigen, was für eine perfekte Gastgeberin sie war. Ganz anders ihre Schwester Maria, die mit ihr in dem Haus wohnte. Die setzte sich zu Füßen des Meisters nieder und lauschte aufmerksam seinen Worten. Und als Marta sich nach einer Weile bei Jesus beschwerte, daß ihre Schwester nur dasitze und ihr die ganze Arbeit überlasse, und ihn bat, er möge sie anweisen, ihr ein bißchen zur Hand zu gehen, da mußte die gute Frau sich sagen lassen: ,Marta, Marta, du kümmerst dich zuviel um Unwichtiges. Deine Schwester Maria hat den besseren Teil gewählt.‘

Es ist halt mehr Ehrerbietung“, deutet der Pfarrer die Geschichte, „einem zuzuhören, als einem was zu essen zu machen. Denn im ersteren Falle zeigt man dem Gast, daß man ihn für überlegen hält, im zweiten Fall dagegen stempelt man ihn zu einem Bedürftigen ab und zeigt sich ihm überlegen, weil man ja hat, was er braucht.“

Das mit der Ehrerbietung paßte uns beiden nicht. In der Geschichte wurde für unseren Geschmack zuviel Aufhebens um diesen Mann Jesus gemacht. Darin waren wir uns noch einig. Aber die beiden Frauen sahen wir dann doch sehr verschieden.

„Daß die Maria zu Füßen des Meisters saß und ihm nur zuhörte, das glaube ich einfach nicht“, hatte Renate sich entrüstet. „Wenn sie so ein dummes Huhn war, dann brauchte sie nicht in der Bibel erwähnt zu werden. Ich wette, die Maria war die Gesprächspartnerin, die Jesus schon lange gesucht hatte. Endlich hatte er die Frau gefunden, die ihm durch ihre ganz andere Sicht der Dinge dazu verhalf, seine Theorien richtig auf den Punkt zu bringen.“

„Aber davon steht nichts in der Bibel“, hatte ich widersprochen.

„Die Bibel ist ja auch von Männern geschrieben. Deshalb.“

„Trotzdem. Diese Annahme ist eine unzulässige Ausweitung der Geschichte. Mir scheint eher, daß Jesus so stur bei Maria sitzengebleiben ist und die Marta so grob abtat, weil er enttäuscht war.“

„Enttäuscht? Wieso?“

„Weil Marta, die ihn mit nachhause genommen hatte, nicht allein war.“

„Na, davon steht aber auch nichts in der Bibel“, hatte Renate aufgetrumpft. „Das ist also genausogut eine unzulässige Ausweitung der Geschichte.“

„Nicht ganz genauso“, hatte ich mich gewehrt, „denn du hast eine Tatsachenergänzung vorgenommen, während ich lediglich eine Deutung der Tatsachen gebracht habe, was viel weniger an Ergänzung ist – und dazu noch so naheliegend. Schließlich war auch dieser Jesus ein Mann.“

Na ja, wahrscheinlich habe ich mich damals noch nicht so juristisch klar ausgedrückt. Aber so gemeint hatte ich es jedenfalls. So war plötzlich aus der Entrüstung über die Predigt von Pfarrer Speckeisen eine richtig verbissene Auseinandersetzung geworden. Eigentlich die einzige, die wir auf Juist hatten. Plötzlich war da ein Graben aufgerissen zwischen uns, und das nur, weil Renate so vehement für diese Maria und ich genauso für die Marta Partei ergriffen hatte. Zum Glück hatten die Juister Wanderdünen den Graben schon nach einer Nacht unauffindbar gemacht. Und wir beide, wir dachten gar nicht daran, ihn zu suchen. Was kümmerten uns auf unserer Paradiesinsel auch die palästinensischen Schwestern Marta und Maria? Wir waren am nächsten Tag wieder wie immer: in geradezu schlagerverdächtiger Harmonie ein Herz und eine Seele.

Tage des Terrors. Tatsachenroman

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