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13.

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Die Stadt blieb schwarz. Und sie würde noch lange so bleiben, hieß es in der Zeitung. Denn bis diese Unmenge Granulat wieder aufgenommen und abtransportiert wird, würden noch Wochen vergehen. Der Schnee schmolz allmählich unter dem Streumaterial und unter dem Hundekot weg. Was die Stadt nicht attraktiver machte. Bald würde der heftige Schneefall, der Anlaß, vergessen und nur noch das Ärgernis übrig sein. Wie üblich. Falls kein Neuschnee kommt. Aber damit war nach Meinung der Meteorologen nicht so bald zu rechnen.

In den Leserbriefspalten meldeten sich wieder die Besserwisser mit ihren Vorschlägen. Man solle die vielen Arbeitslosen zum Kehrdienst heranziehen. Damit wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Leute hätten Arbeit, und der Dreck käme von den Straßen. Und, meinte einer, wenn dieses scheußliche Streugut weg sei, dann gäbe es auch nicht mehr solche Schmierereien an den öffentlichen Gebäuden, dieser Unfug, daß was in der Luft liegt – nicht nur auf den Straßen. Die Beseitigung von solchem Quatsch koste ja auch nur das gute Geld der Steuerzahler. Die Stadtpolitiker nahmen reihum die Gelegenheit wahr, in langen Statements mal wieder auf sich aufmerksam zu machen und nichts zu sagen.

„Die müssen doch nur ihre Existenzberechtigung nachweisen“, knurrte Rainer Kleine Sextro. Aber Annemarie hatte keine Lust, etwas darauf zu antworten.

Daß er die Zeitung las beim Frühstück, das war ein Privileg, das sie ihm ließ. Dafür machte er das Frühstück, eine der wenigen Arbeiten, mit denen er seinen gern herausgestellten Titel Hausmann rechtfertigte. Und sie wußte auch, daß er ihr mit der Zeitungslektüre signalisierte: Es ist nicht so, als ob ich mich nachher in den Sessel setzen könnte zur gemütlichen Zeitungslektüre, wenn du zum Dienst gegangen bist. Ich muß dann die Wohnung aufräumen und mich an der Staffelei abquälen und zwischendurch einkaufen und und und. Künstlerleben in einer amusischen Zeit, pflegte er zu sagen. In der Hoffnung, damit bei den Bekannten und Verwandten ein bißchen mehr Verständnis hervorzulocken für seine ausbleibenden Erfolge als Maler und für die unkonventionelle Art der Arbeitsteilung, die bei den Kleine Sextros praktiziert wurde.

„Find ich aber ganz lieb von dir, Rainer, daß du schon Schrippen geholt hast. Ist doch heute gar kein Sonnabend“, sagte Annemarie.

„Ich kann dir ja auch mal unter der Woche eine kleine Freude machen.“

„Danke, danke, eine gute Idee. Und dann noch französische. Das ist ja fast wie im Urlaub.“

„Ja, echte Croissants haben die.“

„Nein, nenn sie lieber nicht so.“

„Aber so heißen sie doch.“

„Ja, stimmt. Aber das klingt so nach Arbeit. Denn Croissant heißt auch der Rechtsanwalt, der sich in der linken Szene einen Namen gemacht hat“, erklärte Annemarie, „und dafür sitzen mußte.“

Und Rainer lachte: „Also gar kein Rechtsanwalt, sondern ein Linksanwalt. Das ist schön.“

Annemarie saß da und wußte nicht, ob sie mitlachen sollte oder davonlaufen.

„Ist dir nicht gut?“ fragte er fürsorglich.

Doch sie faßte sich schnell wieder und sagte nur leichthin: „Na gut, dann frühstücken wir eben Linksanwälte.“ Dabei setzte sie sich zurück, stützte ihren linken Ellenbogen auf die Armlehne und fing an, ihre Haare um den Zeigefinger zu wickeln.

Eine Angewohnheit, die Rainer noch nie leiden konnte. Vor allem bei Tisch fand er dieses Gedrehe unpassend. Aber er hatte sich allmählich damit abgefunden. Er wußte, das gehört nun einmal zu ihr. Und bald hatte er auch herausgefunden, daß das ihre Haltung der konzentrierten Nachdenklichkeit war. Um so mehr hütete er sich von da an, sie zu unterbrechen. Andere kratzen sich hinterm Ohr, sagte er sich, das hat der Mensch mit dem Affen gemeinsam. Wieder andere kauen an den Fingernägeln, was schlimmere Verheerungen hinterläßt als nur eine derangierte Frisur. Und manche schieben die Zunge zwischen die Zähne, wenn sie konzentriert nachdenken, was nicht ganz ungefährlich ist.

„Weißt du“, hatte seine Frau ihm einmal erzählt, „Renate und ich, manchmal haben wir gedreht, als ob wir einen Wettkampf machten. Und ich habe Renate oft heimlich beneidet, weil sie viel volleres, festeres Haar hatte als ich mit meinen dünnen weichen Härchen. Ich habe es auch einmal bei ihr probiert. So hineingreifen zu können ins Volle, das war schon ein schönes Gefühl. – Nein, nein, das war ein ganz anderes Gefühl. Es hatte nichts mit dem zu tun, was ich fühle, wenn ich in meinen eigenen Haaren drehe.“

Er hatte wohl sehr dumm geguckt, als sie ihm das erzählte. Und sie hatte ihm angesehen, daß er auf eine falsche Fährte geriet. „Nein, nicht so, wie du denkst. Als ich ihre Haare gedreht habe, das war nur Neugier. Und das war Vertraulichkeit im besten Sinne. Und im höchsten Maße. Wenn du verstehst, was ich meine. Nichts sonst war das. Wir hießen doch überall nur immer die Unzertrennlichen. Und das waren wir tatsächlich: unzertrennlich. Aber nicht in der Art, daß wir mit uns selbst genug gehabt hätten und alles andere ausgeschlossen gewesen wäre. Nein, wir waren keine Lesben. Das wäre uns zuwenig gewesen. Männer mußten es schon sein.“

Tage des Terrors. Tatsachenroman

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