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Beibringung eines Stoffes (Giftes) § 224 I Nr. 1 StGB

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Ein Stoff (Gift Rn. 115) ist »beigebracht«, wenn der Täter dessen Verbindung mit dem Körper des Opfers derart hergestellt hat, dass der Stoff seine gesundheitsschädliche Wirkung (Rn. 116) im Inneren des Körpers oder zumindest auf der Körperoberfläche (str. Rn. 114) entfalten kann.

Literatur:

Fischer § 224 Rn. 3 ff; MK-Hardtung § 224 Rn. 4 ff (z.T. abw.). Einführend: Rengier, BT 2, § 14 Rn. 8 ff; Hohmann/Sander, BT 2, § 7 Rn. 5 ff (beschränkt auf die Entfaltung innerer Wirkungen).

Rechtsprechung

Grundlegend: 1. zu § 229 a.F.: BGHSt 15, 113 (114 ff); BGH NJW 1976, 1851 f. 2. zu § 224 I Nr. 5: BGHSt 51, 18 (22 f – Salzintoxikation) mit krit. Anm. Bosch JA 2006, 743 (744 f). Beispielhaft: OLG Dresden NStZ-RR 2009, 337 (338 – heiße Flüssigkeit).

BGH NJW 1976, 1851 f (zu § 229 StGB a.F.): „§ 229 StGB greift auch dann ein, wenn das Gift die Gesundheit von außen her zerstört… Vom Schutzzweck der Vorschrift her kann es keinen Unterschied machen, ob das Opfer sein Sehvermögen durch äußere Einwirkung – etwa durch eine Trübung der Hornhaut – oder von innen her – über den Tränenkanal – verliert. Daß § 229 StGB sein Gepräge gerade durch die besondere Gefährlichkeit der inneren Wirkungsweise erhielte, trifft … angesichts der Vielgestaltigkeit der heute bekannten Gifte nicht zu. Entscheidend ist die besondere Gefährlichkeit des eingesetzten Mittels, das unabhängig vom weiteren Zutun des Angreifers seine zerstörerische Wirkung auf die Gesundheit des Opfers entfalten kann.“

Erläuterungen

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Das 6. StrRG (1998) hat die »Vergiftung« (§ 229 StGB a.F.) als eigenständiges Gefährdungsdelikt abgeschafft und zu einem Qualifikationstatbestand der Körperverletzung umgestaltet. § 229 I StGB a.F. verlangte früher das »Beibringen« von Gift oder anderen Stoffen, »welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind«. Nach der geänderten Fassung braucht der Stoff nur noch »gesundheitsschädlich« zu sein.

I. Der Begriff »Beibringung«

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Anerkannt war bereits für § 229 StGB a.F., dass ein »Beibringen« nicht nur durch unmittelbare »innere Anwendung« – z.B. Einspritzen, Einführung in Körperöffnungen – möglich ist, sondern auch durch die Herstellung eines »äußeren Körperkontakts«. Für diese Begehungsart forderte zwar eine engere Auffassung, dass sich die Wirkung des Stoffes im Inneren des Körpers entfalten kann: Erst wenn der Stoff in das Körperinnere eingedrungen sei, liege daher ein vollendetes (erfolgreiches) »Beibringen« vor. Die dafür geltend gemachten Gründe[1] sind mit der Umgestaltung der Giftbeibringung zu einem qualifizierten Körperverletzungstatbestand jedoch entfallen, so dass die so begründete Notwendigkeit einer inneren Wirkungsweise nicht mehr auf § 224 I Nr. 1 StGB übertragen werden kann.[2] Die »Beibringung« von Gift etc. ist damit zu einem Sonderfall der Verwendung eines »gefährlichen Werkzeugs« (§ 224 I Nr. 2 StGB) geworden; konkurrenzrechtlich geht die Nr. 1 vor.[3] Soweit die zur Neufassung vertretene Gegenmeinung gleichwohl am Erfordernis der »inneren Wirkung« festhält, wird damit das Ziel verfolgt, der Giftbeibringung tatbestandlich einen eigenständigen Anwendungsbereich zu erhalten: Bei § 224 I Nr. 1 StGB wirke das Tatmittel »von innen«, bei Nr. 2 (gefährliches Werkzeug) »von außen« auf den Körper ein.[4]

II. »Gift« und »anderer gesundheitsschädlicher Stoff«

1. Begriffe

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Nach der schon für § 229 StGB a.F. anerkannten Definition ist »Gift« jeder „organische oder anorganische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu schädigen geeignet ist“[5]. Dazu gehören z.B. auch Morphium und Heroin. Die »anderen Stoffe« sind vor allem mechanisch oder thermisch wirkende Substanzen (z.B. zerstoßenes Glas, heiße Flüssigkeit), aber auch Bakterien, Viren (Aids!) oder sonstige Krankheitserreger.[6]

2. Auswirkungen der Gesetzesänderung

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Mit der Umformung der früheren »Vergiftung« in ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt der »Giftbeibringung« sind inhaltliche Veränderungen verbunden, die auch Qualität und Wirkungsweise des beigebrachten Stoffes betreffen. Zuvor musste der Stoff zur »Gesundheitszerstörung« konkret geeignet sein. Nach der Rechtsprechung und h.M. war ein Stoff (Gift) dazu geeignet, wenn seine Beibringung im konkreten Fall dazu führen kann, dass wesentliche Körperfunktionen in weitreichendem Umfang entweder auf Dauer (endgültig), für einen nicht absehbaren Zeitraum oder wenigstens nicht nur vorübergehend aufgehoben werden. Wegen der hohen Strafdrohung des § 229 StGB a.F. verlangte eine restriktive Auffassung für die »Gesundheitszerstörung« sogar einen chronischen – d.h. endgültigen oder zumindest unabsehbar langwierigen – Krankheitszustand i.S. des § 224 I StGB a.F. (§ 226 I Nr. 3 StGB n.F.).[7]

Da § 224 I Nr. 1 StGB nur noch auf die »Gesundheitsschädlichkeit« des Stoffes abstellt, kommen nach der Neufassung auch Stoffe in Betracht, die nicht derart gravierende Wirkungen entfalten können; es genügen grundsätzlich Stoffe (Gifte) mit der Eigenschaft/Eignung, die Gesundheit im konkreten Fall i.S. des § 223 I StGB zu »schädigen«. Andererseits verlangt das Gesetz, dass der Täter die »Körperverletzung« gerade »durch Beibringung des gesundheitsschädlichen Stoffes begeht«. Die Zuführung des Stoffes ist damit zum tatbestandlichen Verletzungsmittel geworden. Aus dieser Umstrukturierung des Tatbestandes folgt, dass die Beibringung eines zur Gesundheitsschädigung nur »geeigneten« Stoffes nicht genügt, sondern der beigebrachte Stoff selbst bereits »gesundheitsschädigend« wirken, einen Gesundheitsschaden also herbeiführen muss.[8] Im Hinblick auf die Gleichstellung des beigebrachten Stoffes mit dem »gefährlichen Werkzeug« (§ 224 I Nr. 2 StGB) ist zudem, über die gesundheitsschädigende Wirkung hinaus (!), die konkrete Eignung des jeweiligen Stoffes zur Herbeiführung einer »erheblichen« Gesundheitsschädigung zu verlangen.[9]

Nach BGHSt 51, 18 (22 f) ist für die »Gesundheitsschädlichkeit« des Stoffes erforderlich und ausreichend, dass „die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet ist“. Damit seien auch „an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs“ (Kochsalz) erfasst, „wenn ihre Beibringung nach der Art ihrer Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, … nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist“.[10] Die Eignung zur erheblichen Gesundheitsschädigung ist also bei § 224 I Nr. 1 StGB von der körperlichen Konstitution des verletzten Opfers abhängig; anders liegt es etwa bei der Bestimmung des Begriffs »Gift« bei §§ 326 I Nr. 1, 330a I StGB, da dort nicht an ein bestimmtes Opfer angeknüpft wird.[11]

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