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III. Zur Auseinandersetzung über die Deliktsstruktur
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Der Streit um die Gefährdungsstruktur dürfte sich mit folgenden Überlegungen klären lassen: Von den Fällen abgesehen, in denen eine lebensgefährliche Verletzung tatsächlich eintritt, soll das Gesetz Verletzungshandlungen (»Behandlungen«) treffen, die das Opfer einer Situation aussetzen, in der ein Verletzungserfolg naheliegt, welcher – wenn er wirklich einträte – als lebensgefährlich beurteilt werden müsste (z.B. Bruch des Kehlkopfknorpels bei intensivem Würgegriff; Schädelfraktur bei Schlägen auf den Kopf). Das unberechenbar-zufällige Ausbleiben eines derart gravierenden Verletzungseffekts, der nach den konkreten Umständen auch hätte eintreten können, kennzeichnet die Opfersituation als eine konkrete Gefahrenlage, die sich durchaus als »Erfolg« (kritische Situation mit ungewissem Ausgang) begreifen lässt, gleichsam als ein der lebensgefährlichen Verletzung selbst vorgelagerter Zwischenerfolg.[20] Die »Eignung« zur Lebensgefährdung meint im Grunde diese kritische Lage und den in ihr enthaltenen Erfolg, der vom – ausgebliebenen – Erfolg in Form einer lebensgefährlichen Verletzung zu unterscheiden ist. Trennt man in dieser Weise die »Erfolge« voneinander, so ist es möglich, auf die Beurteilung (auch) des Zwischenerfolges alle Regeln des konkreten Gefährdungsdelikts anzuwenden, einschließlich der Berücksichtigung erst später erkennbar gewordener Faktoren.[21] Ob man dabei die »konkrete Gefahr der lebensgefährlichen Verletzung« in die »konkrete Lebensgefahr« einbezieht oder von einer »potenziellen konkreten Lebensgefahr« spricht, ist dann eine Frage der Terminologie.[22]
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Für den Vorsatz einer »lebensgefährdenden Behandlung« lässt es die Rechtsprechung seit RGSt 17, 279 (281) ausreichen, dass der Täter die »Umstände« kennt, aus denen sich die Lebensgefährdung ergibt, ohne dass insoweit eine »Bewertung« als lebensgefährlich erforderlich sei.[23] Die Literatur fordert dagegen überwiegend ein substanzielles Gefährdungsbewusstsein, das über die Kenntnis der tatsächlichen Umstände hinausgeht: »Parallelwertung in der Laiensphäre«.[24] Die neuere Rechtsprechung nähert sich dieser Ansicht allerdings an, wenn für den Vorsatz gefordert wird, dass der Täter sich „bei der Ausführung der von ihm konkret gewollten und umgesetzten Tathandlungen die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers erkannte“[25].