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E › Ehre §§ 185 ff StGB

Ehre §§ 185 ff StGB

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»Ehre« ist nicht der »gute Ruf« eines Menschen, ebenso wenig sein subjektiv-individuelles Selbstwertbewusstsein (»Ehrgefühl«), sondern der objektiv anzuerkennende Wert, der dem Menschen kraft seiner Personenwürde und zugleich aufgrund seines sittlich-sozialen Verhaltens in der Gesellschaft zukommt: sein aus verdienter Wertgeltung erwachsender, ihm berechtigterweise zustehender Anspruch auf Achtung seiner Persönlichkeit (sog. »normativer Ehrbegriff« Rn. 187).

Literatur:

LK-Hilgendorf Vor § 185 Rn. 2 ff; Spinellis, Hirsch-FS, 1999, S. 739 ff. Einführend: NK-Zaczyk Vor § 185 Rn. 1 ff. Monographisch: Amelung, Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002; Ignor, Der Straftatbestand der Beleidigung, 1995, S. 29 ff; Schößler, Anerkennung und Beleidigung, 1997, S. 15 ff, 29 ff, 123.

Rechtsprechung

Grundlegend: BGHSt 11, 67 ff; 36, 145 ff. Beispielhaft: LG Tübingen NStZ-RR 2013, 10 (Bezeichnung als „homosexuell“ ist nicht ehrmindernd).

BGHSt 11, 67 (70 f): „Angriffsobjekt der Beleidigung ist die dem Menschen als Träger geistiger und sittlicher Werte zukommende innere Ehre, außerdem seine darauf beruhende Geltung, sein guter Ruf innerhalb der mitmenschlichen Gesellschaft. Wesentliche Grundlage der inneren Ehre und damit Kern der Ehrenhaftigkeit des Menschen ist die ihm unverlierbar von Geburt an zuteil gewordene Personenwürde… Aus der inneren Ehre fließt der … Rechtsanspruch eines jeden, daß weder seine innere Ehre noch sein guter Ruf geringschätzig beurteilt oder gar völlig mißachtet, daß er vielmehr entsprechend seiner inneren Ehre behandelt werde.“

BGHSt 36, 145 (148): „Die Ehre ist lediglich ein Aspekt der Personenwürde, nicht identisch mit ihr und dem Bereich, den das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfaßt. Ein Angriff auf die Ehre wird geführt, wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen mindern würden. Nur durch eine solche ›Nachrede‹ … wird der aus der Ehre fließende verdiente Achtungsanspruch verletzt.“

Erläuterungen

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In der Diskussion um den Begriff der »Ehre« haben die verschiedensten »Ehrbegriffe« eine Rolle gespielt.[1] Überwiegend werden heute unterschieden: ein »faktischer«, ein »normativ-faktischer« und ein »normativer« Ehrbegriff, wobei sich freilich in jedem dieser Ehrbegriffe normative und faktische Elemente verbinden. Nach dem sog. »faktischen« Ehrbegriff ist die Ehre einerseits das »subjektive Ehrgefühl«, andererseits der »gute Ruf« in seiner realen Existenz. Gegen diesen Ehrbegriff wird eingewandt, dass er für das Recht nicht brauchbar sei: Das »subjektive Ehrgefühl« könne womöglich fehlen oder überempfindlich und deshalb nicht schutzwürdig sein, während der tatsächliche »Ruf« unverdient gut oder schlecht sein könne. Ein sog. »normativ-faktischer« oder »dualistischer« Ehrbegriff sieht die Ehre als ein komplexes Rechtsgut, das zum einen den inneren Wert eines Menschen (»innere Ehre«) umfasst, zum anderen sein Ansehen in der Beurteilung anderer (»äußere Ehre«). Dabei soll die »innere Ehre« Schutzobjekt des § 185 StGB, die »äußere Ehre« Rechtsgut der §§ 186, 187 StGB sein. Dieser dualistische Ehrbegriff ist wiederum dem Einwand ausgesetzt, dass der »innere Wert« eines Menschen nicht verletzbar ist, der »gute Ruf« aber nur insoweit Schutz verdient, als er auf einem berechtigten (»verdienten«) Achtungsanspruch beruht.

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Weitgehend durchgesetzt hat sich daher heute ein sog. »normativer Ehrbegriff«, der inzwischen auch der neueren Rechtsprechung zugrunde liegen dürfte.[2] Dieser Ehrbegriff sieht das Rechtsgut der §§ 185 ff StGB – insgesamt – in dem auf die Personenwürde gegründeten, aber auch vom sittlich-sozialen Verhalten abhängigen, einem Menschen berechtigterweise zustehenden »Geltungswert« bzw. in dem daraus folgenden »Anspruch«, nicht unverdient herabgesetzt zu werden: „Ehre ist danach der einem Menschen zukommende und sozial zu achtende Geltungswert, soweit dieser nicht vom Ehrträger selbst gemindert wurde“.[3] Aus der normativen Bindung der Ehre an die »verdiente Wertgeltung« wird u.a. abgeleitet, dass eine wahre Tatsachenbehauptung, die das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigt, die »Ehre« gleichwohl nicht verletzen kann.[4] Der in § 186 StGB (üble Nachrede) gewährleistete Ehrenschutz auch gegenüber möglicherweise (»nicht erweislich«) wahren Tatsachenbehauptungen[5] wird damit erklärt, dass bis zum Beweis der Wahrheit eine »Ehrvermutung« zugunsten des Betroffenen bestehe: § 186 StGB verbiete deshalb – als »abstraktes Gefährdungsdelikt« – bereits wegen der Möglichkeit, dass der Betroffene in seinem berechtigten Achtungsanspruch verletzt werde, die Behauptung/Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen ohne Rücksicht darauf, ob sie tatsächlich unwahr sind.[6]

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Eine von E. A. Wolff begründete[7] Richtung innerhalb der »normativen« Ehrbestimmung führt die Ehre auf ein »Anerkennungsverhältnis mit anderen Personen« zurück (»interpersonaler Ehrbegriff«). Auf diese Weise wird u.a. versucht, die »wirkliche Verletzbarkeit« der Ehre als Rechtsgut – nicht nur die Verletzbarkeit des daraus resultierenden »Achtungsanspruchs« – zu erklären: Die Person erfahre eine »wirkliche Verletzung« ihrer Ehre, wenn ihr die Anerkennung »grundlos versagt« werde.[8] – In Auseinandersetzung mit den bisherigen Ehrtheorien hat Amelung[9] einen neuen, »wirklichkeitshaltigen« Ehrbegriff mit vier Dimensionen der »Ehre« entwickelt.[10]

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