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2. Die Erkenntnis Gottes und der Logos

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In der Aufgabe, „zu der wahren und hohen Gnosis der Eigenheit Gottes“ zu gelangen (0 XXIV 4), stößt Origenes auf die gleichen Schwierigkeiten wie vor ihm Clemens. „Gott ist unfaßbar und unwahrnehmbar“; „seine Natur kann durch die Schärfe des menschlichen Geistes schlechterdings nicht angestrebt und angeschaut werden, mag dieser auch ein noch so reiner und klarer Geist sein“ (P I 1, 5). „Nichts von Worten und Bezeichnungen kann die Eigenheiten Gottes vergegenwärtigen“ (C VI 65). Man kann daher angemessen nur in Ausdrücken der negativen Theologie von ihm reden; er ist „über Geist und Sein hinaus“ (C VII 38). Doch bleibt Origenes dabei nicht stehen. Im neuplatonischen Sinne bezeichnet er Gott als Einheit (μονάϛ bzw. ἑνάϛ). Darüber hinaus betont er – in der Auseinandersetzung mit der stoischen Philosophie – vor allem die Unkörperlichkeit Gottes, seine „einfache geistige Natur“ (P I 1, 6).

Trotz der Unfaßbarkeit Gottes gibt es die Möglichkeit eines Aufstiegs zu ihm. Zunächst gilt es – ganz im neuplatonischen Sinne –, sich von der sinnlichen Wirklichkeit abzuwenden. Die Jünger Jesu „steigen von den Geschöpfen der Welt auf“ und gelangen zu dem „Unsichtbaren Gottes“. Von da aus erheben sie sich in einem weiteren Schritt „zu der ewigen Macht Gottes und überhaupt zu seiner Gottheit“ (C VII 46).

Das ist freilich keine Sache bloß menschlicher Kraft; „die Gnosis Gottes ist größer, als daß sie der menschlichen Natur angemessen wäre“. Sie „kommt durch ein Paradox und durch göttlichere Gnade … denen zuvor, die durch das Vorherwissen Gottes im voraus erwählt sind“ (C VII 44): den „Erleuchteten“ (C VI 17).

Daneben kennt Origenes noch eine zweite Weise der Erkenntnis Gottes, die jedoch nicht in dessen unergründliche Tiefe führen kann: daß nämlich – wie es das Neue Testament, zum Teil unter stoischem Einfluß, lehrt, wie es aber auch vom Alten Testament her nahegelegt wird – Gott in seinen Werken erkennbar wird. Es sind – charakteristisch stoisch – vor allem die Ordnung und Schönheit der Welt, die dahin führen. Der Mensch kann „vom Sichtbaren her, durch die Wohlgeordnetheit des Kosmos überzeugt, den Weltschöpfer verehren“ (C I 23); „ da unser Geist durch sich selber Gott selbst, wie er ist, nicht schauen kann, erkennt er den Erzeuger des Weltalls aus der Schönheit der Werke und dem Reiz der Kreaturen“. Es gibt also einen einsichtigen Zusammenhang zwischen dem Schöpfer, dem „Ursprung von allem“ (P I 1, 6), und dem Geschöpf, und dies insofern, als „eine Teilnahme an Gott dem Vater allen … vernünftigen und unvernünftigen Wesen und überhaupt allem, was ist, zukommt“ (P I 3, 6). Origenes drückt dies auch so aus, daß er behauptet, es gebe „gleichsam gewisse Strahlen der göttlichen Natur“: „die Werke der göttlichen Vorsehung und die kunstvolle Gestalt dieses Weltalls“; sie lassen etwas von Gott erkennen, sie dienen zum „Vergleich mit seiner Substanz und Natur“ (P I 1, 6). Hier also finden sich gewisse Ansätze zu einer Erkenntnis Gottes per analogiam, wie sie in der späteren Philosophischen Theologie zu hoher Bedeutung gelangt.

Diese analogische Erkenntnis Gottes wird insbesondere im Hinblick auf den menschlichen Geist bedeutsam. Denn „ alle Menschen haben teil an Gott“ (P I 3, 6); es gibt „für den Geist eine gewisse Nähe zu Gott; dessen Bild ist der einsichtige Geist selbst, und dadurch kann er etwas von der Natur der Gottheit wahrnehmen“. Von daher wird Gott als „Geist“ und als „die Quelle, aus der alle vernünftige Natur bzw. aller Geist seinen Ursprung nimmt“, begriffen (P I 1, 6f.).

Aber diese Analogien zwischen Schöpfer und Geschöpf, von denen her sich die Möglichkeit einer genuinen Philosophischen Theologie ergeben könnte, bleiben in den Ansätzen stecken. Denn nun führt Origenes in das Ganze des Zusammenhanges von Gott und Welt den Logos ein, der als „ Sohn Gottes“ die „eigenständig existierende Weisheit“ Gottes (P I 2, 2) und der „zweite Gott“ (C V 39) ist. Seine Bedeutung liegt für Origenes insbesondere auf kosmologischem Gebiet; er vermittelt – echt neuplatonisch – zwischen dem Einen und dem Vielen; „Gott ist gänzlich eins und einfach; unser Erretter aber wird um des Vielen willen … zu Vielem“ (J I 20). Als dieser Mittler zur Welt hin befaßt er „in sich die Anfänge, Gründe und Gestalten der ganzen Schöpfung“; „der Sohn ist … Wahrheit und Leben alles dessen, was ist“ (P I 2, 2ff.).

Erst vom Logos her, der sich in Christus inkarniert, wird eine eigentliche Erkenntnis Gottes möglich. Daß alle Wesen, „die vernünftig sind, des Wortes Gottes, das ist: der Vernunft, teilhaftig sind“, kommt daher, daß sie „ gewisse ihnen eingesäte Samen der Weisheit und Gerechtigkeit tragen; und das ist Christus“ (P I 3, 6). Die dadurch ermöglichte Gotteserkenntnis vollzieht sich in Stufen. Der Logos „ruft zu sich, die Fleisch sind, um sie dazu zu bringen, zunächst dem Fleisch gewordenen Logos gemäß gestaltet zu werden und sie danach dahin aufsteigen zu lassen, daß sie ihn sehen in dem, was er war, bevor er Fleisch geworden ist“; schließlich kann er ihnen „den Vater offenbaren, der vor seinem (sc. des Logos) Erscheinen nicht gesehen wurde“ (C VI 68). So ist „Gott als Logos“ der „Lehrer göttlicher Geheimnisse“ (C III 62); „der Logos öffnet die Augen der Seele“ (C VI 67).

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