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3. Christliche und Philosophische Theologie

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Blickt man auf das Ganze des in der mystischen Erfahrung gründenden Denkens des Dionysios zurück, so entsteht die Frage, ob sie die genuine Weise einer christlichen Philosophischen Theologie darstellt. Was zunächst das Moment des Christlichen angeht, so betont Dionysios im Hinblick nicht nur auf die bejahende, sondern auch auf die verneinende und überschwengliche Theologie, alles, was er in der für ihn charakteristischen spekulativen Weise entwickelt, entstamme der christlichen Tradition. Man darf „nicht wagen, über die überseiende und verborgene Gottheit etwas zu sagen oder auch nur zu erwägen, dem entgegen, was uns von Gott her aus den Heiligen Schriften geoffenbart ist“ (D I 1). In der Tat beruft sich Dionysios ständig auf die biblischen Schriftsteller, freilich so, daß er nur wenige ausgewählte Stellen heranzieht und diese nicht ohne Gewaltsamkeit spekulativ ausdeutet.

Was die Sache als solche angeht, so sind – abgesehen von der Lehre von den Engeln und von der Kirche – nur zwei charakteristische christliche Grundvorstellungen in das Denken des Dionysios eingegangen. Die eine ist der Gedanke der Trinität: Das „Überseiende, Übergöttliche und Übergute“ wird mit der „Trias“ identifiziert (M I 1 u. ö.), ohne daß allerdings das Recht zu einer solchen Gleichsetzung ausdrücklich begründet würde. An anderen Stellen wird überdies auch die Trinität – neben der Einheit – lediglich als einer unter den vielen Namen bezeichnet, die der von sich selber her namenlosen Gottheit zukommen; „keine Monas oder Trias … läßt die über alles Wort und alle Vernunft (erhabene) Verborgenheit der über alles hinaus auf überseiende Weise überseienden Übergottheit hervorkommen“ (D XIII 3). Die andere aus der christlichen Gedankenwelt kommende Grundvorstellung ist die Einbeziehung Jesu in den theologischen Gesamtentwurf. Jesus aber wird kaum im ursprünglich christlichen Sinne als geschichtliche Person verstanden, sondern vorzüglich als „der höchste göttliche und überseiende Geist“, als „Ursprung und Sein des göttlichen Schaffens“ (E I 1), als „der Ewige“, der „eine zeitliche Dauer angenommen hat“ und in dem die Gottheit „mit dem, was unser ist, … sich in einer ihrer Hypostasen vergemeinschaftet hat“ (DN I 4). Die christlichen Elemente im Denken des Dionysios berühren also offensichtlich den Kern seines theologischen Entwurfs nur unwesentlich.

Ist also die Theologie des Dionysios vom Wesen her Philosophische Theologie? Das muß sich offensichtlich von daher entscheiden, daß gefragt wird, ob der Grund, auf dem sie ruht, die gekennzeichnete mystische Erfahrung, eine genuin philosophische Grunderfahrung ist. Darüber aber läßt sich erst befinden, wenn deutlich geworden ist, was Philosophieren und welches die diesem eigentümliche Grunderfahrung ist.

Schon jetzt läßt sich jedoch mit Grund behaupten, daß die Theologie des Dionysios zu Recht, und zwar als ein wesentliches Moment, in die Geschichte der Philosophischen Theologie gehört. Sie bestimmt diese in ihrem weiteren Verlauf, teils direkt, teils indirekt. Was das Erste angeht, so ist charakteristisch, daß Johannes Scotus Eriugena Werke des Dionysios übersetzt und Thomas von Aquino das Buch „De divinis nominibus“ kommentiert. Was die mittelbare Wirkung betrifft, so ist die ganze weitere Geschichte der philosophischen Mystik auf christlichem Boden entscheidend von Dionysios her bestimmt: über den Meister Eckhart und Jakob Böhme bis hin zu Schelling.

1 Dieser Paragraph ist – mit geringfügigen Änderungen – unter dem Titel: Dionysios Areopagita als Philosophischer Theologe – vorabgedruckt in: Philosophie und ihre Geschichte, Festschrift für Joseph Klein zum 70. Geburtstag, hrsg. von E. Fries, Göttingen 1967.

2 Bei der Zitierung der Schriften des Dionysios Areopagita werden folgende Siglen verwendet: C = De coelesti hierarchia; D = De divinis nominibus; E = De ecclestica hierarchia; M = De mystica theologia. – Die Übersetzungen stammen vom Verfasser.

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