Читать книгу Gott der Philosophen - Wilhelm Weischedel - Страница 79

7. Die Schöpfung

Оглавление

Mit dem Hinweis auf den der Möglichkeit der Analogie zugrunde liegenden Gedanken der Schöpfung und der Geschöpflichkeit fällt der Blick auf den zweiten großen Gedankenkomplex, der aus der jüdisch-christlichen Tradition in die Philosophische Theologie des Augustinus einströmt. Mit ihm vollendet sich diese. Zwar steckt auch im Gedanken der Offenbarung Gottes in Jesus Christus als dem Mittler (vgl. CD IX 15) ein philosophisches Element: die Idee einer Vermittlung zwischen Göttlichem und Menschlichem. Sie spielt ja in der Tat auch im nichtchristlichen Neuplatonismus eine bedeutsame Rolle. Bei Augustinus aber ist – abgesehen von der oben erwähnten Wirksamkeit des Logos in der Weltentstehung – die Lehre vom Mittler Jesus Christus so eindeutig soteriologisch ausgerichtet, daß die Philosophische Theologie von ihr nur am Rande berührt wird.

Dem Schöpfungsgedanken gemäß ist für Augustinus Gott „der Urheber und Stifter aller Natur“, „der Schöpfer jedes Körpers und jedes geschaffenen Geistes“ (CD V 9). Augustinus setzt sich damit von der neuplatonischen Idee des Hervorgangs der Welt aus Gott ab. „Du hast Himmel und Erde nicht aus dir gemacht“ (C XII 7, 7). Die Schöpfung ist vielmehr Tat Gottes, entspringend allein aus seinem Willen; „Gottes Wille ist selbst die Ursache von allem, was ist“ (GM I 2, 4). Gott ist also nicht Seinsgrund im strengen Sinne des Wortes, sondern Verursacher des Wirklichen, der „den Dingen … das Sein gegeben hat“ (CD XII 2).

Ebenso weist Augustinus auch den aus der griechischen philosophischen Überlieferung stammenden Gedanken ab, demgemäß die Entstehung der Welt als Formung eines vorgegebenen Stoffes verstanden wird. Zwar sind Himmel und Erde aus dem Chaos gemacht, das sich Augustinus als eine Art von ungestaltetem Stoff denkt; aber dieses Chaos selber ist von Gott geschaffen (vgl. V 18, 36). Die Schöpfung ist also im strengen Sinne creatio de nihilo; „aus dem Nichts hast du Himmel und Erde erschaffen“ (C XII 7, 7). Aber nun wiederum nicht so, als wäre das Nichts eine Art von negativem Seienden und also eben doch ein Seiendes; alles Wirkliche stammt vielmehr „aus dem schlechthinnigen Nichts“. Und das besagt: Gott ist die alleinige Ursache aller Wirklichkeit; „alles, was ist, insofern es sein kann, hat dies von Gott“ (V 18, 36, 97).

Fragt man nun, wie Augustinus diese seine These von der Schöpfung begründet, so zeigt sich: Er ist der Auffassung, die Geschöpflichkeit lasse sich unmittelbar am Seienden ablesen, und zwar an dessen Endlichkeit im Sinne seiner Veränderlichkeit. „Himmel und Erde rufen, daß sie geschaffen sind; denn sie ändern und wandeln sich.“ Was sich aber ändert, das kann sich nicht selbst geschaffen haben; denn dann müßte es gewesen sein, ehe es geworden ist, und wäre also gerade nicht endlich. Also rufen die endlichen Dinge, „daß sie sich selbst nicht geschaffen haben: Wir sind darum, weil wir geschaffen sind; nicht also waren wir, bevor wir waren, so daß wir von uns her hätten werden können.“ Dieser Verweis der Dinge nicht nur auf ihre Veränderlichkeit, sondern auch auf ihr Geschaffensein wird von Augustinus nicht weiter begründet; es ist, wie er behauptet, unmittelbar einsichtig; „die Stimme der Redenden ist ipsa evidentia“ (C XI 4, 6).

Augustinus bringt nun die Einsicht in das Geschaffensein der Dinge in Zusammenhang mit dem Gedanken des Schöpfers. Das geschieht nicht in der Weise eines ausdrücklichen Gottesbeweises aus der Kontingenz, überhaupt nicht in der Art eines Schlusses. Ohne weitere Begründung fügt Augustinus den eben zitierten Sätzen an: „Du also, Herr, hast sie geschaffen. “ Auch hier wird auf die unmittelbare Einsichtigkeit dieses Zusammenhanges verwiesen: „Wir wissen dies“ (C XI 4, 6).

Diese unmittelbare Evidenz scheint aber für Augustinus doch nicht ganz gewiß zu sein. An die eben angeführte Beteuerung schließt sich der Satz an: „ Unser Wissen ist, verglichen mit deinem Wissen, Unwissenheit“ (C XI 4, 6). An anderer Stelle spricht sich Augustinus noch deutlicher aus: „Ich suche meinen Gott in jedem irdischen und himmlischen Körper und finde ihn nicht; ich suche sein Wesen in meiner Seele und finde es nicht.“ Einsichtig ist also, genaugenommen, nur die Geschöpflichkeit als Wesensbestimmung des endlichen Seienden, nicht aber der Schöpfer selber; „ich sehe nämlich, was mein Gott geschaffen hat, nicht aber sehe ich meinen Gott selber, der dies geschaffen hat“. Daher ist ein ausdrücklicher Aufschwung erforderlich, um Gott zu erreichen. „Wann könnte meine Seele zu dem gelangen, was über meine Seele hinaus gesucht wird, wenn meine Seele nicht über sich selber hinaus sich ergösse?“ (Ps XLI 7f.) Die Erkenntnis Gottes als des Schöpfers ist also keine Sache unmittelbarer Einsicht, und dies umso weniger, als Augustinus ausdrücklich betont, sie werde im Vollzug eines solchen Aufstiegs von Gott selber hervorgebracht. „Etwas Großes und ganz Seltenes ist es, die ganze körperliche und unkörperliche Kreatur, nachdem man sie betrachtet und als veränderlich begriffen hat, in einer Hinwendung des Geistes zu überschreiten, zu dem unveränderlichen Wesen Gottes zu gelangen und dort von ihm selber zu lernen, daß niemand anderes als er selbst die ganze Natur … geschaffen hat“ (CD XI 2).

Am Ende aber hat es den Anschein, als fände Augustinus auch in einem solchen Aufstieg nicht die letzte Gewißheit. Offenbar ist es auch hier wieder der Glaube, in dem schließlich die Einsicht in Geschöpflichkeit und Schöpfer ruht. „Es wird ganz zurecht geglaubt, daß Gott alles aus dem Nichts geschaffen hat“ (GM 16, 10). Daher auch betont Augustinus nachdrücklich, daß seine Frage nach den „Geheimnissen der natürlichen Dinge, die wir als durch den allmächtigen Gott, den Werkmeister, geschaffen empfinden, … die Schranken des katholischen Glaubens nicht überschreiten darf“ (G 1).

Gott der Philosophen

Подняться наверх