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6. Trinität und Analogie

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Steht Augustinus in seinem Gedanken des Aufstiegs noch ganz im Zusammenhang der neuplatonischen Tradition, so nimmt er auf der andern Seite auch in seine philosophische Gotteslehre wesentliche Elemente der christlichen Überlieferung auf. Das gilt – neben dem Gedanken der Schöpfung und der Offenbarung in Jesus Christus – insbesondere von der Idee der Trinität: daß Gott „eine gewisse dreifache Einheit“ (Mo I 14, 24), „Dreiheit eines Wesens“ (V 55, 113, 312), „Dreiheit einer Einheit oder Einheit einer Dreiheit“ (C XIII 22, 32) ist; daß „die Dreieinigkeit der eine und einzige und wahre Gott“ (T I 2, 4) ist. Augustinus hebt freilich auch den Gedanken der Trinität auf die Ebene des Unsagbaren, damit „wenigstens im Rätsel eingesehen werde, was gesagt wird“ (T VII 4, 7).

Auch für den Gedanken der Trinität bieten sich gewisse Anknüpfungspunkte im neuplatonischen Denken an. Das gilt insbesondere für den Begriff des Logos. Dessen Rolle in der Weltentstehung wird von Augustinus besonders betont, indem etwa der erste Satz der Genesis: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, so verstanden wird, daß dieses „principium“, entsprechend dem Beginn des Johannesevangeliums, der Sohn Gottes ist (Se I 2). Die Dreiheit als solche ist freilich für Augustinus eindeutig aus der christlichen Tradition vorgegeben: Daß die drei Personen „drei sind, verkündet der wahre Glaube“ (T VII 4, 7); „ehe wir (das Wesen der Dreieinigkeit) einsehen, müssen wir daran glauben“ (T VIII 5, 8).

Im Zusammenhang mit der Trinitätslehre entwickelt Augustinus eine Methode des indirekten Erkennens, die in der Folgezeit zu hoher Bedeutung gelangt: die Methode der Analogie. Der menschliche Geist vermag zwar die göttliche Dreieinigkeit nicht unmittelbar zu erfassen. Aber er findet in der Wirklichkeit Bilder und Gleichnisse jener göttlichen Wesensverfassung. „Die ganze Dreieinigkeit wird uns in ihren Werken eröffnet“, und zwar „in einer gewissen geheimen Weise des Sprechens“ (CD XI 24). Das zeigt sich etwa in der Grundstruktur alles Seienden: daß „jedes Ding … zugleich dieses Dreifache besitzt: daß es ein Eines ist, nach seiner eigentümlichen Art von den übrigen unterschieden wird und aus der Ordnung der Dinge nicht hinaustritt“ (V 7, 13, 41).

Eine Analogie zur göttlichen Dreieinigkeit erblickt Augustinus vor allem im geistigen Wesen des Menschen. „Wir erkennen in uns … ein Bild Gottes, das heißt, jener höchsten Dreieinigkeit“ (CD XI 26). Augustinus führt diesen Gedanken in vielfältigen Variationen aus: „Wir finden im Menschen eine Dreiheit, nämlich den Geist, die Erkenntnis, in der er sich erkennt, und die Liebe, in der er sich liebt“ (T XV 6, 10). In einer anderen Wendung des Gedankens zieht Augustinus die dreifache Struktur des Liebens heran: „Wenn ich etwas liebe, so sind darin drei: ich, was ich liebe, und die Liebe selbst“ (T IX 2, 2). Wieder in einer anderen Fassung spricht er von „Sein, Erkennen und Wollen; denn ich bin, weiß und will“; darin liegt „eine untrennbare Unterscheidung und dennoch eine Unterscheidung“ (C XIII 11, 12). Oder Augustinus verweist auf „Gedächtnis, Einsicht, Willen“; „diese drei sind dadurch eins, daß sie ein Leben, ein Geist, ein Wesen sind; … sie sind aber dadurch drei, daß sie aufeinander bezogen werden (T X 11, 18).

Ausgehend von der Einsicht in diese dreifache Struktur des menschlichen Geistes, gilt es nun, „emporzusteigen … zu jenem höchsten und erhabensten Wesen, dessen ungleiches Bild der menschliche Geist ist“ (T X 12, 19). Wenn wir die Wesensverfassung unseres Geistes erblicken, „erblicken wir eine Dreieinigkeit, zwar noch nicht Gott, aber doch schon ein Bild Gottes“ (T XIV 8, 11). Freilich reicht dazu die bloße Betrachtung des Menschen als Menschen nicht aus. Dieser muß sich vielmehr eben in seiner Bildhaftigkeit, und das heißt, in seiner Abkünftigkeit erblicken: so daß diejenigen, die ihren Geist „wie ein Bild sehen“, „das, was sie sehen, auf irgendeine Weise auf den beziehen können, dessen Bild es ist“(T XV 23, 44); die dies nicht vermögen, „sehen zwar den Spiegel, aber bislang sehen sie nicht durch den Spiegel den, der jetzt durch den Spiegel zu sehen ist, so daß sie auch nicht wissen, daß der Spiegel selber, den sie sehen, ein Spiegel, das heißt, ein Bild ist“ (T XV 24, 44). Es bedarf also einer ausdrücklichen Wendung des Blickes: über die Betrachtung des Menschen als eines bloßen Bildes hinaus zu der Ausschau auf das Urbild selber: den Ursprung. „Diese Dreieinigkeit des Geistes ist … nicht deshalb ein Bild Gottes, weil der Geist sich seiner erinnert, sich einsieht und liebt, sondern weil er auch dessen sich erinnern, den einsehen und lieben kann, von dem er geschaffen ist“ (T XIV 12, 15).

Um also die in der menschlichen und außermenschlichen Wirklichkeit vorfindliche Dreieinigkeit als Hinweis auf die göttliche Dreieinigkeit verstehen zu können, muß zuvor schon jene Wirklichkeit als geschaffene begriffen sein. Die innere Möglichkeit der Analogie, wie sie Augustinus durchführt, beruht auf dem Gedanken der Geschöpflichkeit des Menschen und alles Seienden: „Die ganze, gesamte Natur selbst der Dinge, die uns umgibt, zu der auch wir gehören, ruft laut, sie habe einen höchst vortrefflichen Schöpfer“ (T XV 4, 6). Vor allem wird dies wiederum am Menschen einsichtig, der „auf das Bild Gottes hin geschaffen ist“ (CD XI 2). Alles Wirkliche kann also darum Bild der Dreieinigkeit Gottes sein, weil „alle geistige, seelische und körperliche Kreatur von eben dieser schöpferischen Dreieinigkeit her ist, soweit sie ist“ (V 7, 13, 40).

Daß die Analogie nur auf dem Grunde des Schöpfungsgedankens möglich ist, besagt zugleich, daß die durch sie zustande kommende Erkenntnis Gottes keine ursprüngliche Einsicht ist. Wie im ganzen Bereich der Philosophischen Theologie des Augustinus wird auch hier die Gewißheit des dreieinigen Gottes nicht erst durch das analogische Erkennen hervorgebracht. Augustinus stellt sich selber die Frage: „Wie sehen wir ein, daß (Gott) Dreieinigkeit ist?“, und er antwortet: „Ich habe nicht gesagt, wie wir es glauben; denn das bedarf unter Gläubigen keiner Frage. Sondern wenn wir auf irgendeine Weise durch Einsicht sehen können, was wir glauben, welches wird diese Weise sein?“ (T XV 6, 9). Auch hier also bleibt der Vorrang des Glaubens vor der Einsicht in Geltung.

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