Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 222

DRITTE SZENE

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Inhaltsverzeichnis

Das griechische Lager . Vor dem Zelt des Achilles

Thersites tritt auf , allein.

THERSITES

Wie nun, Thersites? Ganz verloren im Labyrinth deines Grimms? Solls der Elefant Ajax so davontragen? Er schlägt mich, und ich schimpfe auf ihn: o schöne Genugtuung! Ich wollte, es stände umgekehrt, und ich könnte ihn schlagen, während er auf mich schimpft! – Blitz, ich will Teutel bannen und beschwören lernen, damit ich doch irgendeine Frucht meiner zornigen Verwünschungen sehe. – Dann, dieser Achilles! Der ist mir ein trefflicher Ingenieur! Wenn Troja nicht eher genommen wird, bis diese beiden es untergraben, so mögen die Mauern stehn, bis sie von selbst einfallen. O du großer Donnerschleudrer vom Olymp, vergiß, daß du Jupiter, der Götterkönig, bist; und du, Merkur, verlier alle Schlangenkunst deines Stabes, wenn ihr ihnen nicht das kleine, kleine, weniger als kleine Körnchen Verstand nehmt, das sie haben, von dem die kurzarmige Dummheit selbst einsieht, es sei so übermäßig winzig, daß es nicht so viel Umsicht haben wird, eine Fliege vor einer Spinne zu retten, ohne das plumpe Schlachtschwert zu ziehn und das Gewebe zu durchhauen. Hiernächst wünsch ich dem ganzen Lager die Pestilenz oder besser das napolitanische Knochenweh; denn der Fluch, dünkt mich, sollte denen folgen, welche um einen Unterrock Krieg führen. Das ist mein Gebet, und der Teufel Bosheit spreche das Amen. Heda! Holla! Fürst Achilles!

Patroklus tritt auf.

PATROKLUS

Wer da, Thersites? Lieber Thersites, komm herein und schimpfe!

THERSITES

Hätt ich nur an eine falsche Goldmünze gedacht, du wärst meiner frommen Betrachtung nicht entschlüpft; aber es macht nichts. Dich selbst wünsche ich dir an den Hals! Der allgemeine Fluch der Menschen, Torheit und Unwissenheit, sei dein in reichlicher Fülle! Der Himmel behüte dich vor einem Hofmeister, und gute Zucht komme dir nicht nah! Dein Blut regiere dich bis an deinen Tod! Wenn dich dann die Leichenfrau eine schöne Leiche nennt, so schwöre ich meinen besten Eid, sie hat nie andre als Aussätzige eingekleidet. Amen! – Wo ist Achilles?

PATROKLUS

Was? Gehörst du zu den Frommen? Sprachst du ein Gebet?

THERSITES

Ja; der Himmel erhöre mich!

PATROKLUS

Amen.

Achilles tritt auf.

ACHILLES

Wer ist da?

PATROKLUS

Thersites, Herr.

ACHILLES

Wo, wo? Bist du da? Ei, mein Käse, mein Verdauungspulver, warum hast du dich seit so mancher Mahlzeit nicht bei mir aufgetischt? Sag an, was ist Agamemnon?

THERSITES

Dein Oberherr, Achilles. Nun sage mir, Patroklus, was ist Achilles?

PATROKLUS

Dein Gebieter, Thersites. Nun sage mir, was bist du selbst?

THERSITES

Dein Kenner, Patroklus. Nun sage mir, Patroklus, was bist du?

PATROKLUS

Das mußt du, der mich kennt, am besten wissen.

ACHILLES

O sag doch, sag doch!

THERSITES

Ich will die ganze Frage noch einmal durchgehn. – Agamemnon befiehlt dem Achilles, Achilles ist mein Gebieter, ich bin Patroklus' Kenner, und Patroklus ist ein Narr!

PATROKLUS

Du Schuft!

THERSITES

Still, Narr, ich bin noch nicht fertig.

ACHILLES

Er hat das Privilegium. Nur weiter, Thersites!

THERSITES

Agamemnon ist ein Narr, Achilles ist ein Narr, Thesites ist ein Narr und, wie schon gesagt, Patroklus ist ein Narr,

ACHILLES

Beweise das. Nun?

THERSITES

Agamemnon ist ein Narr, weil er dem Achilles befehlen will; Achilles ist ein Narr, weil er sich vom Agamemnon befehlen läßt; Thersites ist ein Narr, weil er einem solchen Narren dient, und Patroklus ist ein Narr schlechthin.

PATROKLUS

Warum bin ich ein Narr?

THERSITES

Die Frage tue deinem Schöpfer, mir ists genug, daß du's bist. Seht, wer hier kommt?

[Es treten auf Agamemnon, Ulysses, Nestor, Ajax und Diomedes. ]

ACHILLES

Patroklus, ich will mit niemand reden. Komm mit mir herein, Thersites!

Geht ab.

THERSITES

O all die Lumpigkeit, all die Gaukelei, all die Nichtswürdigkeit! Die ganze Geschichte dreht sich um einen Hahnrei und eine Hure; ein hübscher Gegenstand, um Parteiung und Ehrgeiz aufzuhetzen und sich daran zu Tode zu bluten! Daß doch der Aussatz das Gesindel fräße und Krieg und Liederlichkeit alle zusammen verdürbe!

Geht ab. Es treten auf Agamemnon, Ulysses, Nestor, Diomedes, Ajax und Kalchas.

AGAMEMNON

Wo ist Achilles?

PATROKLUS

In seinem Zelt; doch nicht wohlauf, mein Fürst.

AGAMEMNON

Tut ihm zu wissen, ich sei selber hier.

Er höhnte Unsre Boten, und Wir tun

Verzicht auf Unsre Würde, ihn besuchend.

Dies zeigt ihm an; daß er nicht etwa glaube,

Wir sein im Zweifel über Unseren Rang,

Uns selbst verkennend.

PATROKLUS

Also sag ichs ihm.

Geht ab.

ULYSSES

Wir sahn ihn wohl am Eingang seines Zelts,

Er ist nicht krank.

AJAX

Ja doch, löwenkrank; krank an einem stolzen Herzen. Ihr mögts Melancholie nennen, wenn Ihr höflich von dem Manne reden wollt; aber, bei meinem Haupt, 's ist Stolz. Nur, auf was, auf was? Er soll uns einmal einen Grund angeben! Ein Wort, mein Fürst!

Nimmt Agamemnon auf die Seite.

NESTOR

Was hat Ajax, daß er so gegen ihn bellt?

ULYSSES

Achilles hat ihm seinen Narren abspenstig gemacht.

NESTOR

Wen? Thersites?

ULYSSES

Eben den.

NESTOR

Dann wirds dem Ajax an Stoff fehlen, wenn er sein Thema verloren hat.

ULYSSES

Nein, Ihr seht, der ist sein Thema, der sein Thema hat: Achilles.

NESTOR

Das kann nicht schaden; sie sind besser zerschellt als gesellt. Aber das war ein starkes Bündnis, das ein Narr trennen konnte!

ULYSSES

Die Freundschaft, welche Weisheit nicht knüpfte, kann Torheit leicht auflösen.

Patroklus kommt zurück. Hier kommt Patroklus. [Patroklus kommt zurück. ]

NESTOR

Kein Achilles mit ihm.

ULYSSES

Der Elefant hat Gelenke, aber keine für die Höflichkeit; seine Beine sind Beine fürs Bedürfnis, nicht für die Verbeugung.

PATROKLUS

Achill heißt mich Euch sagen, er bedaure,

Wenn etwas sonst als Eure Lust und Kurzweil

Eur Gnaden jetzt nebst Euren edlen Freunden

Zu ihm geführt; er hofft, es sei allein

Für Eur Verdaun und der Gesundheit wegen,

Ein Gang nach Eurer Mahlzeit.

AGAMEMNON

Hört, Patroklus,

Wir kennen dies Erwidern nur zu gut.

Doch dieser Vorwand, so mit Hohn beschwingt,

Kann doch nicht Unsrer Wahrnehmung entfliegen.

Manch seltnen Wert besitzt er, mancher Grund

Heißt Uns dies eingestehn; doch seine Tugend,

Nicht tugendlich verwendet seinerseits,

Verlor in Unsern Augen fast den Glanz,

Ja, gleich der Würz in ungesunder Speise,

Verdirbt wohl ungekostet. Meldet ihm,

Wir kommen, ihn zu sehn. Ihr sündigt nicht,

Wenn Ihr ihm sagt, er dünk Uns mehr als stolz

Und minder als gesittet: viel größer noch

In eignem Hochmut als nach echter Schätzung.

Manch Beßrer krümmt sich hier der spröden Wildheit,

In die er sich verlarvt,

Entäußert sich der heilgen Herrschermacht

Und räumt ihm ein, nachsichtig und aus Schonung,

Den Vorrang seiner Laune, ja, bewacht

Sein kindisch Wechsein, seine Ebb und Flut,

Als ob der Laut und Fortgang dieses Kriegs

Mit seiner Wittrung schiffte. Sagt ihm dies;

Sagt noch, daß, wenn er so sich überschätzt,

Wir ihn verschmähn; dann lieg er wie ein Rüstzeug,

Zu dem man spricht, weils zum Gebrauch zu schwer:

Bewegung her, dies kann nicht in den Krieg!

Und daß wir vorziehn einen rührgen Zwerg

Dem Riesen, welcher schläft. Dies alles sagt ihm!

PATROKLUS

Ich tu's und bring Euch Antwort unverzüglich.

Geht ab.

AGAMEMNON

Antwort durch fremden Mund genügt uns nicht;

Er komme selbst. – Geht Ihr, Ulyß, zu ihm!

Ulysses geht ab.

AJAX

Was ist er mehr als andre?

AGAMEMNON

Nicht mehr, als was er selbst zu sein wähnt.

AJAX

So viel? Und glaubt Ihr nicht, daß er sich ein beßrer Mann dünkt als ich?

AGAMEMNON

Das ist kein Zweifel.

AJAX

Und teilt Ihr diesen Dünkel? Bejaht Ihrs?

AGAMEMNON

Nein, edler Ajax; Ihr seid ebenso stark, so tapfer, so klug, so edel und viel gesitteter.

AJAX

Warum sollte ein Mensch stolz sein? Wo kommt der Stolz her? Ich weiß nicht, was Stolz ist!

AGAMEMNON

Eur Gemüt ist um so reiner, Ajax, und Eure Tugenden um so leuchtender. Wer stolz ist, verzehrt sich selbst; Stolz ist sein eigner Spiegel; seine eigne Trompete, seine eigne Chronik; und wer sich selbst preist, außer durch die Tat, vernichtet die Tat im Preise.

Ulysses kommt zurück.

AJAX

Ich hasse einen stolzen Mann, wie ich das Brüten der Kröten hasse.

NESTOR

beiseit. Und liebst dich doch selber; ist das nicht seltsam? [Ulysses kommt zurück. ]

ULYSSES

Achill will morgen nicht im Feld erscheinen.

AGAMEMNON

Womit entschuldigt ers?

ULYSSES

Den Grund verschweigt er;

Dem Strome seiner Stimmung folgt er nach

Und weigert jedem Ehrfurcht und Gehorsam

In selbstisch eigenwilliger Verstocktheit.

AGAMEMNON

Warum nicht kommt er, freundlich doch ersucht,

Aus seinem Zelt und teilt die Luft mit uns?

ULYSSES

Ein Stäubchen, die Verhandlung zu erschweren,

Macht er zum Berg; er ist an Größe krank;

Ja, mit sich selbst nur redend, schnaubt sein Hochmut,

Und ihm versagt der Atem. Eigendünkel

Erregt sein Blut durch so erhitzten Schwulst,

Daß, wie des Leibs und Geistes Kräfte kämpfen,

Sein Reich des Lebens in Empörung wütet

Und den Achilles niederstürzt. Was noch?

So pestkrank ist sein Stolz, daß jede Beule

Ruft: Keine Rettung!

AGAMEMNON

Ajax geh zu ihm! –

Mein teurer Fürst, geht Ihr hinein und grüßt ihn;

Man sagt, er schätz Euch sehr und kommt vielleicht

Ein wenig zu sich selbst, von Euch ermahnt.

ULYSSES

O Agamemnon, dies geschehe nicht!

Es soll des Ajax Schritt gesegnet sein,

Der weggeht vom Achill. Soll jener Stolze,

Der seinen Trotz mit eignem Fett beträuft

Und nichts, was nur geschehn ist, je gewürdigt

Der Überlegung – wenns ihn selber nicht

Anregt' und traf –, soll dem gehuldigt werden

Von ihm, der unser Abgott mehr als er?

Nein, dieser dreimal würdge, tapfre Fürst

Soll nicht so schmähn den wohlerrungnen Lorbeer,

Noch sich mit meinem Willn so weit erniedern

– Er, ganz so hochberühmt als selbst Achill –,

Jetzt zum Achill zu gehn.

Das hieße spicken Stolz, der schon zu feist,

Und Feuer dem Krebs zutragen, wenn er flammt

In des Hyperion strahlendem Geleit.

Der Fürst vor ihm erscheinen? Zeus verhüt es

Und spreche donnernd: Geh, Achill, zu diesem! –

NESTOR

beiseit. O das ist recht; er kratzt ihn, wo's ihn juckt.

DIOMEDES

beiseit. Und wie sein Schweigen diesen Beifall trinkt!

AJAX

Geh ich zu ihm, dann mit der Eisenfaust

Schlag ich ihm ins Gesicht.

AGAMEMNON

Ihr sollt nicht gehn!

AJAX

Und tut er stolz, so zwiebl ich seinen Stolz; Laßt mich nur hin!

ULYSSES

Nicht um den ganzen Kampfpreis unsres Kriegs!

AJAX

Der schuftige, freche Bursch!

NESTOR

beiseit. Wie er sich selber schildert!

AJAX

Kann er nicht umgänglich sein?

ULYSSES

beiseit. Der Rabe schilt auf die Schwärze!

AJAX

Ich will seinen Launen zur Ader lassen!

AGAMEMNON

beiseit. Der will der Arzt sein, der der Kranke sein sollte.

AJAX

Dächten nur alle so wie ich –

ULYSSES

beiseit. Dann käme Witz aus der Mode.

AJAX

– dann ginge es ihm so nicht durch; er mußte erst Klingen kosten. Solls der Hochmut davontragen?

NESTOR

beiseit. Wenn das geschieht, fällt dir die Hälfte zu.

ULYSSES

beiseit. Zehn Teile wären sein.

AJAX

Ich will ihn kneten, will ihn geschmeidig machen.

NESTOR

beiseit. Er ist noch nicht heiß genug; stopft ihn mit Lob, füllt nach, füllt nach, sein Hochmut ist noch trocken.

ULYSSES

zu Agamemnon. Mein Fürst, Ihr nehmt Euch den Verdruß zu nah.

NESTOR

Erhabner Feldherr, tut es nicht!

DIOMEDES

Zu dem Gefecht kommt sicher nicht Achilles.

ULYSSES

Ihn nennen hören, muß den Mann schon kränken.

Hier ist ein Held – doch, weil er gegenwärtig,

So schweig ich lieber.

NESTOR

Warum wollt Ihr das?

Er ist nicht wie Achill von Ehrgeiz krank.

ULYSSES

Sei's kund der ganzen Welt: Gleich tapfer ist er.

AJAX

Ein niederträchtiger Hund, der uns verhöhnt!

War er ein Troer!

NESTOR

Welch ein Fleck am Ajax –

ULYSSES

Erschien er stolz –

DIOMEDES

Wär er auf Ruhm erpicht –

ULYSSES

Zanksüchtig –

DIOMEDES

Selbstisch oder eigenwillig!

ULYSSES

Ihr seid gottlob von sanfter Art, mein Fürst;

Preis ihm, der dich gezeugt, ihr, die dich säugte!

Ruhm deinem Lehrer! Deinem Mutterwitz

Dreimal mehr Ruhm als aller Wissenschaft!

Doch wer im Fechten deinen Arm geübt,

Für den halbiere Mars die Ewigkeit

Und geb ihm eine Hälfte. Gilt es Stärke:

Stierträger Milo weiche dir an Ehre,

Gewaltger Held! Von deiner Weisheit schweig ich,

Die wie ein Hag, ein Zaun, ein Damm umgrenzt

Dein weites Denkgebiet. Hier, seht auf Nestor!

Belehrt durch Alter, muß er weise sein

Und ist es auch; er kann ja anders nicht;

Allein verzeiht, mein Vater: wär Eur Leben

So jung wie Ajax und Eur Haupt wie damals,

Ihr hättet keinen Vorrang, wärt nicht mehr,

Als Ajax ist.

AJAX

Soll ich Euch Vater nennen?

NESTOR

Ja, guter Sohn!

DIOMEDES

Nehmt Rat von ihm, Fürst Ajax!

ULYSSES

Hier gilt kein Zögern, denn der Hirsch Achill

Verläßt den Wald nicht. Unser hoher Feldherr

Berufe jetzt der Obern ganze Schar!

Hülfskönige verstärkten Troja; morgen

Muß für uns bürgen unsre höchste Kraft:

Hier steht der Mann! – Ritter von Ost und Westen,

Kommt, pflückt den Preis: Ajax besiegt den Besten!

AGAMEMNON

Auf denn zum Kriegsrat!

Wenn aus dem Schlaf ich auch Achill nicht rief:

Schnell schwimmt der Kahn, das Orlogschiff geht tief.

Sie gehn ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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